Süddeutsche Zeitung

Evakuierung im Katastrophenfall:Immer wieder üben

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Wenn es in einem Krankenhaus oder Seniorenheim brennt, ist entscheidend, wie gut das Personal auf den Katastrophenfall vorbereitet ist. Trainiert wird dieser im Landkreis Freising in regelmäßigen Planspielen

Von Katharina Aurich, Freising

Wenn es brennt oder eine Bombendrohung eingeht, muss stets schnell und nahtlos nach Einsatzplänen gehandelt werden. In Krankenhäusern, Seniorenheimen oder Einrichtungen für behinderte Menschen sind die Bedingungen für eine reibungslose Rettung und Evakuierung dabei viel schwieriger als in anderen öffentlichen Gebäuden. Gehhilfen und Rollatoren werden zu Stolperfallen, Rollstühle blockieren Gänge, Patienten reagieren unkontrolliert emotional, unsicher, überfordert oder verwirrt, klammern sich an Pflegepersonen oder sind gar nicht in der Lage, zu fliehen. Deshalb ist ein guter, vorbeugender technischer Brandschutz in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wichtig. Viel entscheidender ist es jedoch, den Katastrophenfall immer wieder zu üben.

Diesen Appell hat der Bezirksfeuerwehrarzt und Leiter der Anästhesie in der Unfallklinik Murnau, Martin Dotzer, während der Herbstdienstversammlung der Kreis- und Stadtbrandräte im Regierungsbezirk Oberbayern, die kürzlich in Freising stattfand, an die Teilnehmer gerichtet. Denn Brände in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen seien keine Ausnahmen, in Deutschland brenne es - statistisch gesehen - alle 14 Tage in einem Krankenhaus und alle sieben Tage in einem Pflegeheim, schilderte der Arzt.

In deutschlandweit 12 000 Einrichtungen der Alten- und Behindertenpflege lebten im Jahr 2011 875 000 Menschen, es gab 29 Brände mit 28 Toten und 149 Verletzten. Es gebe leider viele verrückte Menschen, nicht nur unter den Patienten, sondern auch unter dem Personal, sagte der Bezirksfeuerwehrarzt. Denn die beiden Hauptursachen der Brände waren Brandstiftung (rund 40 Prozent) und technische Defekte (ebenfalls rund 40 Prozent).

Dotzer mahnt alle Krankenhäuser, regelmäßig mit der Feuerwehr den Notfall zu üben, damit sich die Feuerwehrleute in den Gebäuden gut auskennen und das Personal genau wisse, was jeder zu tun habe. Prävention sei natürlich das beste Mittel gegen Verletzte und Tote. Doch ein Rauchmelder und akustische Alarmsignale alleine nützten wenig, entscheidend sei, wie gut die Evakuierung und der Schutz der Patienten funktioniere. Gesetzlich sei jedes Krankenhaus verpflichtet, alle zehn Jahre eine umfassende Übung mit der Feuerwehr zu absolvieren.

Im Krankenhaus Freising stehe im nächsten Jahr wieder so eine große Übung an, berichtet Christian Fiedler, leitender Notarzt des Landkreises und Leiter der Notaufnahme im Klinikum. Dann übernähmen Schauspieler die Rolle der Patienten. Bei einem echten Katastrophenfall sei das Ziel, dass die Patienten möglichst bleiben könnten und nicht evakuiert werden müssten, schildert Fiedler. Die Evakuierung eines Krankenhauses sei die wirklich allerletzte Maßnahme, die Entscheidung dafür treffe die Katastrophenschutzbehörde, das Landrastamt Freising.

Neben den großen Übungen alle zehn Jahre trainierten die Verantwortlichen jedes Jahr in einem Planspiel eine Evakuierung, zum Beispiel zu dem Szenario: "Das Marriott-Hotel brennt", schreibt der Arzt. Im theoretischen Notfall werde überprüft, ob alle Telefonnummern stimmen, die Ansprechpartner auch tatsächlich noch auf ihren Stellen sind und wer für was zuständig ist. Bei jedem dieser Planspiele klemme es an irgendeiner Stelle, so Fiedlers Erfahrung, aber genau dafür mache man die Übung, damit es im Ernstfall gut funktioniert.

Im AWO-Seniorenpark in Moosburg wird der Ernstfall regelmäßig durchgespielt, einmal im Jahr müssen sich alle Mitarbeiter in Sachen Evakuierung und Katastrophenschutz weiter bilden, wie Hausmeister Jan Novosad schildert. Als neueste Errungenschaft gibt es hier jetzt Tragetücher, die im Ernstfall unter die Matratzen gelegt werden, damit nicht mobile Bewohner von den Feuerwehrmännern schnell evakuiert werden können. Das Haus sei zudem in Abschnitten gebaut. Breche in einem Teil ein Brand aus, könnten alle anderen Bereiche feuersicher abgeschottet werden. Innerhalb von fünf Minuten sei die Feuerwehr da, so Novosad.

Einrichtungen wie Wandwasserhydranten und Feuerlöscher würden regelmäßig überprüft. Immer wieder müsse er jedoch Besucher und Mitarbeiter darauf hinweisen, die Feuerwehranfahrtszone nicht zuzuparken. Gott sei Dank habe es in dem 20 Jahre alten Haus aber noch nie gebrannt, sagt der Hausmeister.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2016
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