Umweltschutz:20 000 Reifen im Keller

Umweltschutz: Ein alter Bierkeller voller Fahrradreifen: Ingo Ruhland nutzte den Raum unter seinem Laden zwei Jahrzehnte lang als Depot - bis eine Wiederverwertung möglich wurde.

Ein alter Bierkeller voller Fahrradreifen: Ingo Ruhland nutzte den Raum unter seinem Laden zwei Jahrzehnte lang als Depot - bis eine Wiederverwertung möglich wurde.

(Foto: Niels Flemm/oh)

Der Freisinger Fahrradhändler Ingo Ruhland sammelt die ausrangierten Teile mehr als 20 Jahre lang. Nun gibt es endlich ein Recyclingverfahren und das Lager ist in einem Kraftakt geräumt worden.

Von Petra Schnirch, Freising

Es war ein beachtlicher Berg, der sich im Laufe der Jahre im Keller bei "Radl Ruhland" angesammelt hatte. Etwa 20 000 Fahrradreifen stapelten sich dort zuletzt - wie viele es genau waren, lässt sich erst sagen, wenn sie gewogen worden sind. Einfach verbrennen lassen wollte sie Ingo Ruhland nicht, Platz hatte er mehr als genug. Also wartete er ab, mehr als 20 Jahre lang, bis eine nachhaltige Lösung gefunden war. Vor wenigen Tagen wurden die Reifen aus dem Lager geholt, denn seit kurzem können sie recycelt werden. "Der Haufen war schon beeindruckend", sagt der Freisinger Fahrradhändler.

Zu seinem Geschäft an der Vöttinger Straße gehöre ein feuchter, historischer Bierkeller, erzählt Ruhland. Für andere Zwecke habe er ihn nicht nutzen können. Da immer mehr ausgemusterte Reifen anfielen, machte er sich bereits in den Neunzigerjahren Gedanken, was mit ihnen geschehen sollte. "Schlauch-Recycling gibt es schon viele Jahre", sagt Ruhland, bei Altreifen aber war dies lange nicht möglich.

Bisher sind Altreifen verbrannt worden

Alte Schläuche würden nach Indonesien verschifft und dort neu aufbereitet. Der ökologische Fußabdruck sei trotz des Transportwegs geringer, als wenn dafür neuer Kautschuk gewonnen werden müsste. "Ich dachte, das wird auch für Reifen einmal klappen", schildert Ruhland. Das hat zwar etwas gedauert. Bei der "Eurobike 2022" in Frankfurt stellte die Firma Schwalbe im Juli dann aber ihr neues Recycling-System vor.

Umweltschutz: Etwa 20.000 Reifen ließ Reifenhersteller Schwalbe in Freising abholen, um sie zu recyceln.

Etwa 20.000 Reifen ließ Reifenhersteller Schwalbe in Freising abholen, um sie zu recyceln.

(Foto: Niels Flemm/oh)

Bisher wurden gebrauchte Reifen verbrannt, die Rohstoffe waren verloren, außerdem fiel dabei klimaschädliches CO₂ an. Gemeinsam mit Pyrum Innovations und der Technischen Hochschule Köln entwickelte Schwalbe ein Recyclingverfahren, bei dem nach eigener Aussage 80 Prozent CO₂ -Emissionen eingespart werden. Der Fahrradreifen-Hersteller beschreibt den Prozess wie folgt: Die Altreifen werden zu Stahl, Gewebe und Gummigranulat zerkleinert. Letzteres kommt in den Pyrolyse-Backofen und wird bei 700 Grad unter Sauerstoffausschluss in Öl, Gas und Pyrolysekoks umgewandelt. Das Prozessgas versorgt die komplette Anlage mit Strom, das Pyrolyseöl dient in der chemischen Industrie als Ersatzstoff für Rohöl, das Pyrolysekoks wiederum wird in neue Reifen-Produkte zurückgeführt.

Das Ausräumen war ein Kraftakt

Das Ausräumen des Kellers beschreibt Ingo Ruhland als "echte Sklavenarbeit". Nach zwei Jahrzehnten sei dieser Aufwand für einen Tag aber "okay". Künftig wird der Berg ohnehin nicht mehr so groß sein. Die Firma Schwalbe wird ihre Container, in denen je 200 Reifen Platz haben, regelmäßig abholen. Was er jetzt mit dem leer geräumten Bierkeller anfangen will? "Party", sagt Ruhland spontan und lacht.

Etwa 1300 Händlerinnen und Händler nutzen das neue Angebot laut Schwalbe nach wenigen Monaten bereits. "Da ist noch Luft nach oben", sagt Ruhland, bei geschätzt 7000 bis 8000 Radl-Geschäften in Deutschland.

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