Für einen Tag hat sich das moderne, nüchterne Foyer im Lab 48 in eine große Spielwiese verwandelt. Mit einer Bank, die Töne von sich gibt, Kugeln, die surrend durch eine Plastiktrommel kreisen oder Wärmflaschen, mit denen sich Papierraketen in den Raum schießen lassen. Am Lab-Campus des Münchner Flughafens wird in den kommenden Monaten Bayerns größtes Science Center entstehen, die Eröffnung ist für Ende 2025 geplant. Bei einem Fundraising-Event mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft warben die beiden Initiatoren um finanzielle Unterstützung für das ambitionierte Projekt – und gaben schon mal Einblicke, was die Besucherinnen und Besucher dort künftig erwartet.
Die beiden Freisinger Annika Strömmer und Kim Ludwig-Petsch brennen für die Idee. Kennengelernt haben sie sich vor gut einem Jahr über die Mint-Region Freising, eines der über ganz Deutschland verteilten regionalen Netzwerke, die Kindern und Jugendlichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik spielerisch näher bringen wollen. Doch die beiden wollen mehr. Vor einem halben Jahr gründeten sie Curiocity, eine gemeinnützige GmbH, mit dem Ziel, ein Science Center ins Leben zu rufen, das alle Altersgruppen ansprechen soll.
Freising mit seinen Hochschulen ist dafür offenkundig ein gutes Pflaster. Die TU München hatte vor Kurzem ihre Pläne vorgestellt, am Lab-Campus auf einer Fläche von etwa 20 400 Quadratmetern das „TUM Convergence Center“ einzurichten, in dem Studierende, Forschende, Gründungsteams sowie Bürger und Bürgerinnen an innovativen Projekten arbeiten. Curiocity bekommt im Erdgeschoss 1400 Quadratmeter zur Verfügung gestellt, mittelfristig soll das Science Center aber deutlich größer werden. Auch die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) unterstützt das Vorhaben für zwei Jahre mit einer halben Koordinationsstelle.
Geplant sind im Lab 48 ein Werkstattbereich, in dem Besucher Ideen weiterentwickeln können. Auch Ausstellungen sind möglich. Kern wird aber eine Fläche mit etwa 60 Experimentierstationen zu den Themen Physik, Mechanik, Robotik, Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und Biodiversität sein, wie Annika Strömmer erklärt. Die beiden Gründer wollen diese Fachgebiete „erlebbar und erfahrbar“ machen – und andere dafür begeistern, sich damit ohne Scheu auseinanderzusetzen. „Wir wollen einen anderen Zugang zu den Naturwissenschaften bieten“, sagt Ludwig-Petsch.
Annika Strömmer, 38, hat Maschinenbau studiert und hat in der Automobil- und Luftfahrtbranche gearbeitet. Kim Ludwig-Petsch, 39, ist ausgebildeter Physiklehrer, war im Deutschen Museum tätig und organisiert seit mehreren Jahren Science-Shows. Die Idee, ein Science Center zu eröffnen, trage er schon 20 Jahre mit sich herum, erzählt er. Damals hatte er eine solche Einrichtung in San Francisco kennengelernt.
Nun also können die beiden Curiocity-Geschäftsführer ihren Traum verwirklichen – und sie planen groß. Das Ziel seien 68 000 Besucherinnen und Besucher, sagen sie. Nur etwa zehn Prozent davon werden Schulklassen sein. Nachmittags und an den Wochenenden sollen Familien, aber auch andere Interessierte angesprochen werden.
Mittelfristig soll das Science Center noch deutlich größer werden. Die eigentliche Vision seien weitere 2500 Quadratmeter, sagt Ludwig-Petsch. Vielleicht könne das Curiocity Science Center später auf den Campus in Weihenstephan umziehen. Denn es soll das erste große Experimentierfeld dieser Art in Bayern werden. Anders als in einigen anderen Bundesländern gibt es hier bisher nur zwei kleine Science Center mit einer Fläche unter 1200 Quadratmeter, eines in Sankt Englmar im Bayerischen Wald, ein weiteres in Nürnberg. Das Lab 48 ist das erste bezugsfertige Gebäude des Lab-Campus am Flughafen, es wurde gemeinsam mit dem Lab 52 im vergangenen Jahr eingeweiht.
Ein Großteil der jährlichen Kosten, etwa 80 Prozent, sollen gemäß Businessplan über die Einnahmen finanziert werden. Weitere 130 000 Euro wollen die Gründer durch Firmenspenden, aus Stiftungen und durch Zuschüsse der öffentlichen Hand einwerben. Auch für den Aufbau des Centers benötigen sie Unterstützung. Sie wissen, dass die Zeiten dafür schon einmal besser waren. Kommunen und Landkreise müssen sparen, die wirtschaftliche Lage zahlreicher Unternehmen ist angespannt.
Dennoch hofft Annika Strömmer, dass sich genügend Sponsoren finden. Denn der Fachkräftemangel belastet nach wie vor viele Firmen. Und wer Spaß daran hat, naturwissenschaftlichen Phänomenen auf den Grund zu gehen, entscheidet sich später vielleicht für eine entsprechende Ausbildung. Auch ein positives Image werde im Kampf um die besten Arbeitskräfte immer wichtiger. „Man kann zuschauen oder man tut etwas“, sagt Strömmer. An den Schulen passiere hier zu wenig. Zudem will das Curiocity-Team einen Förderkreis initiieren.
„Es ist toll, wo wir jetzt stehen“, bilanziert Kim Ludwig-Petsch, obwohl noch wahnsinnig viel Arbeit vor ihnen liege. Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann konnte ebenso als Schirmherr des Curiocity Science Center gewonnen werden wie Physik-Nobelpreisträger Ferenc Krausz. Anders als ein Museum habe ein solches Zentrum mehr Freiheiten. Man könne dort im „doppelten Sinne begreifen“. Je mehr Geld sie für den Aufbau erhalten, „desto cooler wird es“.