Europawahl 2019:Besser geht's nicht

Die Tagwerk-Bio-Metzgerei in Niederhummel ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich gute Ideen mit Fördergeld der Europäischen Union für Leader-Projekte verwirklichen lassen

Von Alexandra Vettori, Freising

Die umstrittene Isarschleife samt Isarsteg hat bisher am meisten Staub aufgewirbelt von all den Leader-Förderprojekten, die mit Geld der Europäischen Union im Landkreis umgesetzt wurden. Letztlich beschlossen worden ist dann nur ein Steg über die Isar, doch es wurde heftig gestritten, bis sich Naturschützer und Anwohner mit ihrer Ablehnung durchgesetzt hatten. Bei allen Diskussionen über Nutzen und Schaden des geplanten kleinen Freizeitareals am Fluss hat sich kaum jemand groß für das Förderprogramm an sich interessiert. Dabei sind im Landkreis Freising seit 2004 schon fast 50-Leader-Projekte umgesetzt worden, 20 sind derzeit in Arbeit. Gut 4,5 Millionen Euro an EU-Geldern sind bisher geflossen.

Hans Huss betreut die Leader-Projekte im Landkreis

Das verwundert, schließlich ist der Fördertopf aus der "Liaison Entre Actions de Développement de l'Économie Rurale" (Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft), wie Leader in schönstem Behörden-Slang ausgesprochen heißt, seit dem Start 1990 doch so etwas wie die Entwicklungshilfe der EU für den ländlichen Raum. Und die hat der wirtschaftlich nicht gerade abgehängte Landkreis Freising doch eigentlich nicht so nötig. "Im Laufe der Zeit hat sich das Instrument gewandelt, zu sämtlichen Bedarfen des ländlichen Bereichs, gerade in stadtnahen Arealen. Man will Entwicklungsprozesse unterstützen. Es ist ein Fördertopf geworden, der alles auffängt, was nicht von anderen Förderprogrammen abgedeckt wird", erklärt Hans Huss, der seit 2003 Geschäftsführer der Lokalen Aktionsgruppe (LAG) Mittlere Isarregion ist. Unter deren Dach laufen die Leader-Projekte im Landkreis. Der 49-jährige Agraringenieur betreibt in Freising ein Büro für Projektmanagement und führt nebenbei die Leader-Geschäfte. "Für eine Leader-Bewerbung muss man ein Konzept schreiben", erklärt er, das ist eine seiner Aufgaben, neben der, davor die Betroffenen und mögliche Projektbeteiligte an einen Tisch zu bringen. Auch die Förderanträge fallen in sein Metier, die, räumt er ein, seien "schon komplex", aber für einen Geübten machbar und finanziell lohnend.

Europawahl 2019: Für den Isarstef floss Geld aus dem Leader-Topf der Europäischen Union.

Für den Isarstef floss Geld aus dem Leader-Topf der Europäischen Union.

(Foto: Marco Einfeldt)

Hans Huss findet es immer noch schade, dass aus dem Isarschleiferl nichts geworden ist. Seiner Meinung nach wäre es ein Paradebeispiel für ein Leader-Projekt geworden. Freising leide unter dem Autoverkehr, die ursprünglich zwei geplanten Isarstege hätten die innerstädtische Erschließung für Radler und Fußgänger erheblich verbessert. Die zwei bis drei Verweilplätze an der Isar hätten mehr Raum für Naherholung geschaffen und nebenbei wäre die Isar in Teilen aus ihrem Korsett befreit worden, was dem angrenzenden Auwald gut getan hätte. "Es wäre ein Entwicklungsschub gewesen", sagt Huss überzeugt.

Genau das ist das Ziel der Leader-Projekte. Die Fördergeldsummen sind nicht überbordend, zusammen mit dem Geld von Land und Kommunen wurden bislang gut zehn Millionen im Landkreis ausgegeben. Doch die Projekte werden direkt aus dem lokalen Bedarf vor Ort heraus entwickelt und geben deshalb Impulse, das macht ihre Qualität aus.

