Süddeutsche Zeitung

Erstwähler:Premiere an der Urne

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Am kommenden Sonntag ist der große Tag für die Erstwähler im Landkreis Freising. Nicht alle werden von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen und so mancher wünscht sich, dass die Politik die Jugend auch ernst nimmt.

Von Philipp Potthast

Bundestagswahl ist schon an diesem Freitag - jedenfalls für Jugendliche im Landkreis Freising, die sich in sieben Wahllokalen an der inoffiziellen U18-Wahl beteiligen können. Für einige Bayern, die das 18. Lebensjahr bereits erreicht haben, wird es zwei Tage später ungleich ernster: Wenn am Sonntag der Gang an die bayrischen Wahlurnen ansteht, werden im Freistaat rund 648 000 Wähler zum ersten Mal ihre Stimme abgeben.

"Ich weiß noch nicht, ob ich wirklich wählen gehe", gesteht der 19-jährige Erstwähler Tom Zinitch, der in Neufahrn gerade eine Ausbildung zum Raumausstatter absolviert. "Bestimmte Themen wie die Energiewende sind mir schon sehr wichtig." Politiker würden aber zu wenig unternehmen, Ausflüchte suchen und leere Versprechungen machen. "Es ist doch sowieso fast egal, was man wählt", findet Zinitch.

Erstwähler machen mehr als sechs Prozent der rund neun Millionen Wahlberechtigten aus, außerdem prägt die Entscheidung beim ersten Urnengang oft nachhaltig das spätere Wahlverhalten. Umfragen zeigen jedoch, dass sich viele Erstwähler nicht wirklich ernst genommen fühlen. "Politiker kümmern sich zu wenig um junge Bürger", findet auch die 19-jährige Brigitte Walla aus Brandloh bei Attenkirchen. Dies liege wohl daran, dass die meisten Politiker schlicht zu alt seien, um die Wünsche und Bedürfnisse von Jugendlichen wahrzunehmen. Darüber hinaus würden viele politische Themen junge Menschen kaum ansprechen, weil sie zu komplex und abstrakt seien. Es hapere generell an der Vermittlung politischer Inhalte; gerade im Sozialkunde-Unterricht werde zwar Wissen über grundlegende demokratische Prinzipien und Institutionen gelehrt, die konkrete politische Debatte jedoch meist außen vor gelassen. Darüber hinaus seien viele Inhalte in ihrer Trockenheit einfach nur abschreckend und würden keine Lust auf Politik machen.

Tatsächlich haben schon 2008 bei der letzten Landtagswahl nur rund 40 Prozent der Wahlberechtigten zwischen 18 und 25 Jahren überhaupt ihr Kreuz gemacht, der Rest blieb aus Protest oder mangelndem Interesse lieber zuhause. Jan Zielinski, Abiturient aus Freising, glaubt aber, dass dies nicht auf mangelnde Kommunikation politischer Themen zurückzuführen ist. "Ich wüsste nicht, was man zusätzlich noch tun sollt, um jungen Wählern Politik näher zu bringen. Gerade Formate wie Task Force Berlin auf ProSieben haben eine sehr große Reichweite." Zwingen, sich zu interessieren, könne man nun einmal niemanden. Die allgemein spürbare Politikverdrossenheit habe ihren Ursprung vielmehr darin, dass die Wirtschaft im Staat oft einflussreicher sei als die wählende Bevölkerung. "Wenn man merkt, dass Konzerngelder mehr bewirken als die eigene Stimme, ist eine gewisse Frustration doch programmiert." Der 20-Jährige will selbst aber auf jeden Fall zur Wahl gehen. "Ich betrachte das irgendwie als meine demokratische Pflicht."

Ähnlich sieht das auch Franziska von Molo, auszubildende Forstwirtin aus Freising. Wer nicht wählen gehe, könne schließlich auch nichts ändern. Außerdem fühlt sie sich auch als junger Mensch sehr wohl vom Wahlkampf der Parteien angesprochen. "Man muss sich eben auch ein bisschen selber informieren!" Neben dem Parteiprogramm ist für von Molo auch der menschliche Eindruck, den sie von einem Kandidaten gewinnt, wichtig. "Wer mir unsympathisch ist, den wähle ich nicht", sagt die 19-Jährige. Gut finde sie, wenn Direktkandidaten im Landkreis Freising direkt auf die Bevölkerung zugehen - sei es in Form von Wahlkampfständen oder durch das Verteilen von Brezn am Bahnhof.

Alys Schäffler dagegen fühlt sich speziell im Landkreis Freising unterrepräsentiert. "Wir haben sehr viele Diskussionsrunden, Vereine und Veranstaltungen zu verschiedensten politischen Themen, aber Bezug zu den jungen Wählern ist dabei kaum vorhanden", stellt die angehende Lehramtsstudentin fest. "Ich glaube nicht, dass der Politik viel an uns liegt. Denen geht es um Geld und Macht. An Veränderungen durch Wahlen glaube ich schon lange nicht mehr." Am Sonntag will sie trotzdem ihre Stimme abgeben - einmal muss man das dann doch ausprobiert haben.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2013
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