Die Pegel sinken, die Hochwasserlage entspannt sich. Dennoch: der Katastrophenfall im Landkreis Freising werde weiter aufrechterhalten, sagte Freisings Landrat Helmut Petz am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in der Einsatzzentrale der Freisinger Feuerwehr. Am Dienstagabend habe man zwar die Tendenz gehabt, den „K-Fall“ aufzuheben. Doch nach Absprache mit der Regierung und anderen Landkreisen habe man sich dagegen entschieden.
Zum einen werde am Wochenende weiterer Regen erwartet. Der soll zwar nicht so heftig ausfallen wie am vergangenen Wochenende. Man will aber auf alles vorbereitet sein. „Wenn wir den Katastrophenfall weiter ausrufen, haben wir einfach andere Zugriffsmöglichkeiten“, sagte Petz.
Ein weiteres Problem sind die vielen mit Öl vollgelaufenen Keller in Hohenkammer und Allershausen, die beiden Gemeinden, die es am heftigsten getroffen hatte. „Das kontaminierte Wasser und auch die kontaminierten Sandsäcke bereiten uns massive Probleme“, so der Landrat. Es dürfe auf keinen Fall zu einer Verseuchung des Grundwassers kommen. In Zahlen ausgedrückt gestaltet sich das Problem wie folgt: In Hohenkammer müssen 80 000 Kubikliter Öl-Wassergemisch entsorgt werden und in Allershausen sind es 50 000 Kubikliter.
Abgepumpt wird es von den Ölwehrtrupps der Feuerwehren aus Traunstein und Altenerding. Das Ölwassergemisch wird nach Neuburg zur THW-Fachgruppe Ölschaden transportiert. Dort, so Michael Wüst, Ortsgruppenleiter vom THW in Freising, komme es in große Zentrifugen und werde getrennt. Das Wasser könne man entsorgen, das Öl werde in eine Raffinerie gebracht.
„Die Lage entspannt sich deutlich“
Kreisbrandrat Manfred Danner war am Mittwoch dennoch zuversichtlich, dass das Schlimmste der Hochwasser-Katastrophe im Landkreis Freising vorbei ist. „Die Lage entspannt sich deutlich“, sagte er. Wie kritisch sie war, zeigen auch hier wieder die Zahlen. 200 000 Sandsäcke seien in den vergangenen fünf Tagen befüllt und verbaut worden, 4000 Einsatzkräfte von den Rettungsdiensten, Feuerwehr und THW seien im Einsatz gewesen. Über 200 Menschen hätten aus gefluteten Gebäuden geholt werden müssen. Das war auch eine der Hauptaufgaben des BRK im Landkreis. „Allein wir haben insgesamt 95 Menschen aus überfluteten Gebäuden gebracht, 32 davon waren Senioren“, sagte Hubert Böck.
Auch die Arbeit der Polizei war bei dieser Hochwasser-Katastrophe von großer Bedeutung. „Wir waren mit Aufklärungsaktionen und Verkehrsmaßnahmen befasst“, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Aber auch mit dem Schutz vor Plünderungen. Wie wichtig das war, zeigt ein ganz aktueller Fall. Ein Paar hatte am Mittwoch versucht, in ein Haus in Hohenkammer einzudringen, die Bewohnerin hatte das bemerkt und um Hilfe gerufen. Ein Nachbar eilte nach Angaben des Polizeisprechers hinzu und es kam zu Handgreiflichkeiten um eine Uhr, die der Eindringling schon in der Hand hatte. Das Paar flüchtete, konnte aber später in Kranzberg gestellt werden. Ermittelt wird nun wegen räuberischen Diebstahls.
Sperrmülltouristen versuchen, von der Notlage zu profitieren
Und es gibt noch ein Problem: die Sperrmülltouristen. Menschen aus anderen Landkreisen, die von der Hochwasser-Katastrophe gar nicht betroffen seien, versuchten offenbar jetzt, ihren Sperrmüll günstig zu entsorgen, wo gerade das große Aufräumen begonnen hat. Dafür hat das Freisinger Landratsamt in allen betroffenen Gemeinden Container aufgestellt.
So auch in Allershausen. Zahlreiche Helfer sind dort nach wie vor damit beschäftigt, das Wasser abzupumpen, Strom gibt es im Ort weiterhin nicht. Das soll sich aber bald ändern. Allerdings müssten die Mitarbeiter des Energieversorgers Schritt für Schritt vorgehen und erst alle Hausanschlüsse prüfen, so das Landratsamt. Das Rathaus sollte am Donnerstag wieder an Netz gehen.
Auch die Schule steht noch unter Wasser. Betroffen sind die Kellerräume, insgesamt 1700 Quadratmeter, wie Schulleiter Thomas Nistler erklärt. Problematisch sei, dass sich dort der Serverraum befinde, auch Computer-, Küchen- und Werkräume stünden unter Wasser. Zwar sei der Wasserstand von 2,5 auf einen Meter gesunken. Da aber die drei Zugänge, die vom Erdgeschoss in den Keller führen, nicht durch Türen verschlossen werden können, ist laut Nistler die Gefährdung der Schülerinnen und Schüler zu groß.
Deshalb fällt der Präsenzunterricht bis zum Ende der Woche aus. Laut Landratsamt finden nur für die 9. Klassen am Donnerstag- und Freitagvormittag Schulstunden in Präsenz statt. „Aktuell haben wir auf Distanzunterricht umgestellt“, sagt der Schulleiter, „in dieser Hinsicht sind wir coronaerprobt“. Möglicherweise könne der Unterricht ab Montag kommender Woche wieder vor Ort stattfinden.
Auch Josef Nießl, dessen Haus unweit der Schule zwischen Glonn und dem Mühlbach steht, ist weiterhin dabei, seinen Keller auszupumpen. Am Gartenzaun hängen Handtücher und Kleidungsstücke zum Trocknen, in der Einfahrt stehen weitere Gegenstände. Als die Wassermassen am Sonntag kamen, habe man das Wasser abgepumpt, „damit die Decke im Erdgeschoss hält.“ Eine Tür sei dennoch gebrochen. Abwechselnd mit seinem Bruder hatte Nießl einen Generator im Einsatz, um zumindest „Schadensbegrenzung“ betreiben zu können. Ohne Strom und Handyempfang sei die Kommunikation eingeschränkt gewesen.
Einer anderen Anwohnerin haben die Strapazen der vergangenen Tage sichtbar zugesetzt. „Beeindruckt hat mich der Einsatz von Freiwilliger Feuerwehr und Wasserwacht“, sagt sie. Unbrauchbar gewordene Haushaltsgeräte türmen sich am Straßenrand. Die Nachbarschaft sitzt gemeinsam an einem Tisch, denn eines hat die Flut laut gezeigt: „Der Zusammenhalt ist super“, versichert ein Anwohner.
„Jeder kennt jemanden, der hilft, und bietet seinerseits Hilfe an.“
Alle hätten sich auf dem höchstgelegenen Grundstück versammelt, als das Wasser kam, und sich gegenseitig unterstützt. Seitdem gelte: „Jeder kennt jemanden, der hilft, und bietet seinerseits Hilfe an.“ Die Frage, wer das nächste freie Notstromaggregat bekommen sollte, beantwortete man nach dem Motto: „Wer braucht es am dringendsten?“ Und das Wichtigste sei, „dass niemand in der Nachbarschaft verletzt wurde oder zu Tode kam.“