Flüchtlinge:Hauruck-Aktion irritiert Gemeinde

Münchner Jugendamt mietet ein zum Hotel umfunktioniertes Bürogebäude in Hallbergmoos an, um dort minderjährige Flüchtlinge unterzubringen - im Rathaus weiß man zunächst nichts davon

Von Alexandra Vettori, Hallbergmoos

Weil die Aufnahmestellen für minderjährige Flüchtlinge ohne Eltern völlig überfüllt sind, hat das Münchner Jugendamt kurzfristig 66 männliche Jugendliche in einem zum Hotel umgebauten Bürobau in Hallbergmoos untergebracht. Vorabinformationen gab es keine, auch nicht für das Rathaus. "Das war ein bisschen unglücklich", sagt Bürgermeister Harald Reents (CSU), schließlich gingen im Rathaus die Fragen der Bürger ein. Inzwischen hat ein Runder Tisch stattgefunden, mit allen beteiligten Behörden, Vertretern der Schulen und des Jugendwerks Birkeneck, wo bereits eine Auffangstelle für minderjährige Flüchtlinge besteht. Bei der nächsten Gemeinderatssitzung am 21. Oktober (Beginn 19 Uhr) gibt es einen ausführlichen Bericht zum Thema.

Dass auch das Freisinger Landratsamt, das sonst die Asylbewerber auf die Gemeinden verteilt, nicht beteiligt war, liegt daran, dass es sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge handelt. Greift die Polizei Jugendliche ohne Eltern auf, ist das jeweilige Jugendamt für sie zuständig. Befürchtungen von Hallbergmooser Bürgern, die jungen Flüchtlinge könnten mit Krankheiten infiziert sein, hat das Münchner Jugendamt inzwischen ausgeräumt. Die Jugendlichen aus Syrien, Afghanistan, Irak und Nigeria seien vorher untersucht worden. Mit Fremdenfeindlichkeit habe die kritische Haltung der Gemeinde jedenfalls nichts zu tun, betonte Bürgermeister Reents. In Hallbergmoos lebten Menschen aus 84 Nationen, da empfange man auch Flüchtlinge ohne Vorbehalt. 31 Asylbewerber sind im Ort untergebracht, das laufe völlig problemlos, betonte Reetz, Zwei arbeiteten sogar als Ein-Euro-Jobber im Bauhof der Gemeinde. Die örtliche Nachbarschaftshilfe hält Deutschkurse und verteilt Spenden. Es sei lediglich die Hauruck-Aktion, die im Rathaus und bei den Bürgern nicht so gut angekommen sei, sagte Reents. So musste auf die Schnelle die Betriebsgenehmigung für das zum Hotel umgebaute Bürogebäude ausgesprochen werden, obwohl die Brandschutzauflagen noch nicht gewährleistet sind. Jetzt achtet ein Sicherheitsdienst rund um die Uhr darauf, dass die oberen Stockwerke nicht betreten werden und niemand zündelt, bis nächste Woche eine Fluchttreppe angebracht wird. Dann sollen weitere 44 junge Flüchtlinge in dem Gebäude Am Söldnermoos untergebracht werden. Auf die Frage, ob ein Runder Tisch nicht vor dem Einzug angebracht gewesen wäre, kann Frank Boos, Pressesprecher im Münchner Sozialreferat, nur müde lächeln. Er mochte seine Antwort nicht gedruckt sehen, aber so viel war danach klar: In den beiden Häusern auf dem Gelände der Münchner Bayernkaserne sind teils traumatisierte Jugendliche auf engstem Raum zusammen gepfercht, sodass nicht nur wegen des Brandschutzes, sondern vor allem aus humanitären Gründen dringend Abhilfe geschaffen werden musste. Weil in München keine Unterbringungsmöglichkeiten zu finden sind, hat die Landeshauptstadt neben Hallbergmoos auch in Ebersberg ein Objekt angemietet. Dass es mit Hallbergmoos so schnell gehen musste, erklärte Boos so: "Das war eine Notverwaltung, da war keine Zeit für Kommunikation." In Zukunft aber wollen sich alle Beteiligten besser abstimmen, hat man am Runden Tisch vereinbart.

Flüchtlinge: 66 junge Flüchtlinge leben in einem Hotel in Hallbergmoos - sie sind ohne Eltern nach Deutschland gekommen.

66 junge Flüchtlinge leben in einem Hotel in Hallbergmoos - sie sind ohne Eltern nach Deutschland gekommen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Gemeinde bot derweil an, den jungen Flüchtlingen vormittags Hallen im Sportpark zur Verfügung zu stellen und will Interessierte suchen, die ihnen Deutschunterricht erteilen, die Mittelschule ruft zu Kleiderspenden unter den Schülern auf. Das größte Problem der jungen Flüchtlinge dürfte vorerst die Langeweile sein. Weil die Bearbeitung ihrer Asylanträge inzwischen bis zu einem halben Jahr dauert, steht so lange nicht fest, wo sie letztlich untergebracht werden. Und so lange gibt es keine Schule für sie.

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