Einblick in die Arbeit mit Flüchtlingen:Erstaunte Gesichter

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Die ÖDP Freising hat den Helferkreis Wippenhauser Straße zum Bürgergespräch eingeladen. Bei dem Treffen wird deutlich, wie wenig über die Arbeit der Haupt- und Ehrenamtlichen bekannt ist.

Von Anna Dreher, Freising

Luise Eidel sagt diese Zahlen ohne große Aufregung. Sie kennt sie ja schon lange, sie arbeitet jeden Tag mit ihnen, sie sieht sie jeden Tag. Am Dienstagabend aber, in der Weinstube im Alten Gefängnis blickt Eidel, Mitglied des Organisationsteams des Helferkreises für Flüchtlinge in Freising, oft in erstaunte Gesichter, als sie beim Bürgergespräch der ÖDP die Gegebenheiten im Containerdorf an der Wippenhauser Straße beschreibt.

210 Helfer kümmern sich dort um fast 600 Flüchtlinge. Es gibt sechs Wohn-Container auf dem Gelände mit zwei Stockwerken, in jedem wohnen 40 bis 50 Personen. Jede Etage hat eine Küche mit vier Kochstellen und neun Kühlschränken. "Die interne Organisation wer sich wann Essen machen kann, funktioniert sehr gut. Aber Sie können sich vorstellen, dass rund um die Uhr gekocht wird. Da kehrt nie Ruhe ein", sagt Eidel. In den Zimmern stünden fünf oder drei Betten, letztere nur acht Quadratmeter groß. Wieder erstaunte Gesichter. "Dort leben Menschen aus über zehn Nationen mit unterschiedlicher Bildung, Kultur und Religion auf einem Flur, oft auch in einem Zimmer zusammen", sagt Eidel. "Rassismus ist teilweise stark ausgeprägt - aber dafür läuft es ausgesprochen gut. Alle Bewohner sind bemüht miteinander auszukommen."

Die Zahlen sind neu und manchmal erschreckend

Für die 15 Zuhörer sind die Zahlen meistens neu und manchmal erschreckend. Erst in der Dichte der Beschreibungen wird bewusst, wie wenig über die Lebensbedingungen der Flüchtlinge und die Arbeit der haupt- und ehrenamtlichen Helfer, die seit Juli 2015 im Containerdorf an der Wippenhauser Straße arbeiten, bekannt ist. "Ich habe mir von Anfang an gedacht, dass die Situation dort schwierig werden könnte und wollte etwas tun und helfen", sagt Eidel. "Das Problem war nur, dass es keine Strukturen dafür gab und keine bundesweite Kommunikation. Wir mussten das alles selbst organisieren. Das kostet viel Zeit und Kraft."

Sie ist nicht alleine gekommen an diesem Abend, aus dem vierköpfigen Leitungsteam des Helferkreises sitzt auch Sabine Berenbold-Dieck am ÖDP-Stammtisch. Beide investieren pro Woche oft 25 Stunden in die Arbeit mit den Flüchtlingen - neben ihren Berufen als Management-Assistentin (Eidel) und EDV-Systemadministratorin. Auch diese Zahl sorgt für Erstaunen, für die beiden Frauen ist sie längst Alltag geworden.

Der Helferkreis ist aufgeteilt in verschiedene Gruppen: Deutsch-Kurse, Übersetzungen, Nachmittagstreff, Sport- und Freizeitgruppen, Hilfe bei der Suche nach Ausbildungs- und Arbeitsstellen sind Teilgebiete. "Man kann zu den Leuten nicht sagen: Jetzt wart halt mal. Viele wollen etwas tun, dürfen gesetzlich aber nicht. Das steigert die Frustration, dann wird die Situation kritisch", sagt Berenbold-Dieck. "Beschäftigung und Sinnstiftung sind unheimlich wichtig. Es gibt so viel Potenzial. Aber man muss die Menschen abholen. Auch die Flüchtlinge haben Berührungsängste."

Der erste Schritt in die Integration ist das Erlernen der Sprache. Für die Bewohner des Containerdorfs gibt es momentan 19 Deutschkurse mit zehn bis zwölf Teilnehmern, hinzu kommen Plätze in Coachingprogrammen und Schulen. Aber rund die Hälfte der Flüchtlinge warte auf einen Platz, weil es nicht genug Angebote gebe, sagt Berenbold-Dieck.

Fragen gab es viele von der ÖDP. Vor allem aber die eine: Woher kommt die Kraft, das alles zu leisten? "Ich mache persönlich ganz tolle Erfahrungen und lerne interessante Menschen kennen", sagt Eidel. Und Wünsche? "Wichtig ist den Leuten einfach Kontakt", sagt Berenbold-Dieck. "Und: Wir suchen noch Macher."

Mehr über die Arbeit des Helferkreises unter: http://fluechtlinge-willkommen-in-freising.de

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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