Fasching 2019:Verblasste Herrlichkeit

Fasching 2019: Erinnerung an den Katastrophenball in der Luitpoldhalle 2006: Angela (links), Peter, Denise und Tom reisten quasi aus Schlumpfhausen an.

Erinnerung an den Katastrophenball in der Luitpoldhalle 2006: Angela (links), Peter, Denise und Tom reisten quasi aus Schlumpfhausen an.

(Foto: Marco Einfeldt)

Ob Jahnball, Ball der Landespfleger, Katastrophenball oder "Rote Nacht": In Freising haben die Narren einst schon gewusst, wie man feiert. Übrig sind davon nur noch Legenden, der Fasching siecht dahin.

Von Peter Becker, Freising

Dabei sein war alles! Wer früher keine Karten für die berühmten Jahnbälle bekommen hatte, der musste sich was einfallen lassen. Über ein Fenster, das Freunde geöffnet hatten, ins Innere klettern oder schlicht hoffen, dass einem der Türsteher freundlich gesonnen war und einen einließ. Das ist heute unvorstellbar. In Freising siecht der Fasching dahin. Studiert man den Veranstaltungskalender der Stadt, stößt man nur auf wenige Veranstaltungen, die etwas mit närrischem Treiben oder gar mit Maskenbällen zu tun haben. Statt der Narrhalla haben die Faschingsmuffel das Regiment übernommen. Die Freisinger SZ hat sich auf Spurensuche begeben, was aus den einst beliebten Bällen geworden ist und wo sich Narren heute maskiert tummeln können.

Eine Nachfrage bei Christl Steinhart, Pressesprecherin der Stadt, fördert wenig zutage. Da gibt es am 2. Februar den Galaball der Tanzschule TWS Move, aber das ist ein Schwarz-Weiß-Ball. Höhepunkt der städtischen Faschingssaison ist das "Bunte Faschingstreiben auf dem Marienplatz". Wer will, kann sich maskieren, ansonsten trinkt man Alkoholisches und bewegt sich zu Ballermann-Musik.

"Mit Sang, Klang und Tanz in den Fasching" heißt eine Veranstaltung, welche die Agenda-Projektgruppe Seniorinnen und Senioren am 3. Februar für ältere Freisinger anbietet. Sprecher Helmut Hoof sagt, dass diese Veranstaltung gut besucht sei. "Wer will kann sich maskieren. Aber da herrscht kein Zwang." Vielleicht haben die älteren Leute deshalb so viel Spaß an der Veranstaltung, weil sie sich an frühere Zeiten erinnern, in dem es zum guten Ton jeder Gaststätte gehörte, einen Hausball zu veranstalten.

Die Zeiten sind vorbei. Die Funktion der "tollen Tage", wie sie im Rheinland üblich sind, scheint in Freising das Volksfest übernommen zu haben. Da schmeißen sich die Leute in Tracht und tanzen die Nächte im Weinzelt durch. Schon Mitte der Neunzigjahre klagten Wirtesprecher über rückläufige Umsätze im Faschingsbetrieb. Sie machten für das schrumpfende Interesse aus, dass eigentlich das ganze Jahr über gefeiert werde. Damalige Umfragen schienen Mitte der 2000er Jahre den Trend zu bestätigen. Es werde das ganze Jahr über gefeiert, da brauche man keine Verkleidung dazu, hieß es.

Die Showband Dolce Vita spielte in ihren Anfängen in den Achtzigerjahren bei den Bällen im Neustifter Pfarrheim auf. Die gebe es seit mindestens 15 Jahre nicht mehr, sagt eine Pfarrsekretärin auf Nachfrage. Das Interesse sei zu gering gewesen. Ähnliches berichtet ihre Kollegin aus dem Pfarramt Sankt Korbinian. Der "Schorschiball", einst ein Fixpunkt im Faschingskalender, sei seit mindestens zehn Jahren passé. Vorbei auch die Zeit, als sich die Freisinger Jugend bei den Mensabällen auf dem Campus unter die Studenten mischte. "Die Bälle sind dem Brandschutz zum Opfer gefallen", sagt Fakultätssprecherin Astrid Lux-Endrich am Wissenschaftszentrum Weihenstephan. Legendär sei der Ball der Landespfleger gewesen, erinnert sie sich.

"Riesengaudi bei den Rettern", hieß es 1997 in der Freisinger SZ. Die drei Hilfsorganisationen Rotes Kreuz, Feuerwehr und Technisches Hilfswerk hatten ihren so genannten Katastrophenball veranstaltet. Der damalige Freisinger Oberbürgermeister Dieter Thalhammer war sogar dabei gesichtet worden, wie er sich zum Schlager "Maccarena" auf dem Tanzparkett bewegte. Ein letztes Mal fand der Katastrophenball 2009 statt.

Kultstatus hatte in den Achtzigern die "Rote Nacht", der Jungsozialisten. Livemusik und fantasievolle Masken waren das Markenzeichen. Ein Revival fand 2002 statt. Nur etwa 30 Besucher fanden sich damals laut SZ-Berichterstattung ein. Mangelndes Interesses machte ebenso der "Grünen Nacht", dem Pendant zur "Roten Nacht", den Garaus.

Und was seinerzeit niemand geglaubt hätte: selbst der Jahnball war zum Jahrtausendwechsel längst Vergangenheit. 1997 wurde er zuletzt abgesagt. Mangelndes Interesse war ein Grund. Außerdem bliebe die Arbeit stets an denselben hängen, hieß es. Strengere Brandschutzauflagen dürften in der Gegenwart ein Revival der Jahnbälle verhindern. Der einzige Verein, der in der Stadt noch einen Maskenball anbietet, ist der BC Attaching. "Den veranstaltet die Fußball-Abteilung am Rosenmontag", sagt Vorsitzender Albert Ziegltrum. Zugpferd ist die Band Dolce Vita.

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