Abschied:Das Volksfest war sein Baby - 28 Jahre lang

Abschied: Volksfestorganisator Erich Bröckl (62) ist Kult. Seit 40 Jahren steigt er in wirklich in jedes Fahrgeschäft ein - und wieder aus, ohne sich zu übergeben. Jetzt sagt Bröckl "Servus".

Volksfestorganisator Erich Bröckl (62) ist Kult. Seit 40 Jahren steigt er in wirklich in jedes Fahrgeschäft ein - und wieder aus, ohne sich zu übergeben. Jetzt sagt Bröckl "Servus".

(Foto: Marco Einfeldt)

Kaum einer kennt die schillernde Welt der Schausteller so gut wie Erich Bröckl (62) - und nur wenige überstehen rasante Überschläge so nervenstark. Nach 40 Jahren Volksfest hört Freisings Organisator jetzt aber auf.

Von Eva Zimmerhof, Freising

Im Trachtenjanker kommt Erich Bröckl (62) so ruhig und bodenständig daher. Genauso ruhig und ohne sich zu übergeben steigt er aus den wildesten Fahrgeschäften, von denen er regelmäßig seinen Körper durch die Luft schleudern und mehrfach überschlagen lässt - solche aus denen sonst Zwanzigjährige mit weißen Gesichtern torkeln. Als Volksfest-Organisator testet er wirklich alles selbst, will er doch genau wissen, ob es auch etwas taugt. Sonst kommt es ihm nicht auf den Platz.

Bröckl ist Freisinger, genau genommen Neustifter: Dort ist er geboren, dort hat er geheiratet, sein Haus gebaut. Sein Leben aber gehört der bunten, lustig-lauten, oft harten Schaustellerwelt. 104 verschiedene Volksfeste kennt er. Immer wieder ist er auf Tour: Der Hamburger Dom war erst vor ein paar Tagen dran. Hier baut er Kontakte auf, hier trifft er mit den Schaustellern Absprachen und sammelt privat die bunten Fahrchips. Nun muss er als Organisator für zwei Jüngere das Feld räumen. Kurz vor Beginn "seines" letzten Volksfestes sitzt er vor der Almhütte am Festplatzeingang und blickt wehmütig und stolz auf 40 Jahre Volksfesterfahrung zurück, von denen er die vergangenen 28 allein verantwortlich dafür war, dass Schausteller nach Freising kamen, dass der Aufbau funktionierte, dass der TÜV sein Okay gab, dass Freising feiern konnte.

Das krasseste Karussell

"Bei 40 Grad im Schatten hab ich mir mal in Straubing den "Blackout" angesehen. Ich stand davor mit meinem Espresso in der Hand, als mich mit voller Wucht eine Wasserbombe getroffen hat." Die hätten sie dort wegen der Hitze verteilt, sagt Bröckl. Klatschnass sei er dann in den "Blackout" gestiegen und war nach der Fahrt komplett trocken. Mehrere Überschläge hoch in der Luft - es ist sein absolutes Lieblingsfahrgeschäft und auch heuer wieder beim Volksfest. Vor dem "Freak" auf dem Platz hingegen warnt er mit leichtem Schmunzeln: "Der ist nur etwas für Hartgesottene." Ist er auch gefahren, klar.

Die schlimmste Panne

"Letztes Jahr, das war ein Tiefschlag: Da haben ganz kurzfristig gleich drei Große abgesagt: eine Achterbahn mit Looping, hinter der ich fünf Jahre lang her war, eine Überkopfschaukel und eine 45 Meter hohe XXL-Schaukel", sagt Bröckl. Ein Katastrophe. Dann ging auch noch sein Handy mit den etwa 2000 gespeicherten Kontakten kaputt. Die Kontakte ließen sich zum Glück retten. Den Platz aber musste Bröckl im Affentempo neu organisieren, Ersatz finden. "Das steckst du nicht so leicht weg. Da hatte ich noch bis Weihnachten dran zu knabbern", sagt Bröckl. "Ich habe viele gute Kollegen bei anderen Volksfesten, mit denen ich mich abspreche. Aber es gibt leider auch solche, die werben einem Schausteller in der laufenden Saison ab."

