Schuften für das THW nach Feierabend:Im Schweiße ihres Angesichts

Schuften für das THW nach Feierabend: Gemeinsamer Kraftakt: Ehrenamtliche Helfer des THW stellen eine Wohnkabinen-Wand in der neuen Flüchtlingsnotunterkunft in Attaching auf.

Gemeinsamer Kraftakt: Ehrenamtliche Helfer des THW stellen eine Wohnkabinen-Wand in der neuen Flüchtlingsnotunterkunft in Attaching auf.

(Foto: Marco Einfeldt)

Drei Wochen lang baut das Technische Hilfswerk provisorische Wohnräume für Flüchtlinge in der neuen Notunterkunft im Gewerbegebiet Attaching - mit Freiwilligen, jeden Abend nach der Arbeit, bis 22 Uhr.

Von Christian Gschwendtner, Attaching

Klar, am Ende sei es nicht mehr ganz so viel "Fun" gewesen, sagt Dustin Greib. Aber deswegen die Kameraden im Stich lassen? Für Greib ausgeschlossen. Und während der 31-Jährige, auf einer Holzpalette im ehemaligen Attachinger Baumarkt sitzend, das ganz spezifische THW-Feeling heraufbeschwört, da kullern ihm doch tatsächlich Schweißperlen über die Wangen. Greibs Vollbart verschluckt sie. Ein echter THW-Moment.

Dann ertönt wieder der Schlachtruf: "Schiebung". Fünf Männer und eine junge Frau rücken die Außenwand der Wohnkabine Nummer 83 an ihren Platz. "Jürgen?", ruft jemand. Der antwortet prompt: "Einen Zentimeter brauch ich noch, jetzt mal mit Gefühl." Natürlich, Jürgen, wird erledigt, fröhliches Gelächter. Es ist ein ganz normaler Mittwochabend in der neuen Flüchtlingsnotunterkunft im Gewerbegebiet Attaching. Ganz normal, weil die freiwilligen Helfer vom THW dort seit drei Wochen die provisorischen Wohnräume für Flüchtlinge auf der Durchreise errichten. Immer von 18 bis 22 Uhr, montags bis freitags. Am Samstag gibt es eine Sonderschicht.

Was die Ehrenamtlichen gerade in Attaching leisten ist enorm

Wenn andere sich das erste Feierabendbier auf der Couch gönnen, rückt das THW an. Gut, das war schon immer so, es ist Teil des eigenen Selbstverständnisses. Aber was die Ehrenamtlichen gerade in Attaching leisten, das ist enorm. Der THW-Ortsverband Freising hat ein eigenes Konzept für die Flüchtlingsunterbringung entworfen, das noch dazu ziemlich gut ankommt. Die Ortsgruppe aus Bamberg hat schon Interesse an den Wohnkabinen bekundet, sie könnten bald zum Exportschlager werden.

Die Kabinen bestehen aus jeweils einem Trägergestell aus Konstruktionsvollholz, das wiederum mit brandschutzsicheren OSB-Platten beplankt ist. Auf den 25 Quadratmetern, die so eine Wohnkabine misst, können bis zu acht Stockbetten untergebracht werden, vorgesehen sind vorerst nur sechs. Ursprünglich ist die Wohnkabinen-Idee beim Umbau des Fliegerhorsts in Erding entstanden. Die Freisinger Katastrophenhelfer waren daran maßgeblich beteiligt.

In Attaching hat man das Konzept perfektioniert. Statt 1,70 Meter sind die Wände einer Wohnkabine nun 2,50 Meter hoch. Niemand soll in andere Kabinen hinübergreifen können. Es soll ein Mindestmaß an Privatsphäre geben, wie es in der Moosburger Realschulturnhalle beispielsweise nie möglich war.

Die Wohnkabinen kommen aus einer Schreinerei in Oberhummel

Michael Wüst, der THW-Ortsgruppenleiter, lehnt in Zupacker-Pose an der Innenwand einer fertigen Wohnkabine, die Füße über Kreuz gelegt. Er zeigt auf die verarbeiteten Holzbalken: Von einer Schreinerei aus Oberhummel kämen die. Und die Stockbetten seien aus der Moosburger Realschulturnhalle, natürlich noch "pfenningguad".

Entgegen anderslautender Behauptungen sind die Flüchtlinge ganz offensichtlich sorgsam mit ihnen umgegangen. Fast könnte man meinen, die Notbetten seien gerade erst jener ukrainischen Ikeafabrik entschlüpft, die sich auf deren Produktion spezialisiert hat. Wüst jedenfalls ist mit dem Ergebnis seiner 84-Wohnkabinen-großen-Baumarktstadt zufrieden, die sich über zwei ganze Stockwerke erstreckt. "Gut, ich würde das jetzt nicht für meinen Honeymoon buchen", sagt Michael Wüst, "aber als Notunterkunft ist das ganz okay."

Da ist sie also, die berühmte THW-Bescheidenheit. Herr Wüst, können Sie jetzt bitte mal richtig stolz sein auf das, was ihre Leute da geschaffen haben? Michael Wüst druckst noch ein wenig herum, dann sagt er endlich: "Selbstverständlich bin ich stolz."

Schuften für das THW nach Feierabend: Ist stolz auf seine Truppe: THW-Chef Wüst (li.).

Ist stolz auf seine Truppe: THW-Chef Wüst (li.).

(Foto: Katharina Jaksch)

Es ist 19.51 Uhr, Zeit für eine kurze Pause. Luisa Kürzinger, die THW-Verpflegungschefin, hat Leberkässemmeln zubereitet. "Wenn sie schon so viel arbeiten, brauchen sie wenigsten eine gscheide Brotzeit", sagt Luisa Kürzinger. Deshalb steht auch jeden Abend was anderes auf dem Brotzeitplan und Kürzinger pro THW-Tag zwei Stunden in der Küche. Eine nette Geste, aber taugt die schon als Motivation für drei Wochen Feierabend-Campbau im Attachinger Gewerbegebiet?

In Sachsen sind THW-Helfer wegen ihres Engagements für Flüchtlinge bedroht worden

Die 20-jährige Joanna Bayraktar hat noch eine andere Erklärung: "Es macht Spaß, weil ich weiß, ich mach was Sinnvolles." Gruppenführer Florian Erler kann dem nur zustimmen. Wer zum THW kommt, der habe in der Regel schon eine soziale Ader. Im sächsischen Niederau sind THW-Helfer genau wegen dieses Engagements in der Flüchtlingshilfe bedroht worden. In Freising ist das zum Glück derzeit undenkbar. Der Applaus für die Helfer in Attaching könnte aber größer sein.

Zu einem nicht geringen Anteil gehen die Wohnkabinen auf das Konto von Florian Erler, der in Freising als Zimmerer arbeitet. Zum Jahreswechsel kam der Auftrag vom Landratsamt. Erler hat das Konzept an seinen freien Wochenenden ausgetüftelt. Alle Arbeitsschritte sind auf eingeschweißten Folien vermerkt, alles ist durchgeplant. Seit Mittwochabend stehen die Wohnkabinen nun allesamt in dem ehemaligen Baumarkt. "Die Jungs und Mädels haben immer Gas gegeben", sagt Florian Erler, "es war gigantisch."

An den Kräften gezerrt hat der Dauereinsatz trotzdem. Erler freut sich, wenn wieder etwas mehr Ruhe einkehrt. Nur sei es leider so, dass auf einen Großeinsatz wie jetzt in Attaching oder im vergangenen Jahr in Erding meistens ein zweiter folgt. Alte THW-Regel.

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