"Das ist das Allerhärteste, das man finden kann", beurteilte am Dienstag ein Sachverständiger die "Qualität" der kinderpornografischen Bilder und Videos, die auf den Datenträgern eines Mannes aus dem Landkreis gefunden worden waren. Das Schöffengericht am Freisinger Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Besitz und Weiterverbreitung von Kinderpornografie zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten zur Bewährung. Vor dem Gefängnis bewahrte den Mann sein ungewöhnlich freimütiges Geständnis und der Umstand, dass er sich seit Längerem in therapeutischer Behandlung befindet.
Wo andere Angeklagte herumdrucksen oder ihren Anwalt gedrechselte Worte sprechen lassen, schilderte der 48-Jährige ausführlich, wie sich bei ihm eine regelrechte Sammelwut entwickelt hatte. Angefangen hatte dies 1995, als sich der Mann seinen ersten Computer gekauft hatte. Rasch war er in einschlägigen Chat-Foren unterwegs. Dort wurde ihm klargemacht, dass er selber nichts bekomme, wenn er nichts anzubieten habe.

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Ein Kommunikationspartner gab ihm Anweisungen, wie er denn vorgehen solle. Die Quellen, aus denen der Mann sein Material bezog, sind so konstruiert, dass die Bilder und Videos beim Herunterladen automatisch weiterverbreitet werden. Er sollte sie zudem abspeichern, um mit Gleichgesinnten tauschen zu können. "Dann habe ich zum Sammeln angefangen", sagte der Angeklagte. Sein Computer sei Tag und Nacht gelaufen, um die Dateien herunterzuladen. Kein Wunder, zu der Zeit gab es nur das analoge Modem, mit dem das Speichern von Dateien halbe Ewigkeiten dauerte.
Eines Tages ging die Festplatte kaputt, der Mann hatte keinen Zugang mehr zu seinen Dateien. "Es war, wie wenn jemand aus der Familie gestorben wäre", sagte er. Der Computer sei sein Ein und Alles gewesen. Er dachte, die Leute, mit denen er im Internet kommunizierte, seien seine Freunde. "Im realen Leben hatte ich keine."
Im Laufe der Zeit hortete der Mann Tausende Bildern und Dateien. Das hätte er wohl so weitergetrieben, wenn er nicht einen Fehler begangen hätte. Auf der Verpackung einer "Milch-Schnitte", eines Snacks, war ein Code aufgedruckt, mittels dessen sich ein virtuelles Fotoalbum einrichten ließ. Der Angeklagte nutzte dies und bestückte das Album mit Material aus seiner Sammlung.
Nach der ersten Hausdurchsuchung hatte sich der Mann in Therapie begeben
Daraufhin ging ein Hinweis bei der Erdinger Kriminalpolizei ein. Die erschien im Juni 2021 zu einer Hausdurchsuchung am Wohnsitz des Beschuldigten. Dessen Familie wähnte sich im falschen Film. Der Fund von mehreren tausend Bildern und Videos auf den Datenträgern ließ Proteste gegen den unangemeldeten Besuch rasch verstummen und löste Betroffenheit aus.
Der Mann hatte sich daraufhin in Therapie begeben. Es habe sich bei ihm aber noch einmal "ein Schalter" im Kopf umgelegt. Er habe erneut begonnen, Material zu sammeln. Diesmal war das FBI auf ihn aufmerksam geworden und erstattete Meldung bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, die für die Verfolgung von Kinderpornografie zuständig ist. Zu Beginn des Jahres 2022 wurde die Polizei ein zweites Mal bei ihm fündig, wenn auch in geringerem Umfang.
Spät entwickelt sich beim Angeklagten ein Schuldbewusstsein
All die Jahre habe er kein Schuldbewusstsein gehabt, sagte der Mann. Das sei erst geweckt worden, als er sich im Fernsehen einen Bericht über Kindesmissbrauch in Thailand angesehen habe. In diesem Film seien die Schreie von Kindern zu hören gewesen, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen seien. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm erst bewusst geworden, dass Kinder und Jugendliche leiden müssten, damit Bilder und Videos für Leute wie ihn produziert werden könnten.
Das Urteil beruht auf einem Rechtsgespräch, in dem sich die Prozessbeteiligten auf ein Urteil zwischen einem Jahr und acht Monaten und einem Jahr und zehn Monaten zur Bewährung festlegten. Das Schöffengericht griff am Ende zur höheren Strafe. Trotz Geständnis, bisher unbescholtenem Lebenswandel und Kooperation mit der Polizei: Der vorsitzende Richter, Manfred Kastlmeier, kritisierte, dass der Angeklagte so rasch nach der ersten Hausdurchsuchung wieder rückfällig geworden war. Seine Therapie muss er selbstverständlich fortsetzen.