Fotos über die alte Heimat:Kein Weg zurück

Der junge Fotograf Stefan Hobmaier verabschiedet sich mit einer Bilderserie von seinem Heimatdorf Hörgertshausen bei Freising. Der Titel: "No way home".

Martina Kollroß

Früher wechselten alte Menschen aus seinem Dorf öfters mal die Straßenseite sobald sie Stefan Hobmaier sahen. Zu dieser Zeit trug er noch Dreadlocks und focht "Grabenkämpfe mit den Fußballern" aus. Hobmaier, heute Mitte 20, wollte damals einen Skatepark, keinen Bolzplatz.

Fotos über die alte Heimat: So hat Stefan Hobmaier einen Freund im Bungalow seiner Eltern porträtiert.

So hat Stefan Hobmaier einen Freund im Bungalow seiner Eltern porträtiert.

(Foto: Stefan Hobmaier)

Kein Wunder, dass es ihm im Zweitausend-Einwohner-Dorf irgendwann zu eng wurde, "zumindest vom Denken her", wie er selber sagt. Inzwischen ist er dreimal weggezogen, aber auch zweimal nach Hause zurück. Mittlerweile hat Stefan Hobmaier eine Bildstrecke mit dem Titel "No way home" veröffentlicht. Er verarbeitet darin sein Gefühl, aus dem elterlichen Zuhause herausgewachsen zu sein.

Da ist einmal der Weiher, an dem sich Stefan in seiner Jugend oft mit seinen Kumpels traf. Er hat ihn dunkel und mystisch inszeniert, von einem Freund ragt nur der Kopf aus dem Wasser. Auf anderen Fotos zeigt Hobmaier Details seines Ortes. Zum Beispiel einen alten Treppenaufgang, an der Wand sind bunte Fliesen. Das Bild wirkt trostlos und düster.

Nach dem Abitur gab es für Hobmaier nur eine logische Konsequenz: raus aus Hörgertshausen bei Freising, rein in die Großstadt München. Dort suchte ein Fotograf gerade einen Assistenten. Und Hobmaier hatte gerade begonnen zu fotografieren und seine Kumpels beim Skaten zu knipsen. Er nahm den Job an. Nach einem abgebrochenen Studium kam er 2005 über Empfehlungen auf eine Fotoschule nach Barcelona. Dort lebte er dreieinhalb Jahre, dann zog er für ein paar Monate wieder nach Hause, danach wieder nach München.

Der Gesprächsstoff mit den alten Kumpels geht schnell aus

Aber sein Heimatort ließ ihn einfach nicht los. Kurze Zeit später zieht er wieder dorthin. "Ich wollte schauen, wie's mir geht, wenn ich mich da einquartiere." Denn Stefan Hobmaier ist zu dieser Zeit der Hektik und Anonymität der Großstadt überdrüssig geworden. Er sehnt sich nach der Geborgenheit seiner Kindheit und Jugend. "Irgendwie war alles gleich geblieben. Nur ich hatte mich verändert", sagt er. Richtige Schockerlebnisse habe er damals manchmal gehabt.

Als er zum Beispiel einmal bei Freunden zum Grillen eingeladen war. Stefan erzählt, wie ihm mit seinen alten Kumpels der Gesprächsstoff sehr schnell ausging: Und wie läuft's in der Arbeit? - So wie immer. Hast du eine neue Freundin? - Nee, immer noch dieselbe. Dabei hatte er selbst doch so viel zu erzählen. "Da fühlt man sich den Leuten nahe - weil alles so ist wie früher - und gleichzeitig spürt man eine große Distanz", sagt er.

Er holt seine Gefühle ins Bild

Zu der Zeit kam ihm die Idee, seine Gefühle fotografisch umzusetzen. Erst wollte er Szenen aus seiner Vergangenheit nachstellen; der Arbeitstitel lautete da noch "Dorfjugend". Seine erste Idee war, seiner Jugend eine Art persönliches Denkmal zu setzen. "Irgendwann merkte ich, man kann das nicht mehr nachstellen." So entstand eine sehr persönliche Arbeit, die einerseits aus Hobmaiers Erinnerungen besteht - die Kirche und die Hühner, der Vater beim Schweißen. Und andererseits seine alten Kumpel, porträtiert, als wären sie in einer Parallelwelt gefangen.

Fotos über die alte Heimat: Stefan Hobmaier verabschiedet sich mit einer Bilderserie von seinem Heimatdorf Hörgertshausen.

Stefan Hobmaier verabschiedet sich mit einer Bilderserie von seinem Heimatdorf Hörgertshausen.

(Foto: Stefan Hobmaier)

Die zwei Seiten seiner Arbeit stellen Stefan Hobmaiers eigenes Dilemma dar. Denn eigentlich ist er ein Dorfkind, aufgewachsen in einer behüteten Umgebung, gegen die er sich als Jugendlicher auflehnte. Heute merkt er, dass das beschauliche Dorfleben, in dem jeder jeden kennt, auch seine guten Seiten hat. Doch gleichzeitig schätzt er auch die Weltoffenheit einer Großstadt.

Rein äußerlich unterscheidet sich Hobmaier nicht sonderlich von den Freunden, die im Dorf geblieben sind. Mit 19 Jahren kamen die Dreadlocks ab, jetzt hat er kurze braune Haare und trägt die gleiche Mischung aus Skate- und Hip-Hop-Klamotten wie seine Kumpel. Baggypants, die aus jungen Männern wieder Jungs machen.

An seinem linken Unterarm hat er eine Tätowierung. Ein schwarzes Dreieck, Spitze nach oben, daneben zwei Kreise ineinander, wie bei einer Zielscheibe. An den Pulsadern das zweite Dreieck, mit der Spitze nach unten. Er habe lange über das Tattoo nachgedacht. So wie er das auch bei seinen Fotos mache. Deshalb änderte er wohl auch den Namen der Bildstrecke in "No way home", denn für ihn gibt es keinen Weg mehr zurück nach Hörgertshausen.

Er lebt zwischen "Haben oder Sein"

Ende Juli postete er in seinem Fotoblog "Kalte Burger" die Namensänderung. Sonst stellt er dort vor allem andere Foto-Ausstellungen in der Stadt vor. Aber auch eigene Bilder präsentiert er dort. Kürzlich lud er Promo-Fotos vom Münchner Rapper Roger Rekless hoch. Die beiden sind befreundet.

Momentan arbeitet Stefan Hobmaier als Fotograf in München. Dabei lebt er "zwischen Haben oder Sein". Er retuschiert viel, arbeitet für Werbekampagnen. Dazwischen macht er Kunst. Auch sein nächstes Projekt wird eins seiner Lieblingsthemen behandeln: die Anonymität der Großstadt - oder doch wieder ein Heimatthema.

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