Verhandlung am Freisinger Amtsgericht:Klimaschutz rechtfertigt keine Straftaten

Verhandlung am Freisinger Amtsgericht: Ernst Hörmann und ein Mitstreiter aus der "Letzten Generation" haben Plakate an die Fenster der Filiale der Deutschen Bank in Freising geklebt.

Ernst Hörmann und ein Mitstreiter aus der "Letzten Generation" haben Plakate an die Fenster der Filiale der Deutschen Bank in Freising geklebt.

(Foto: Marco Einfeldt)

Richterin Tanja Weihönig verurteilt Ernst Hörmann wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 800 Euro. Er hatte Plakate an die Schaufenster der Deutschen Bank in Freising geklebt.

Von Peter Becker, Freising

Wenn gutes Zureden nicht hilft, dann müssen halt drastische Maßnahmen her. So begründete Klimaschützer Ernst Hörmann seine Plakat-Aktion bei der Filiale der Deutschen Bank in Freising. Er hatte dort mit einem anderen Aktivisten der "Letzten Generation" Schaufenster beklebt. Auf sieben Plakate forderten sie, endlich den "fossilen Wahnsinn" zu stoppen und stempelten die Bank als, aus Sicht der Aktivisten, größten Geldgeber Deutschlands für die Kohleindustrie ab.

Hörmann beruft sich bei seinem Handeln auf den Paragrafen des "rechtfertigenden Notstands". Die ihm vorgeworfene Sachbeschädigung des Bankgebäudes begründete er damit, Unheil von der Menschheit abwenden zu wollen: und zwar einer möglichen Vernichtung der Zivilisation durch den Klimawandel. Allen edlen Motiven zum Trotz verurteilte Richterin Tanja Weihönig Hörmann wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 800 Euro. Das sind 300 Euro mehr als der ursprüngliche Strafbefehl der Staatsanwaltschaft vorgesehen hatte.

Gut 20 Mitstreiter Hörmanns von der "Letzten Generation" und weitere Sympathisanten drängten in den kleinen Gerichtssaal. Nicht alle durften darin Platz nehmen. Der Angeklagte schlug einen ihm eng vertrauen Aktivisten der "Letzten Generation" als seinen juristischen Beistand vor. "Er ist gründlich in die Materie eingearbeitet", versicherte Hörmann. Die Prozessordnung erlaubt ein solches Vorgehen.

Demonstrationen haben ihren Zweck nicht erfüllt

Hörmann selbst gab die Tat unumwunden zu. Er berichtete in seiner Einlassung von mit "Fridays for Future" veranstalteten Mahnwachen und Klimastreiks. Zu denen seien anfangs an die 200 Menschen gekommen. Zuletzt nahm die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ab. Seinen Gesetzesverstoß rechtfertigte Hörmann mit dem Umstand, dass herkömmliche Demonstrationen "nicht das gebracht haben, was wir brauchen".

Er gab zu, die Plakate an die Fensterscheiben geklebt zu haben, um im Rahmen seiner Möglichkeiten den größtmöglichen Druck auf das Geldinstitut aufzubauen. Nicht er gehöre auf die Anklagebank, sondern die "Regierungen und großen Lenker unserer Wirtschaft", fand er. Diese begingen schweres Unrecht, indem sie eine dem Klimanotfall angemessene Politik und entsprechende Geschäftsmodelle unterließen und schweres Unrecht begingen. Er werde weiterhin friedlichen zivilen Widerstand leisten, kündigte der 72-jährige Rentner an.

Der Kleber aus Mehl und Wasser haftet stärker als gedacht

Bei der Plakat-Aktion und der damit verbundenen Sachbeschädigung spielte der selbst hergestellte Kleber aus Mehl und Wasser eine besondere Rolle. Eine als Zeugin geladene Polizistin sagte, dass sich die Plakate unter dem Einsatz von Spiritus und Schabern nur mit Mühe von den Fensterscheiben lösen ließen. Schließlich riefen die Beamtinnen den städtischen Bauhof zu Hilfe. Mindestens zehn Minuten habe es gedauert, ein Plakat zu entfernen, gab die Zeugin an.

Der Rechtsbeistand von Hörmann sagte, es sei extra ein Mehlkleber verwendet worden, um am Gebäude keinen Schaden anzurichten. Im Selbstversuch sei es einfach gewesen, ein Plakat mittels Wasser von einer Oberfläche zu lösen. Die Exemplare mussten wohl nur genügend befeuchtet werden. Der Rechtsbeistand von Hörmann kreidete es den Polizistinnen als Fehler an, sich nicht erkundigt zu haben, wie sich die Plakate am besten entfernen ließen. Er plädierte auf Freispruch für seinen Mandanten.

Der Verteidiger forderte in einer Reihe von Anträgen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Experten für den Klimaschutz zu laden. Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin sollte als Sachverständiger für zivilen Ungehorsam und dessen positiven Effekt auf die politische Meinungsbildung herbei zitiert werden. Richterin Tanja Weihönig wies diese Beweisanträge zurück. Sie seien zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich.

Im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft Hörmann gar angeboten, das Verfahren einzustellen. Dieser wies dies zurück und lehnte den ursprünglichen Strafbefehl über 500 Euro ab, um mit dem Prozess größtmögliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erzielen. Weihönig sprach deshalb in ihrer Urteilsbegründung an, dass Hörmann die Verhandlung "als Bühne" zur Verbreitung seiner Anliegen genutzt habe. Das Kämpfen gegen den Klimawandel rechtfertige keine Straftaten. Die Richterin sieht den Tatbestand der Sachbeschädigung als erfüllt an. Das beweist ihrer Auffassung nach die Mühe, welche Polizistinnen und Bauhofpersonal bei der Entfernung der Plakate gehabt hätten. Die Einsicht, eine Straftat begangen zu haben, sieht sie bei Hörmann als "nicht gegeben" an. Dieser wird wohl in Berufung gehen.

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