Mehr als ein Drittel der Privatwaldbesitzer in Bayern sind Frauen, etwa ebenso so hoch ist der Anteil der Absolventinnen in den Forstwissenschaften. Dennoch sind sie in Wissenschaft, Verwaltung und Forst-Praxis kaum sichtbar. Das EU-Forschungsprojekt „Fem4forest“ soll dazu beitragen, dass sich dies ändert. Ein Ziel ist bereits erreicht: Das Thema sei bei den Verantwortlichen angekommen, bilanziert Kathrin Böhling. Für ihre Mitwirkung an dem Projekt ist die Wissenschaftlerin, die an der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft arbeitet, mit dem Hanskarl-Goettling-Forschungspreis ausgezeichnet worden – und auf ihre Initiative hin findet das Forschungsprojekt seit Januar mit „Fem2forest“ eine Fortsetzung.
„Dass man an dem Thema arbeiten sollte, ist, glaube ich, durchgedrungen“, sagt Böhling. In der Forstverwaltung und bei den Bayerischen Staatsforsten – zwei wichtige Arbeitgeber in der Branche – sei ein Bewusstsein dafür entstanden, dass man mehr für die Gleichstellung von Frauen und Männern tun müsse. Beim Start des Projekts sei das nicht der Fall gewesen.
Die Initiative kam zur richtigen Zeit. 2018 gewann die Metoo-Debatte über Sexismus und Gewalt weit über die Filmindustrie hinaus an Fahrt, das Thema Gleichstellung rückte in den Fokus. Im Juli 2020 begann dann die Forschungsarbeit am Interreg-Projekt „Fem4Forest“ mit 14 Partnern in zehn Ländern des Donau-Raums. Auf eine Bestandsaufnahme zur Situation im Forst folgten in Bayern Pilot-Aktionen wie Waldbegehungen speziell für Waldbesitzerinnen oder der Kurs „Frauenpower für den Wald“ an der Waldbauernschule Kelheim. „Wir sind in eine Lücke gestoßen“, sagt Kathrin Böhling, die Veranstaltungen seien sehr gut angenommen worden.
Warum aber sind solche Angebote notwendig? Der Forst-Bereich sei traditionell männerdominiert, erklärt die Wissenschaftlerin. Bei Versammlungen seien Frauen oftmals unsicher, hätten Angst, „dumme“ Fragen zu stellen. Das tun Männer mitunter zwar auch. Das Verhalten von Frauen aber sei anders. Mit eigenen, lokalen Veranstaltungen für Waldbesitzerinnen wolle man deshalb mehr Sichtbarkeit schaffen. Eine weitere Barriere ist, dass körperliche Arbeit in der Regel mit Männern verbunden wird. „Hier liegen ja auch Grenzen“, räumt Böhling ein. Sie habe selbst den Motorsägeführerschein und wisse, was es bedeute, einen Baum zu fällen. „Aber die Arbeit im Wald ist ja nicht nur Bäume umsägen.“ Ein Thema ist auch – wie in vielen Branchen – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Frappierend ist, dass sich viele Absolventinnen nach dem Forst-Studium beruflich anders orientieren. „Hier gibt es einen Bruch.“ Der Weg in den gehobenen oder höheren Dienst führt über ein Referendariat beziehungsweise den Anwärterdienst an der Forstschule Lohr. Der Frauenanteil sei hier schon deutlich niedriger, schildert Böhling. Dabei spreche das Forst-Studium gerade viele junge Frauen an, weil sie etwas fürs Klima und den Naturschutz tun wollten. Dass viele dieses Ziel beruflich nicht weiterverfolgen, führt Böhling darauf zurück, „dass es relativ wenige weibliche Vorbilder gibt“. Was die Absolventinnen stattdessen machen, will das Folgeprojekt „Fem2Forest“ mit Befragungen untersuchen.
Wie lief es bei ihr selbst, ist sie ohne Vorbilder ausgekommen? „Ich bin ja Soziologin und keine ausgebildete Försterin“, sagt Kathrin Böhling. Vor ihrem Wechsel an die LWF war sie an der TU München am Lehrstuhl für Wald und Umweltpolitik in Lehre und Forschung tätig. „Davor hatte ich mit Forst nicht viel am Hut.“ Eine ihrer Aufgaben war, Wissen über Politikprozesse zu verankern. Sie sei also ohnehin in einer Außenseiterposition gewesen. Als Wissenschaftlerin gehörte sie als eine von wenigen Frauen mehrere Jahre lang dem Deutschen Forstwirtschaftsrat an.
Gewisse Unterschiede sind in den Ländern der Donauregion vorhanden, bedingt durch die jüngere Geschichte. In den osteuropäischen Ländern gibt es mehr Frauen in Führungspositionen, weil die traditionellen Rollenbilder von Mann und Frau durch die sozialistische Vergangenheit bereits aufgebrochen wurden. Zudem ist der Privatwaldanteil dort deutlich geringer als in Bayern oder Österreich.
Es geht auch darum, Frauen innovative Karrierewege aufzuzeigen
Teil des zweiten Forschungsprojekts „Fem2Forest“ wird sein, Frauen die ganze Bandbreite der beruflichen Möglichkeiten aufzuzeigen. Arbeitgeber wie die Bayerischen Staatsforsten oder die Waldbesitzervereinigungen sollen „angestupst“ werden, die Personalrekrutierungswege teilweise „auf neue Füße zu stellen“. Sonst gehe weiterhin viel Potenzial verloren, und das bei anhaltendem Fachkräftemangel. Beim Aufbau von klimastabilen Wäldern sei viel Personal gefragt. „Auch an der LWF müssen Stellen teils wiederholt ausgeschrieben werden“, schildert die Wissenschaftlerin.
Kathrin Böhling glaubt, dass tatsächlich ein Sprung nach vorn gelingt und die Gleichstellung zu einem strategischen Thema wird. „Wir müssen schauen, dass wir mit dem Projekt den entsprechenden Input liefern.“ Der Hanskarl-Goettling-Preis, den die gleichnamige Stiftung jedes Jahr für besondere Leistungen in der angewandten forstlichen Forschung vergibt, sieht sie als Anerkennung für das Thema und die geleistete Arbeit.
Für ein geplantes Forstfrauentreffen Mitte Oktober in Augsburg haben sich schon über 80 Teilnehmerinnen angemeldet. „Wir setzen ein Exempel“, sagt Kathrin Böhling. „Wir zeigen, dass wir aktiv sind und einen Beitrag zur Fortentwicklung der Forstwirtschaft leisten wollen.“