Das erste große Projekt war die 2015 eröffnete Tagwerk-Bio-Metzgerei in Niederhummel bei Langenbach. "Eine Initiative, die sich genau so entwickelt hat, wie man es sich vorstellt", sagt Huss zufrieden. Ein Landwirt mit Bio-Rindern suchte neue Verarbeitungsmöglichkeiten, eine Art bäuerlichen Schlachtbetrieb. Er fand einen Metzger, der sich auch dafür interessierte, die beiden weckten damit das Interesse der landwirtschaftlichen Bio-Genossenschaft Tagwerk mit Sitz in Erding. Gemeinsam kam man ins Leader-Büro, stellte die Idee vor. Hans Huss prüfte, ob die Sache förderfähig war, sie war es, und so ging es los. Heute ist die Bio-Metzgerei zwar noch nicht in der Gewinn-Zone, doch die Geschäfte laufen, die Finanzierung ist gesichert. Künftig soll auch eine Bio-Fleisch-Lieferkiste für steigende Umsätze sorgen.

Europawahl 2019: Die Tagwerk-Metzgerei in Niederhummel wurde mit europäischen Mitteln unterstützt.

Die Tagwerk-Metzgerei in Niederhummel wurde mit europäischen Mitteln unterstützt.

(Foto: Marco Einfeldt)

2003 hat sich auf Initiative des Freisinger Landschaftspflegeverbands und des Landkreises der Verein LAG Mittlere Isarregion gegründet, maßgeblich voran getrieben vom damaligen Landrat Manfred Pointner. Das erste realisierte Programm war eines im Freisinger Moos. Es ging um eine Entwicklungsstrategie zur Renaturierung des Mooses, um Radwege und den Schutz der übrig gebliebenen Torfböden. Wie es oft so ist, die Strategie gibt es, die Realisierung steht auf einem anderen Blatt. Im Laufe des Jahres dehnte sich der Aktionsradius aus, die "Mittlere Isarregion" entstand.

Ein Vorzeigeprojekt ist die Dorferneuerung Fürholzen

Ein weiteres Vorzeigeprojekt ist die Dorferneuerung Fürholzen. Dort gab es bereits das Bürgerforum, das sich um neue Impulse im Ort bemühte. Auf Anregung von Hans Huss wurde 2008 ein Leader-Antrag gestellt. Man setzte sich zusammen,baute eine neue Treppe zur Kapelle, einen Spazier-Rundweg und trieb die Pläne für ein Gemeinschaftshaus fort. Denn dem Ort fehlt ein Zentrum, in dem sich Vereine und Bürger treffen können. Inzwischen ist das Gemeinschaftshaus samt Saal fast fertig, spätestens nächstes Jahr wird es eröffnet. "Ich glaube, dass sich die Dorfgemeinschaft da neu definiert hat, das hat sich sehr positiv entwickelt", lautet das Fazit von Huss.

Für sehr interessant hält er eines der momentan laufenden Projekte, ein Mobilitätskonzept für die Isar-Region und das Ampertal. Im Juli 2018 fiel der Startschuss, 17 Kommunen auch aus Nachbarlandkreisen machen mit. Derzeit werden für alle Orte einzelne Maßnahmenkataloge erarbeitet, die Bevölkerung ist ausdrücklich aufgerufen, Ideen einzubringen. Ein Workshop mit Bürgermeistern, Gemeinderäten, Vereinen, Seniorenvertretern und Fahrradklub hat stattgefunden, bei dem man der Frage nach ging, welche Verkehrswege und welche Bedürfnisse wo bestehen. Bis zum Frühjahr 2020 soll ein Plan mit sinnvollen Lösungen für die Mobilitätsprobleme stehen, von Carsharing über Expressbusse bis hin zu neuen Radwegen.

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