Europawahl 2019:Die Forschung profitiert

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Die Europäische Union unterstützt finanziell viele Projekte an der TU München und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Sie ermöglicht es Studierenden, einfach an eine Lehranstalt im Ausland zu wechseln

Von Petra Schnirch, Freising

Die Forschung in Weihenstephan profitiert ganz erheblich von der EU. Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) rechnet in diesem Jahr mit etwa zwei Millionen Euro aus EU-Fördertöpfen. Geld, das sie sonst nicht zur Verfügung hätte, wie der für Forschung und Wissenstransfer verantwortliche Vizepräsident Markus Reinke ganz klar sagt. "Sie sind für uns sehr wichtig." Deutlich mehr Geld fließt in die Forschung am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TU München (TUM).

Derzeit gibt es dort 20 Projekte, die durch die EU gefördert werden, darunter sind drei hoch dotierte ERC-Grants, die der Europäische Forschungsrat an herausragende Wissenschaftler vergibt. Einer von ihnen ist Bernhard Küster, Inhaber des Lehrstuhls für Proteomik und Bioanalytik, der sich mit neuen Ansätzen in der Krebstherapie beschäftigt. Ziel ist letztlich zu ermitteln, welche Medikamente für eine Behandlung besonders vielversprechend sind. Die Advanced Grants sind mit bis zu 2,5 Millionen Euro dotiert.

Caroline Gutjahr forscht am Wissenschaftszentrum Weihenstephan (WZW) über eine Wurzelsymbiose zwischen Pflanzen und Mykorrhiza-Pilzen, sie untersucht die molekularen Regulatoren dieser Partnerschaft. Die Pilze versorgen die Pflanzen mit Nährstoffen und erhöhen ihre Widerstandsfähigkeit. Die Ergebnisse sind deshalb für die Landwirtschaft relevant. Die Arbeit der jungen Freisinger Wissenschaftlerin wird mit einem sogenannten Starting-Grant mit bis zu 1,5 Millionen Euro gefördert. Der Europäische Forschungsrat unterstützt auch die Arbeit von Dietmar Zehn am Lehrstuhl für Tierphysiologie und Immunologie, der sich mit sogenannten "zytotoxischen T-Zellen" befasst, die gegen virale und bakterielle Infektionen schützen.

Verbundprojekte, in die das WZW mit vielen anderen Partnern eingebunden ist, erforschen beispielsweise Cyber-Risiken im Gesundheitsbereich. Auch künftig will die TUM intensiv um EU-Fördergeld werben, unterstützt werden die Wissenschaftler vom Team Forschungsförderung und einer Kollegin in Brüssel, wie die TUM mitteilt.

Die Studierenden nutzen die Möglichkeit, dass es innerhalb der EU relativ einfach ist, ins Ausland zu gehen. 225 junge Leute aus anderen EU-Ländern studieren derzeit an der TUM in Weihenstephan. Außerdem gibt es 30 Erasmus-Studenten, die dank des Förderprogramms der EU am WZW sind.

Der TU München ist 2016 ein Coup gelungen

Ein Coup ist der TU München 2016 gelungen: Ein großer Forschungsverbund unter ihrer Federführung mit dem Namen "Food-Connects" will nicht weniger, als den Lebensmittelmarkt umkrempeln. Mit im Boot sind viele europäische Partner, auch aus der Wirtschaft, aus 13 Ländern. Das Großprojekt "EIT Food" ist mit 400 Millionen Euro unterfüttert. Das Geld dient nicht nur der Forschung, sondern auch beispielsweise der Graduierten-Ausbildung, der Gründung von Start-ups oder einer Sommerschule zur Entwicklung neuer Produkte. Das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) ist eine unabhängige Einrichtung der EU, Ziel ist es, die Innovationsfähigkeit Europas zu stärken.

Bei einem der laufenden Projekte mit TUM-Beteiligung geht es um pflanzliche Proteine. Auf sie setzt die Wissenschaft große Hoffnungen, um die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können. Erschlossen werden sollen neue Protein-Quellen, zum Beispiel zum Backen von Brot oder für Füllungen.

Geradezu bescheiden nimmt sich im Vergleich dazu der Forschungsetat der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf aus. 2018 erhielt die HSWT etwa 1,8 Millionen Euro an Drittmitteln von der EU, ebenso viel waren es von Bund und Land. In den vergangenen drei Jahren ist der Förderbetrag laut Vizepräsident Markus Reinke stetig, um etwa 50 Prozent, gestiegen. Die Universitäten haben ganz andere Rahmenbedingungen, auch an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften bekommt die Forschung inzwischen aber mehr Raum. Ein Vorteil der EU-Förderung: Sie unterstützt Vorhaben, die über vier bis fünf Jahre gehen, bei Bund und Land sind es selten mehr als drei Jahre, wie Reinke erläutert.

Flussperlmuschel-Projekt

Wichtiges Instrument für die HSWT sind sogenannte Interreg-Förderungen für grenzübergreifende Projekte, darunter mehrere mit Tschechien. Mit Pilsen und Karlsbad sind langfristige Kooperationen entstanden. Das laufe inzwischen sehr gut, bilanziert Reinke. Eines befasst sich mit den letzten Flussperlmuscheln in Bayern. Die Zusammenarbeit mache Sinn, denn die Zuläufe der Gewässer kommen aus Tschechien.

Die HSWT möchte den Forschungsbereich ausweiten. Die Töpfe würden oft nicht ausgeschöpft, sagt Reinke. Doch man stoße schnell an Grenzen, denn die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter sei nicht mehr geworden. Eine weitere Hürde: Professoren an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften müssen 18 Stunden Lehre pro Woche leisten, sehr viel mehr als an Universitäten. Mit Vor- und Nachbereitung sei man bei einer 40-Stunden-Woche. Mehr wissenschaftliche Mitarbeiter mit dauerhafter Anstellung "würden uns unheimlich gut tun", das ist Reinkes Wunsch an die Politik. Immerhin soll die HSWT zwei, bis drei Forschungsprofessuren erhalten, die Inhaber haben mehr Zeit für die Forschung. "Das ist eine sehr, sehr wertvolle Entwicklung für uns."

Derzeit läuft ein großer Antrag, in Kooperation mit sechs Alpenanrainerstaaten will die HSWT die Bedeutung der Alpen für Ballungsgebiete untersuchen, als Erholungsraum, als grüne Lunge und Wasserspeicher. Mit dabei sind etwa die Universität in Bozen und die Stadt Mailand. Die Chancen, dass das Projekt genehmigt wird, stehen laut Reinke gut.

Er selbst leitet ein Verbundprojekt, das ein grenzüberschreitendes Konzept für Naturschutz und Naturerlebnis im Gebiet des Böhmischen Waldes und der Oberpfalz zum Ziel hat. Weiteres wichtiges Thema ist der Klimaschutz. So wird beispielsweise untersucht, wie sich die Landwirtschaft auf die Moorböden auswirkt. Im Torf ist CO₂ gebunden, bei intensiv betriebenem Ackerbau mit Entwässerung wird dieses jedoch freigegeben.

Die Forschungsarbeit der Hochschulen wird laut Reinke zunehmend anerkannt, ein Problem ist aber, dass sie sich in der Regel mit zehn Prozent Eigenmitteln an EU-Projekten beteiligen müssen. Dieser Betrag sei schwierig aufzutreiben, in Niedersachsen garantiere die Landesregierung, dass sie diesen Teil übernimmt.

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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