Spurensicherung bei Unfallflucht:Verräterische Lackspuren

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Wenn die Verursacher eines Unfalls die Flucht ergreifen, kommen Unfallfluchtfahnder zum Einsatz. Sie sind top ausgebildet und technisch so gut ausgerüstet, dass ihre Erfolgsquote immerhin bei fast 40 Prozent liegt.

Von Rosanna Wegenstein, Freising

Am vergangenen Dienstag hat sich auf der Autobahn 9 bei Allershausen ein schwerer Unfall ereignet. Am Standstreifen neben einem Auto wurde in den frühen Morgenstunden ein lebloser 35-Jähriger gefunden, der offenbar durch einen Unfall ums Leben gekommen war. Weil der Verursacher jedoch geflüchtet war, wurden von der Polizei Gutachter eingeschaltet, fachkundige Beamte fahnden seither wegen Unfallflucht. Alfons Englmeier, Polizeihauptkommissar der Polizeiinspektion in Erding, erzählt, welche Schritte allgemein bei einer Unfallflucht unternommen werden. "Die Spurensicherung ist das A und O", betont er.

Grundsätzlich gebe es zwei Wege, in Fällen zu ermitteln, in denen die Verantwortlichen für einen Verkehrsunfall von der Unfallstelle flüchten: durch Berichte von Zeugen und Zeuginnen oder einen "Sachbeweis". Dieser sei gegeben, wenn Anhaftungen bei einer getöteten Person oder an einem beschädigten Fahrzeug hinterlassen wurden. Englmeier erklärt, dass solche Anhaftungen oft Teile des "Fluchtfahrzeuges" seien, die nach einem Unfall auf der Straße zurückbleiben, etwa Außenspiegel, oder Glassplitter eines Scheinwerfers.

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Mittlerweile könne man mittels einer Serien- oder Typennummer fast immer Rückschlüsse auf die Art und die genaueren Attribute eines Verkehrsmittels ziehen. "Im Fall eines massiven Zusammenstoßes kann es auch sein, dass das Kennzeichen verloren geht", sagt Englmeier. Dann sei es natürlich besonders einfach, ein gesuchtes Fahrzeug ausfindig zu machen. Das dauere etwa eine Stunde.

In anderen Situationen sei es schwieriger. Zum Beispiel, wenn aufgrund von kleineren Anhaftungen, wie Lackabrieben Schlüsse auf den Verursacher oder die Verursacherin eines Unfalls gezogen werden müssen. In solchen Fällen können die Ermittlungen auch Tage, Wochen oder sogar Monate dauern, wie der Polizeiinspektor sagt. Dafür gibt es bei der Verkehrspolizei sogenannte Unfallfluchtfahnder. Für die Landkreise Erding, Freising und Ebersberg sind das drei Zentralbeamte, die top ausgebildet und auch technisch gut ausgerüstet sind. Sie haben ihren Dienstsitz bei der Verkehrspolizeiinspektion Freising und können von Kollegen der Polizei verständigt werden, wenn im Falle von komplizierteren Nachforschungen ihre Hilfe benötigt wird.

Wenn beispielsweise Lackabriebe untersucht werden müssen, kann auch das Landeskriminalamt eingeschaltet werden, um optische Vergleiche vorzunehmen oder chemische Untersuchungen durchzuführen. Auch Hubschrauber kommen im Fall einer Unfallflucht manchmal zum Einsatz. Englmeier erzählt, dass dies vor allem im Ernstfall üblich sei, wenn eine Person schwer zu Schaden kommt. "Dann wird natürlich alles eingesetzt, was man hat", sagt er. Bei Hubschraubereinsätzen werden für Fahndungsmaßnahmen zum Beispiel häufig Luftbilder mit Wärmebildkameras gemacht, um einen besseren Überblick über die Spurenlage zu erhalten, erklärt auch Josef Demmel, Polizeihauptkommissar für das Sachgebiet Verkehr in Freising.

Gar nicht so selten melden sich Unfallflüchtige auch noch im Nachhinein bei einer Polizeistelle, beispielsweise, wenn sie die Folgen eines Unfalls erst über Medienberichte richtig mitbekommen und dann doch noch aus schlechtem Gewissen handeln. Das sei aber natürlich sehr von der Situation und auch der Person abhängig, sagt Englmeier. Die Erfolgsrate der Unfallfluchtfahndungen beträgt in seinem Dienstbereich knapp vierzig Prozent, wie der Hauptkommissar erklärt.

Demmel verfügt über die Zahlen der Unfallfluchten im Landkreis Freising: Bei den Polizeidienststellen in Moosburg, Neufahrn und Freising hat es demnach im Jahr 2017 insgesamt 898 und im Jahr 2018 sogar 946 Unfallfluchten gegeben. Das entspricht einem Jahresanstieg von fünf Prozent. Die Erfolgsrate lag bei diesen Fällen bei etwas mehr als 38 Prozent. "Das ist eine gute Aufklärungsquote", sagt Demmel. Besonders für kleinere Vorfälle im Stadtverkehr, bei denen oft nicht sehr viele Spuren hinterlassen werden, wie er erklärt.

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Auf den Autobahnen im Dienstbereich der Verkehrspolizeiinspektion Freising gab es im Jahr 2017 insgesamt 258 und im Jahr darauf 304 Verkehrsunfallfluchten, wie deren Statistik belegt. Die Aufklärungsrate lag hier 2017 bei 46,51 und 2018 bei 40,13 Prozent. Im ersten Halbjahr 2019 gab es in diesem Bereich bisher 157 Unfallfluchten, von denen 43,31 Prozent bereits geklärt wurden.

Bei Unfallfluchtfahndungen, die zunächst keine Erfolge erzielen, ist es laut Demmel von der Schwere und Art des Unfalls abhängig, was dann passiert. Wenn es um kleinere Vorfälle, wie beispielsweise um Parkrempler geht, könne man meist davon ausgehen, dass man keine Informationen mehr erhält, wenn sich in den ersten zwei bis drei Tagen kein Zeuge oder keine Zeugin gemeldet hat. Bei größeren Unfällen allerdings, bei denen auch die Spurenlage besser sei und es massivere Ermittlungsansätze gebe, könnten Expertenteams der Polizei mit ihren heutigen Möglichkeiten noch sehr lange, auch bis zu einem Jahr weitere Nachforschungen durchführen.

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