Flexible Grundschule:Das Tempo rausnehmen

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In Hohenkammer gibt es von September an die erste flexible Grundschule im Landkreis Freising. Erst- und Zweitklässler haben dort bis zu drei Jahre Zeit für den Stoff der beiden ersten Jahre

Von Alexandra Vettori, Hohenkammer

Die Grundschule in Hohenkammer wird im September die erste flexible Grundschule im Landkreis Freising sein, eine von gut 200 in Bayern. Flexible Grundschule, das ist ein relativ neues Projekt des Bayerischen Kultusministeriums, das nach einer mehrjährigen Projektphase nun umgesetzt werden kann. Die Idee: Erst- und Zweitklässler sollen bis zu drei Jahre Zeit für den Schulstoff der beiden ersten Jahre haben. Umgekehrt können sie diese aber auch in nur einem Jahr absolvieren. Damit trägt man der Tatsache Rechnung, dass Grundschulkinder mit ganz unterschiedlichem Lernstand und Vorerfahrungen eingeschult werden.

Eltern, die hoffen, auch an den übrigen Landkreis-Grundschulen bald flexible Eingangsklassen zu haben, werden allerdings enttäuscht. Wie Irmintraud Wienerl, die Leiterin des Freisinger Schulamts erklärte, seien derzeit keine weiteren flexiblen Klassen im Landkreis geplant. Dafür werden die altersgemischten Klassen an den zwei Schulstandorten Hohenkammer und Attaching weiter geführt. Aus den jetzigen gemischten ersten und zweiten Klassen werden im kommenden Schuljahr je eine altersgemischte dritte und vierte Klasse, dazu wird es je zwei neue altersgemischte Eingangsklassen geben. Mehr, so Wienerl, gehe nicht, "das kann man nicht alles ad hoc machen."

Elke Fannasch, die Rektorin in Hohenkammer, steht voll hinter dem jahrgangsgemischten Konzept. "Wir versuchen die Kinder da abzuholen, wo sie stehen", erklärt sie das scheinbar so einfach Prinzip. Sie hat sich um die Einrichtung der flexiblen Klasse beworben, nachdem ihre Schule schon eine Grundvoraussetzung erfüllt: Seit Anfang dieses Schuljahres gibt es hier eine jahrgangsgemischte erste und zweite Klasse. Auch dort zeigt sich, wie unterschiedlich die Ausgangssituationen der Schüler sind. "Die einen können schon lesen, schreiben und bis 20 rechnen, die anderen können noch nicht einmal ihren Namen schreiben", so Fannasch.

Das Rezept, damit umzugehen, hat sie mit der zuständigen Klasslehrerin Patricia Christoph und den 18 Kindern in der altersgemischten Klasse erprobt. Jeder Schüler hat einen eigenen Lernplan, selbstverständlich abgestimmt auf den allgemeinen Lehrplan. Die Lehrerin beobachtet die Kinder und passt den Lernplan gegebenenfalls an. Themen werden jahrgangsübergreifend erarbeitet und dann von den Schülern geübt und vertieft, dazu gibt es auch gemeinsame und klassenstufenspezifische Übungsphasen.

Die Frage, ob es nicht sehr aufwendig und kompliziert sei, bejaht sie, "aber die Mühe lohnt sich. Ich arbeite schon immer mit Wochenplänen, das ist einfach eine Frage der Organisation." Freilich, fügt sie an, "erfordert das schon auch Engagement und Herzblut, aber das bringt die Kollegin zum Glück mit." Mit Bedenken von Eltern rechnet die Schulleiterin bei der flexiblen Klasse nicht. "Die sind schon mit der jahrgangsgemischten Sache, die jetzt ein Jahr erfolgreich läuft, ausgeräumt worden", sagt sie. Am Anfang habe es schon vereinzelt Ängste gegeben, dass die Kinder zu wenig lernen oder irgendwann den Übertritt ins Gymnasium nicht schaffen. "Aber am Ende hatten wir mehr Bewerbungen für die jahrgangsgemischte Klasse, als wir unterbringen konnten", so Fannasch.

Für sie habe die flexible Grundschule echten Charme, sagt die Pädagogin, sie sei eine große Herausforderung, aber auch eine Chance, um den individuellen Bedürfnissen der Kinder besser gerecht zu werden und sie bestmöglich zu fördern. Dass die Kinder heutzutage mehr Schulprobleme haben und deshalb auf solche Konzepte angewiesen sind, glaubt sie nicht: "Das war schon immer so, nur hat man früher darauf keine Rücksicht genommen."

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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