Flüchtlingsunterkünfte:Mit Drogen der Trostlosigkeit entfliehen

Registrierung von Flüchtlingen

Der Frust über die fehlende Perspektive belastet viele Geflüchtete. Die Gefahr, sich mit Alkohol und Drogen abzulenken, ist darum groß.

(Foto: dpa)

Für Flüchtlinge besteht ein erhöhtes Risiko, süchtig zu werden. Viele von ihnen sind traumatisiert und leiden unter der schwierigen Situation in den Flüchtlingsunterkünften.

Von Nadja Tausche, Landkreis

Ausweg Drogen: Geflüchtete leiden unter einem erhöhten Risiko, in eine Drogensucht abzurutschen. Das liegt an verschiedenen Faktoren: "Die Menschen haben oft Albträume, haben schwerste Belastungen hinter sich", berichtet Bärbel Würdinger, Leiterin der Freisinger Geschäftsstelle des Vereins Prop zur Suchtberatung und -behandlung. Hinzu komme die Wohnsituation. Gerade in Flüchtlingsunterkünften fänden die Menschen oft keine Ruhe, es sei laut, gebe mal Streit: "Die Leute brauchen irgendein Mittel, um abzuschalten", so Würdinger. Wohl am schlimmsten ist in vielen Fällen der Frust über die fehlende Perspektive.

Die Lage habe sich für viele Geflüchtete vor allem im vergangenen Jahr geändert, sagt Andreas Bochinski, er arbeitet für die Caritas in der Flüchtlings- und Migrationsberatung. Wenn Asylverfahren beendet sind und negativ ausfallen, werde den Menschen die Arbeitserlaubnis entzogen. Er spüre deutlich die Auswirkungen auf die Menschen: "Man kann richtig zuschauen, wie ihre Persönlichkeit zerbröselt wird", so Bochinskis Eindruck. Manche Betroffenen gehen ihm zufolge nach innen, werden depressiv, andere neigen zu Schlägereien oder eben zu Alkohol und Drogen. Für psychische oder seelische Erkrankungen hat die Caritas spezielle Angebote, für Sucht nicht. Er weise in den Beratungsgesprächen darauf hin, dass sich Menschen mit Suchtproblemen jederzeit an ihn wenden können, sagt der Sozialarbeiter. Auf ihn sei bisher aber niemand mit Drogenproblemen zugekommen.

Obwohl ein erhöhtes Risiko für eine Sucht besteht, sprechen Flüchtlingshelfer im Landkreis nicht von einem flächendeckenden Problem. Allerdings laufe hier wohl viel im Geheimen ab, mutmaßt Bochinski. Auch die Lebensumstände spielen eine Rolle. Elisabeth Stroh, Sprecherin des Arbeitskreises Asyl Freising, betreut Familien, mit Drogen gebe es keine Probleme, sagt sie. Ähnlich ist es bei dem Moosburger Flüchtlingshelfer Reinhard Kastorff. Die Menschen, um die er sich kümmert, leben meist in Privatwohnungen, erzählt er, haben Arbeit und seien "motiviert, nicht frustriert". Wenn Menschen in Unterkünften zu Drogen greifen, könne er das aber nachvollziehen: "Es ist ein trostloser, aussichtsloser Wartezustand", so Kastorff. Eine große Rolle spiele dabei auch Alkohol.

Bei der Behandlung ist es vor allem mit der Sprache schwierig

Benötigen Geflüchtete eine Behandlung, ist das deutlich schwieriger als bei anderen Betroffenen. Das größte Problem sei die Sprache, berichtet Würdinger von Prop. In einigen Fällen habe man mit Flüchtlingshelfern zusammengearbeitet, so erzählt sie, die hätten dann die Rolle des Dolmetschers eingenommen. Das sei aber nicht immer möglich: "Mit einem Betroffenen habe ich mal in Zeichensprache kommuniziert", sie habe ihm klargemacht, dass er erst einmal ins Krankenhaus gehen müsse. Dazu kommt in der Beratung ihr zufolge eine andere Schwierigkeit, nämlich das Verständnis der Rolle der Frau. Manche ließen sich von Frauen ungern etwas sagen, schildert Würdinger.

Ihr Vorgehen bei der Suchtberatung von Geflüchteten: "Wir raten den Menschen, die Lebenssituation zu entschärfen": Also wenn möglich in eine andere Unterkunft zu wechseln und sich fernzuhalten "von Menschen, die einem nicht gut tun". Möglich sei das allerdings selten. "Die Betroffenen leben oft unter Lebensbedingungen, die gerade schwer veränderbar sind."

"Wir erreichen diese Zielgruppe nicht", heißt es von der Beratungsstelle

Zahlenmäßig nimmt die Beratung von Geflüchteten bei Prop in Freising keinen allzu großen Raum ein. Im Jahr 2018 hat ihr Team laut Würdinger 863 Menschen beraten, davon hatten zehn einen Fluchthintergrund. Das Problem ist ihr zufolge allerdings, dass viele gar nicht erst zu ihnen kommen. "Wir erreichen diese Zielgruppe nicht", sagt die Sozialpädagogin, man müsste eigentlich in die Unterkünfte gehen und vor Ort beraten. Dafür fehle aber Zeit und Personal.

Um Drogenkonsum und -sucht zu kontrollieren, statten Mitarbeiter des Landratsamts den Flüchtlingsunterkünften regelmäßig Besuche ab. Werden dabei illegale Drogen gefunden, informiere man die zuständige Polizeiinspektion, berichtet Pressesprecher Robert Stangl. Die Aufgabe des Landratsamts bestehe darin, die Betroffenen an Suchtberatungsstellen und Ärzte zu vermitteln - "sofern Bereitschaft besteht". Brauche ein Geflüchteter eine Suchtbehandlung, bezahle das die Krankenkasse beziehungsweise der Rentenversicherungsträger, wenn eine Bleibeberechtigung vorliegt - wenn nicht, sei die Kostenübernahme mit der Regierung von Oberbayern abzuklären, so Stangl. Gründe für das Entstehen einer Sucht gebe es viele: Schwierige Lebensumstände wie die Wohnsituation gehörten dazu, der einzige Grund sei das aber keineswegs. "Viele bekannt gewordenen Suchtkarrieren haben bereits vor der Einreise nach Deutschland begonnen", so Stangl.

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