Forschungsprojekt:Killer-Shrimps bedrohen heimische Kleinkrebse

Höckerflohkrebs erobert den Bodensee

Der Höckerflohkrebs verjagt die heimischen Flohkrebse aus ihren Verstecken und die werden dann gefressen.

(Foto: Felix Kästle/dpa)
  • Der Höckerflohkrebs wird als Killer Shrimp bezeichnet.
  • Er stammt eigentlich aus dem Schwarzmeerraum - doch er trägt nun hier zum Artenschwund bei.
  • Das ist das etwas überraschende Ergebnis einer Forschungsarbeit an der TU Weihenstephan.

Von Petra Schnirch, Freising

Er trägt den etwas unschönen Beinamen Killer-Shrimp. Wissenschaftler aus Weihenstephan haben nun aber nachgewiesen, dass der Höckerflohkrebs weniger schlimm ist als sein Ruf. An einer Tatsache aber lässt sich nicht rütteln: Das Tierchen, das eigentlich aus dem Schwarzmeerraum stammt, trägt zu einem rasanten Artenschwund bei heimischen Kleinkrebsen bei - wenn auch indirekt, im Zusammenspiel mit den Schwarzmundgrundeln, die aus der gleichen Region eingewandert sind.

In umfangreichen Feldstudien hatten die Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie der TU München (TUM) in den vergangenen Jahren die Uferbereiche der oberen Donau von Kelheim bis zur österreichischen Grenze untersucht. Den Gewöhnlichen Flohkrebs fanden sie dort kaum noch, dafür aber viele Exemplare des Großen Höckerflohkrebses. Also lag der Schluss nahe, dass der Einwanderer, der bis zu zwei Zentimeter lang werden kann, seine kleineren, maximal zwölf Millimeter großen Artgenossen gerne verspeist.

In einem aufwendigen Laborversuch wiesen die Weihenstephaner Forscher nun jedoch nach, dass der Höckerflohkrebs gar kein echter Räuber ist. Er verdrängt die heimischen Flohkrebse allerdings aus ihren Verstecken - und die werden so zur leichten Beute der Grundeln. Die Ergebnisse dieser Verhaltensstudien sind für die Invasionsbiologie von besonderer Bedeutung, da nachgewiesen wurde, dass die Interaktion zweier invasiver Arten den Rückgang heimischer Tierarten zur Folge hat, wie der Weihenstephaner Systembiologe Sebastian Beggel erklärt. "Das ist hochspannend." Ein so deutliches Resultat habe das Team überrascht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler im Online-Fachmagazin BMC Ecology.

Durch zwei Doktorarbeiten am Lehrstuhl wussten die Forscher zuvor bereits, dass die Grundeln zwar sehr flexibel sind, was ihre Beute angeht, dass sie spezielle Flohkrebse als Futter aber bevorzugen - und dies sind vor allem die hier beheimateten Arten. Ihre Untersuchungen am Institut in Weihenstephan mit bis zu 20 Wiederholungen gingen über mehrere Wochen. Die Biologen richteten Aquarien mit und ohne Versteckmöglichkeiten ein, in denen sie beide Krebsarten allein oder zusammen mit Schwarzmundgrundeln einsetzten. Bei der Besatzdichte orientierten sie sich am ursprünglichen Vorkommen der Tiere in der Donau, um die Ergebnisse auf natürliche Bedingungen übertragen zu können.

Dabei stellte sich schnell heraus, dass die Killer-Shrimps ihre heimische Verwandtschaft zwar nicht verspeisen, sie aber aus ihren Verstecken jagen, als "gemeine Hausbesetzer" sozusagen, wie dies die Forscher kommentieren. In Aquarien mit Versteckmöglichkeiten, in denen sich nur einheimische Krebse und Grundeln befanden, wurden demnach nur neun Prozent der Flohkrebse Beute der Fische. Befanden sich dort auch Große Höckerkrebse stieg die Zahl auf bis zu 60 Prozent.

Krebse verbreiten sich in den Gewässern

In der Isar ist dieses Phänomen übrigens noch nicht zu beobachten. Die anspruchslosen Grundeln seien überwiegend in den mit Blocksteinschüttungen gesicherten Uferbereichen der Donau zu finden, schildert Sebastian Beggel. Dort stellten sie in einigen Bereichen zum Ärger der Fischer bereits über 50 Prozent des Fischbestands. Die Isarmündung bei Deggendorf dagegen ist noch relativ naturbelassen. Vermutlich gelangten sowohl Grundeln als auch Höckerflohkrebse als blinde Passagiere mit Schiffen nach Mitteleuropa. Die Krebse sind mittlerweile aber auch im Bodensee und im Starnberger See in größerer Zahl zu finden.

Beggel, 38, ist seit sechs Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie tätig, er hat auch an der TUM promoviert. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die aquatische Ökotoxikologie.

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