Fordernde Aufgabe:Beistand im Klassenzimmer

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Im Landkreis Freising steigt die Zahl der Schulbegleiter. Sie helfen Kindern mit einer Behinderung beim Unterricht in einer Regelschule. Wer keine spezielle pädagogische Ausbildung hat, der verdient jedoch nicht viel

Von Nadja Tausche, Freising

Im Landkreis Freising sind immer mehr Schulbegleiter tätig, aktuell zählt das Jugendamt 50 Fälle. "In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl verdreifacht", sagt Norbert Flötzinger vom Freisinger Jugendamt. Dazu kommen die Fälle vom Bezirk Oberbayern, denn die Zuständigkeit für die Schulbegleiter ist geteilt: Das Jugendamt bezahlt Schulbegleiter für Kinder mit seelischer Behinderung, darunter fällt zum Beispiel Autismus. Der Bezirk Oberbayern finanziert die Begleitung für Kinder mit geistiger oder körperlicher Behinderung. Die Schulbegleiter sind nicht direkt bei den Ämtern angestellt, sondern bei einem der drei Träger im Landkreis.

Miriam M. ist seit sieben Jahren eine dieser Schulbegleiterinnen. Momentan betreut sie ein 16-jähriges Mädchen mit geistiger Behinderung. Miriam M. hilft ihr vor allem bei motorischen Tätigkeiten: Sachen ausschneiden, im Werken zur Seite stehen, außerdem passt sie auf, dass alles Nötige auf dem Tisch liegt. Zwei Tage in der Woche geht die Schulbegleiterin mit dem Mädchen in einen separaten Raum und wiederholt Mathe mit ihr. Dass das eigentlich nicht ihre Aufgabe ist, weiß sie, aber manchmal stört das Mädchen die anderen Kinder. "Es ist leichter, dann einfach in ein anderes Klassenzimmer zu gehen", sagt sie.

Die Aufgabe von Schulbegleitern ist, zu gewährleisten, dass Kinder mit Beeinträchtigung normal am Unterricht teilnehmen können. Die pädagogische Verantwortung liegt aber weiterhin beim Lehrer. Ein Großteil der Schulbegleiter hat deshalb keine pädagogische Ausbildung: Theoretisch brauchen Schulbegleiter die nicht, weil sie als Hilfskräfte gelten. Zu ihren Aufgaben gehört es, den Rollstuhl zu schieben oder mit dem Kind kurz auf den Sportplatz zu gehen, wenn es sich nicht konzentrieren kann. In der Praxis helfen Schulbegleiter aber oft auch beim Schulstoff und kümmern sich um komplexe soziale Angelegenheiten im Klassenzimmer. Wenn die Schulbegleiter als Hilfskräfte eingestuft werden, ist die Bezahlung entsprechend gering, bei solchen mit pädagogischer Ausbildung höher. Bei den Johannitern hätten 60 Prozent der Schulbegleiter keine pädagogische Ausbildung, sagt dazu Philipp Goroll, Sachgebietsleiter Schule bei den Johannitern. Diese Vorgaben machen nicht die Träger, sondern Jugendamt und Bezirk: Sie bestimmen bei jedem Kind einzeln, ob ein Schulbegleiter mit pädagogischer Ausbildung notwendig ist oder nicht.

Um die Schulbegleiter bestmöglich zu begleiten, setze man auf gute Vorbereitung, sagt Philipp Goroll. Die Johanniter bieten jeden Monat eine Fortbildung an, 2019 soll sich die Frequenz noch steigern. "Wir schulen sehr umfassend", erläutert Goroll: Bei den Fortbildungen gehe es unter anderem um die Themen Autismus, ADHS oder um gewaltfreie Kommunikation. Außerdem wähle man die Schulbegleiter in persönlichen Bewerbungsgesprächen aus und lege dabei Wert auf die Persönlichkeit von Kind und Schulbegleiter, so Goroll: "Ist das Kind eher ein Wirbelwind und braucht jemanden, der es beruhigt, oder muss man es eher aus seinem Schneckenhaus rausholen?".

Auch bei den Maltesern sucht man die Schulbegleitung persönlich aus. Generell sei das Konzept Schulbegleitung erfolgreich: "Mit dem richtigen Schulbegleiter tut sich schnell viel, weil oft ein langer Leidensweg vorausgegangen ist", so Lena Fröhlich, Leiterin vom Schulbegleitdienst bei den Maltesern. Der Schulbegleiter könne beim Kontakte knüpfen mit den anderen Kindern helfen oder dem Lehrer mitteilen, wenn das Kind überfordert sei. Die Veränderung würden oft auch die Eltern sehen, so Fröhlich: Plötzlich stünden dann etwa die Hausaufgaben im Hausaufgabenheft.

Seit Bestehen der Behindertenrechtskonvention hat in Deutschland seit 2009 jedes Kind mit einer Behinderung das Recht, auf eine Regelschule zu gehen. Nach der Erfahrung von Miriam M. ist das aber nicht für jedes Kind die richtige Lösung. Das Mädchen, das sie im Moment betreue, sei auf der Mittelschule "total aufgeblüht", sagt sie. Davor habe sie aber zwei Jahre lang einen Jungen betreut, der geistig nicht auf dem Stand seiner acht Jahre gewesen sei.

Er sei "getrimmt" worden, obwohl er auf einer Förderschule vielleicht besser aufgehoben gewesen wäre, so M. Auch bei den Schulbegleitern führt das System teilweise zu Überforderung. Das bekommt Miriam M. in Teammeetings von Kollegen mit: "Viele fühlen sich alleine gelassen", sagt sie. Um das zu verhindern, müsse man sowohl den Schulen als auch den Schulbegleitern den Aufgabenbereich der Schulbegleiter klar vor Augen führen, empfiehlt Lena Fröhlich. Die Aufsichtspflicht zu übernehmen und Lernstoff zu vermitteln, das gehöre in jedem Fall nicht dazu.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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