Süddeutsche Zeitung

Europawahl 2019:Installation am Amtsgerichtsgarten: Gedankenflüge

Mit einer Installation erinnern Kulturvereine an das humanistische Menschenbild in Europa.

Von Katharina Aurich, Freising

Weiße Bänder flattern, zwischen den Bäumen an Schnüren aufgehängt, im idyllischen Freisinger Amtsgerichtsgarten im Sonnenlicht. Darauf geschrieben sind Gedanken zu Europa, Sprüche und Ideen, die jeder kennt und die an die gemeinsamen kulturellen Wurzeln, die alle europäischen Länder verbinden, erinnern und zugleich mahnen. Denn "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" oder "Europa, ein humanes zu Hause", wie auf den Bändern zu lesen ist, sind in Gefahr. "Wir machen uns Sorgen um Europa", sagte Steffanie Gölz, Vorsitzende des Freisinger Vereins "Kultur-gut!", der diese Installation gemeinsam mit dem Kulturverein Modern Studio, dem Kreisjugendring, der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der SZ Freising verwirklichte. Mit dieser Ausstellung sagen die Kulturschaffenden in Freising ein klares "Ja" zu Europa und lassen auf den weißen Bändern ihre Gedanken dazu fliegen.

Dabei kommt Vieles zusammen, was so selbstverständlich zu sein scheint: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" oder "Bildung ist Friedensarbeit". Aber der "rechte Rand" in Europa sei erstarkt, stellte Freisings Kulturreferent Hubert Hierl einleitend fest, vermutlich, weil es einigen Ländern wirtschaftlich nicht gut gehe. Deutschland müsse als stärkster Nettozahler jedoch solidarisch sein, meinte Hierl. Über welch reiches, kulturelles Erbe Europa aber verfügt, verdeutlichten die Märchentitel oder die Namen von Komponisten, die auf den weißen Stoffbahnen im Wind tanzten: die Namen von Philosophen und Autoren wie Sophokles, Ovid, über Goethe, Flaubert, Cervantes bis hin zu Vaclav Havel.

Auch persönlich Verantwortung für Europa übernehmen

Dieses humane Menschenbild, um das über viele Jahrhunderte hinweg in Literatur, Theater, Kunst, Philosophie, in der Musik bis in zur Architektur gerungen wurde, sei das Band, das ein harmonisches Zusammenleben so vieler Länder ermögliche, sagte Helma Dietz, Vorsitzende von Modern Studio, zur Begrüßung ihrer Gäste. Verschiedene Kulturen, die griechisch-lateinische, jüdisch-christliche und auch die islamische Tradition in Sizilien, Südspanien und dem Balkan seien das gemeinsame Erbe der europäischen Länder. Ganz unterschiedliche Gedanken, Bilder und Klänge hätten diesen reichen Kulturraum Europa mit seinen wunderbaren Landschaften geformt, erläuterte Dietz. Nur ein kleiner Bruchteil dieser Vielfalt, die uns in unserer Vergangenheit getragen habe, sei nun auf den weißen Bändern fest gehalten.

"Wir alle spüren, dass wir dies lange als unveränderlichen Zustand, als Selbstverständlichkeit angesehen haben", mahnte die Vorsitzende. Aber Bildung und Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Demokratie, ein menschenwürdiges und friedliches Zusammenleben seien nicht selbstverständlich und unangreifbar. Wir sollten miteinander im offenen Gespräch bleiben, uns der gemeinsamen Verpflichtung für Europa bewusst sein und persönliche Verantwortung übernehmen, damit diese demokratische Wertegemeinschaft Europa eine Zukunft habe.

Dies und noch viele weitere Gründe gebe es, um das Bürgerrecht zur Wahl zu nutzen, denn "alle Gewalt geht vom Volke aus", appellierte Dietz an die Zuhörer. Mit dieser Installation und ihren Gedankenflügen möchten die Organisatoren viele Bürger berühren und ermuntern, sich für eine gemeinsame, europäische Zukunft einzusetzen.

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