Das Schönste am Fest

"Am schönsten ist es, wenn die Mischung stimmt", sagt Bröckl, und freut sich mit einem Lächeln unter dem Schnauzer über einen vorbeikommenden Radler, der ihm zuruft: "Das wird ein schönes Volksfest heuer!" Erst zwei, drei Tage vor Festbeginn sehe man eben, ob man alles richtig gemacht hat, so Bröckl. "Wenn ja, ist das die schönste Zeit." Das Sprichwort mit der Vorfreude, ja das stimme. Das laufende Fest könne er gar nicht so genießen. "Da kommen pro Tag etwa 40 Fragen, um die ich mich kümmern muss." Etwas Zeit wird er aber trotzdem für seine Schausteller-Freunde finden, einige kennt er seit Jahrzehnten. Mit dem ebenfalls umherreisenden Volksfestpfarrer will er jedenfalls wieder Fahrchips für seine Sammlung tauschen.

Das emotionalste Erlebnis

"Wir hatten hier schon einige Geburten und auch Todesfälle", sagt Bröckl und sein Gesicht bekommt einen leicht abwesenden Ausdruck, als er an die Vergangenheit denkt. "Am heftigsten" sei es doch für ihn gewesen, als er eine Todesnachricht überbringen sollte. "Die Polizei hat gefragt, ob ich es mache: 'Du kennst den doch.'" Und Bröckl machte es.

Die schlafloseste Nacht

"Letztes Jahr, nach den drei großen Absagen: Ich hatte sehr kurzfristig neue Fahrgeschäfte auf dem Platz - der TÜV nimmt aber immer nur den ganzen Platz ab." Eine Zitterpartie begann, eine Nervenstrapaze, denn erst zwei Stunden vor Festbeginn endete sie glücklich: Da kam die Freigabe für den Platz. Das Volksfest durfte stattfinden.

Abschied: Volksfestmanager Erich Bröckl mit Haifisch-Luftballon beim Rundgang der Stadträte.

Volksfestmanager Erich Bröckl mit Haifisch-Luftballon beim Rundgang der Stadträte.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die größte Sorge

"Stromausfall", sagt er sofort. "Wir verbrauchen hier in zehn Tagen soviel wie zehn Einfamilienhäuser im ganzen Jahr. Das sind enorme Belastungen!" Er habe schon etwas Angst, "dass mal was zu schmoren anfängt". Trotz des enormen Verbrauchs ist das Volksfest keine Umweltsünde: Die Stadtwerke versorgen den Platz mit grünem Strom.

Die Diskussion um die Ponys

"Die Reitbahn ist ja wieder da", hätte ihn gerade eine Frau geschimpft, sagt Bröckl. "Dabei ist mit der Haltung alles in Ordnung. Und ein echtes Tier ist für die Kinder immer noch der Hit." Das Thema sei doch bereits im Stadtrat behandelt worden und pro Reitbahn ausgegangen. "Die Tiere stehen im Schatten und kommen immer wieder auf die Wiese neben dem Platz. Der Besitzer geht sogar jeden Tag mit den Ponys zum Baden in die Isar." Bröckl sieht, was auf dem Platz vor sich geht. "Die Tierschützer werden aber immer militanter. Der Kollege in Dachau darf nicht mal mehr einen Flohzirkus nehmen. Ich meine, Flöhe sind für mich Ungeziefer - die zerquetscht man eigentlich."

Die Zukunft

"Auf die Kollegen kommt ganz schön was zu. Dadurch dass sich die Sicherheitsvorschriften ändern und an die EU-Vorschrift angepasst werden: Die Statik der Fahrgeschäfte wird neu berechnet. Es wird zum Beispiel nicht mehr mit 75 Kilo pro Fahrgast gerechnet, sondern mit 100", erklärt Bröckl. Viele Fahrgeschäfte erfüllten dies nicht - sie werden verkauft. "Der Top Spin von vor zwei Jahren: jetzt in der Ukraine, die Riesenfrisbee in Dubai. Das Nachrüsten ist viel zu teuer. Damit wird das Angebot an Fahrgeschäften deutlich geringer." Er sei ganz froh, dass ihn das nicht mehr allein treffe, sagt Bröckl. Adrian Gewald und Bernd Seeberger werden seine Nachfolger. Seinen Abschied nimmt Bröckl "am 31.08.18" - das Datum kommt wie aus der Pistole geschossen. Es scheint weh zu tun. Ganz "sein" letztes Volksfest ist es heuer aber nicht, er bereitet schon das für 2018 vor. Bis Weihnachten will er dem Stadtrat seine Pläne vorlegen. Privat will er den Volksfesten treu bleiben, sich vielleicht einen Hund anschaffen. Der müsste aber Lautstärke vertragen können? "Stimmt", sagt Bröckl. "Apropos Lautstärke: Nach dem Fest bin ich zwar platt, aber heuer gehe ich dann zu den Stones - endlich wieder ordentliche Musik hören!" Es gibt doch mehr für ihn als nur die eine Welt.

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