Süddeutsche Zeitung

Forderung nach strengeren Richtlinien:Landwirte in der Zwickmühle

Die Rahmenbedingungen müssen sich grundlegend ändern, darin sind sich Ökobauern und konventionell arbeitende Kollegen einig. Lebensmittel umweltfreundlich und gleichzeitig billig zu produzieren, funktioniert nicht

Von Katharina Aurich, Freising

Die Rahmenbedingungen für Landwirte, die "zwischen Billigproduktion und Umweltauflagen" Lebensmittel erzeugen, müssten sich grundlegend ändern. Der Spagat, umweltfreundlich und gleichzeitig zu niedrigen Preisen zu produzieren, funktioniere nicht. Darin waren sich rund 200 Bauernverbandsmitglieder, Ökolandwirte, Grünen-Politiker, Wissenschaftler und Verbraucher einig, die der Einladung des Kreisverbands von Bündnis 90/Die Grünen in den Freisinger Gasthof "Grüner Hof" gefolgt waren.

Gefordert sei eine Politik, die Landwirte stärker unterstütze und strengere Richtlinien beispielsweise für die Tierhaltung erlasse. Mit der Schnäppchenjagd am Kühlregal und der Wegwerfmentalität der Verbraucher müsse endlich Schluss sein, darin waren sich offenkundig alle im Saal einig. Vorne am Stehtisch argumentierten Georg Radlmaier, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), sowie Toni Wollschläger, Biobauer und Fraktionssprecher der Grünen im Kreistag. Die Diskussionsleitung hatte Claudia Bosse, ebenfalls Sprecherin der Grünen im Kreistag, übernommen. Statt eines verbalen Schlagabtausches, den man hätte vermuten können, bemühten sich beide Redner um versöhnliche Töne. Auch die Diskussionsteilnehmer blieben sachlich und informativ.

Während man sich einig war, dass es so nicht weiter gehen könne, unterschieden sich die Meinungen bei den Ursachen für die hohe Nitratbelastung im Grundwasser in manchen Gegenden. Radlmaier machte dafür auch Stickoxide aus den Autoabgasen verantwortlich und versicherte, dass die Landwirte nicht mehr als nötig düngten. Für die Grünen liegt dagegen auf der Hand, dass durch die zunehmende Zahl der Tiere in den Betrieben, die mit Futter aus der ganzen Welt gemästet würden, viel zu viele Nährstoffe in der Gülle auf viel zu kleinen Flächen entsorgt würden. Für Radlmaier sind die Nitratwerte im Grundwasser kein Problem, keiner wisse, ob sie vor 50 Jahren nicht sogar höher gewesen seien, sagte er. Der ehemalige BBV-Kreisobmann Georg Schmid ergänzte, dass den Landwirten vor 30 Jahren offiziell empfohlen worden sei, mehr Dünger als heute zu verwenden. Diese Überschüsse kämen erst jetzt, nach Jahrzehnten, im Grundwasser an. Dafür könne man die Bauern nicht verantwortlich machen. Damit die Überdüngung insbesondere in Wasserschutzgebieten gestoppt werde, forderte Wollschläger, dort wo Grundwasser gefördert werde, nur noch Ökolandbau zuzulassen.

Auch in Sachen "gesunder Boden" war man unterschiedlicher Auffassung: Während konventionell arbeitende Landwirte beschrieben, dass die immer schwereren Maschinen die Böden durch eine ausgefeilte Bereifung nicht verdichteten und die Regenwurmanzahl sogar zunehme, sahen das die Grünen ganz anders. Aus immer mehr Böden verschwänden Mikroorganismen und Lebewesen aufgrund von Düngung, Pflanzenschutzmitteln und der Verdichtung durch den Reifendruck großer Maschinen.

Uneins war man sich auch über den Begriff "Billigprodukte". Für Radlmaier ist das Wort ein Angriff auf die konventionellen Landwirte, die grundsätzlich qualitativ hochwertige Lebensmittel erzeugten, wohingegen für Wollschläger klar war, dass man billige Lebensmittel, wie sie von einem Großteil der Verbraucher nachgefragt würden, nur auf Kosten von Umwelt und Qualität produzieren könne. Er verdeutlichte dies an der Massentierhaltung, bei der Landwirte Tiere nicht mehr als Individuen wahrnähmen wie in einem neuen Mastgeflügelstall im Landkreis Pfaffenhofen für 144 000 Hühner. Da der Bauer an jedem Tier nur ein paar Cent verdiene, müsse er so viele Hühner halten, erwiderte Radlmaier. Der grundsätzliche Unterschied sei doch, ob man Fleisch produziere oder Tiere halte, sagte Wollschläger, der mehr Respekt für Lebewesen forderte. In Deutschland sollten wie in der Schweiz Schweine nur noch auf Stroh gehalten und Spaltenböden ganz verboten werden. Natürlich müsse der Verbraucher dann für ein Kotelett mehr bezahlen. Jeder, der für sechs Euro ein Kilogramm Schweinefleisch kaufe, wisse, dass für diesen Preis keine artgerechte Haltung möglich sei, betonte eine Rednerin, der die Zuhörer quer durch alle Reihen applaudierten. Schließlich wurde Ökolandwirt Toni Wollschläger sogar aufgefordert, in den Bauernverband einzutreten. Soweit reichte der Schulterschluss an diesem Abend dann doch nicht.

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Quelle:
SZ vom 21.09.2017
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