Flughafenausbau:Münchner sollen über Startbahn abstimmen

Mit einem Bürgerbegehren wollen die Grünen den Bau der umstrittenen dritten Startbahn am Münchner Flughafen verhindern. Oberbürgermeister Christian Ude, selbst ein Befürworter des Projekts, findet die Idee gut - denn sie könnte ihm ein anderes Vorhaben erleichtern.

Peter Fahrenholz, Marco Völklein und Silke Lode

Die Grünen wollen mit Hilfe eines Bürgerbegehrens in München den Bau der umstrittenen dritten Startbahn am Flughafen im Erdinger Moos verhindern. Als Hebel will die Partei das Mitspracherecht der Stadt als Gesellschafterin des Flughafens benutzen. So zielt die Fragestellung darauf ab, Oberbürgermeister Christian Ude zu beauftragen, in der Gesellschafterversammlung gegen einen Baubeschluss für die dritte Startbahn zu stimmen.

Dritte Startbahn am Muenchner Flughafen kostet 1,2 Milliarden Euro

Am 26. Juli hat die Regierung von Oberbayern den Planfeststellungsbeschluss für die geplante dritte Start- und Landebahn am Flughafen München erlassen. Die Gegner des Ausbau bezweifeln deren Notwendigkeit, die FMG hingegen sagt, dass die bestehenden Bahnen bereits heute an ihre Leistungsgrenzen angelangt seien.

(Foto: dapd)

Ude,der den Ausbau befürwortet und ein Ja der bayerischen SPD zur Bedingung für seine Spitzenkandidatur für die Landtagswahl gemacht hatte, zeigte sich geradezu erfreut über den Vorstoß der Grünen. "Das kommt mir sehr gelegen", sagte der Münchner OB zur Süddeutschen Zeitung.

Denn wenn die Befürworter ein Bürgerbegehren in München initiiert hätten, wäre dies von den betroffenen Anwohnern mit Sicherheit als anmaßend empfunden worden, glaubt Ude. Jetzt könne offen über Pro und Kontra einer dritten Startbahn diskutiert werden.

Der Oberbürgermeister versicherte, dass die Stadt das Bürgervotum auf jeden Fall umsetzen werde. "Wenn ein Nein herauskommt, ist das natürlich bindend", sagt Ude. Die Stadt werde dann gegen den Ausbau stimmen. Weil der Beschluss der Gesellschafter einstimmig sein muss, würde dies das Aus für die dritte Startbahn bedeuten.

Ude machte klar, dass für ihn ein Bürgerentscheid auch nach Ablauf der rechtlichen Bindungswirkung "moralisch bindend" bleibe, die Stadt also auch später nicht versuchen würde, die Sache wieder umzudrehen. "Da wird nicht getrickst", sagte Ude.

Ein Volksentscheid, der eine Abstimmung über den Flughafenausbau in ganz Bayern ermöglicht hätte, ist nach Udes Worten rechtlich nicht zulässig. Denn bei einem Volksentscheid müsse über einen Gesetzentwurf abgestimmt werden, eine Weisung zum Abstimmungsverhalten von Gesellschaftern in einer Einzelfrage sei nicht möglich.

Ude rechnet damit, dass die Unterschriften für ein Bürgerbegehren noch in diesem Jahr gesammelt werden und der Bürgerentscheid dann im Frühjahr 2012 stattfinden würde. Den Ausgang hält der Münchner OB für offen. "Das ist eine reine Mobilisierungsfrage" sagte Ude. Er selber werde "mit voller Überzeugung" für eine dritte Startbahn kämpfen.

CSU kündigt eigenes Ratsbegehren an

Es sei in seinen Augen "höchst leichtfertig", darauf zu setzen, dass die Region München in Zukunft keine zusätzlichen Wachstumsimpulse mehr brauche. Ein Bürgerentscheid im Jahr 2012 würde Ude aus einem politischen Dilemma befreien. Denn damit würde der Flughafenstreit weit vor der Landtagswahl 2013 entschieden, was es Ude erleichtern würde, im Falle eines Wahlsieges eine Koalition mit Grünen und Freien Wählern zu bilden.

Die CSU kündigte indes ein Ratsbegehren "Pro dritter Startbahn" an. Falls sich dafür eine Mehrheit im Stadtrat findet, wird auf diesem Weg ebenfalls ein Bürgerentscheid angestoßen. CSU-Fraktionschef Josef Schmid erinnert daran, dass es auch bei den Bürgerbegehren zu Hochhäusern in München oder drei Tunnels am Mittleren Ring je ein Gegenbegehren gegeben hat.

Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sich die SPD diesem Vorhaben anschließen wird. Ude nannte ein eigenes Ratsbegehren "durchaus möglich". Auch die Grünen halten ein Ratsbegehren grundsätzlich für einen sinnvollen Weg. "Allerdings muss die Frage neutral formuliert werden anstatt die Antwort suggestiv vorzugeben, wie die CSU dies offenbar versucht", kritisierte Fraktionschefin Lydia Dietrich.

Grünen-Stadtchefin Katharina Schulze erläuterte bei der Vorstellung des Bürgerbegehrens, dass die Stadt zwar nur einen Anteil von 23 Prozent an der Flughafen München GmbH (FMG) hält. "Aber der Gesellschafter-Beschluss muss einstimmig fallen", sagte Schulze. Bisher gebe es lediglich Absichtserklärungen zu dem 1,2 Milliarden Euro teuren Projekt.

Dieter Janecek, Landeschef der Grünen, betonte, dass möglicherweise schon 2012 Fakten geschaffen werden. "Erst die Bagger anrollen lassen und dann die Bürger befragen - das wäre nicht redlich", meinte Janecek und kündigte an, die Münchner mit Sachargumenten überzeugen zu wollen. "Das ist kein Bürgerbegehren gegen das Fliegen, aber wir müssen Schluss machen mit Wachstum in einem Bereich, der Finanzen und Umwelt schadet." Am 20. Oktober werden die Grünen offiziell bei einer Stadtversammlung über die Einleitung des Begehrens entscheiden.

Anders als beim Ratsbegehren müssen die Grünen etwa 30.000 Unterschriften sammeln, bevor die Bürger zur Abstimmung gebeten werden. Gelingt dies, entscheidet der Stadtrat binnen eines Monats über die Zulässigkeit. Sofern es keine rechtlichen Bedenken gibt, muss der Bürgerentscheid innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden.

Wenn mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten abstimmen, hat das Ergebnis die Wirkung eines Stadtratsbeschlusses und ist für die Stadt ein Jahr bindend. Unterstützt wird der Vorstoß des Grünen-Parteivorstands von Landesvorstand, Landtags- und Stadtratsfraktion; eingebunden ist auch das Bündnis "Aufgemuckt".

Über die dritte Startbahn diskutiert die SZ am heutigen Freitag mit den Protagonisten der Auseinandersetzung. Auf dem Podium sitzen: Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU), Flughafenchef Michael Kerkloh, Freisings Landrat Michael Schwaiger (Freie Wähler), Landtagsabgeordneter Christian Magerl (Grüne) und Aufgemuckt-Sprecher Hartmut Binner. Um 19.30 Uhr im Hörsaal 14 des Wissenschaftszentrums Weihenstephan in Freising. SZ-Redakteur Kassian Stroh twittert live von der Veranstaltung. Verfolgen Sie seine Einträge im Kasten in der rechten Spalte.

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