Süddeutsche Zeitung

Gesundheitspolitik:Patient Krankenhaus

Ein Großteil der Kliniken schreibt tiefrote Zahlen, CSU-Politiker Erich Irlstorfer hält Reformen für notwendig - aber nicht so, wie von der Ampel-Koalition geplant. Die würden die Versorgung auf dem Land verschlechtern, kritisiert er.

Von Petra Schnirch, Gammelsdorf

Dass Erich Irlstorfer am Montag ein Pressegespräch in Gammelsdorf ausgerechnet mit einem Lob auf die Ampel-Koalition in Berlin eröffnet hat, ist durchaus erstaunlich. Es sei vollkommen richtig, dass sie das Thema Krankenhausreform in den Mittelpunkt stelle, sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete. Um dann aber gleich nachzulegen: Das vorgelegte Eckpunktepapier sei "inhaltlich nicht tragbar", kritisierte er. Eine Umsetzung hätte vor allem Folgen für die Versorgung außerhalb der Großstädte. Auch Auswirkungen auf das Leistungsspektrum am Klinikum Freising hielt Irlstorfer für nicht ausgeschlossen. Deshalb seien hier dringend weitere Gespräche notwendig.

Die Situation der Kliniken ist alles andere als gut: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft befürchtet laut Irlstorfer Insolvenzen, 59 Prozent der Kliniken rechneten für das Jahr 2022 mit roten Zahlen, ein Jahr zuvor seien es 43 Prozent gewesen. Die Zahl der Häuser mit positiver Jahresbilanz halbiere sich sogar auf nur noch 20 Prozent. Die Krankenhäuser "sind chronisch unterfinanziert", viele befänden sich in einem Überlebungskampf, sagte der Freisinger Politiker, der dem Gesundheitsausschuss des Bundestags angehört.

Seine Forderungen: Bund und Länder müssten die Finanzierung der Krankenhäuser erhöhen. Er brauche einen Strukturfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro, um Kliniken bundesweit zu unterstützen. Eine Krankenhausreform sei notwendig, das sei auch der CSU im Bundestag klar. Das Personal in den Kliniken sei hoch motiviert, aber ausgebrannt. Es müsse darum gehen, eine "bestmögliche flächendeckende, regionale Versorgung hinzubekommen", sagte Irlstorfer. Das gute bestehende Angebot dürfe nicht zerschlagen werden.

Das Eckpunktepapier der Ampel-Koalition sieht vor, die bestehenden Häuser unterschiedlich zu gewichten. Betroffen wären vor allem kleinere Krankenhäuser, in denen künftig überwiegend ambulante Behandlungen stattfinden sollen. Irlstorfer verwies auf ein Gutachten, das im Auftrag des bayerischen Gesundheitsministeriums entstanden ist: Demnach würden bei einer Umsetzung der Pläne 53 der etwa 400 Krankenhäuser im Freistaat herabstuft und böten nur noch eine ambulant-stationäre Basisversorgung.

Greifen soll das neue Gesetz von 2024 an. Es seien weitere Gespräche erforderlich, "das Angebot zur Zusammenarbeit steht". Nicht nur nur Universitätskliniken "sind tragende Säulen des Systems", betonte Irlstorfer. Ein Schwerpunkt in Freising sei beispielsweise die Schlaganfallstation. Die schnelle Versorgung der Patienten dürfe nicht durch weite Fahrtstrecken in Frage gestellt werden.

Zweites großes Thema des CSU-Politikers ist die Verbesserung der Situation in der Pflege. Der Gesetzesentwurf der Ampel bleibe hinter den Erwartungen zurück, kritisierte er. Er hat ein eigenes Zehn-Punkte-Programm entwickelt. Ein Schwerpunkt darin ist eine Finanzierungsperspektive: Irlstorfer hält einen Mix aus gesetzlicher Pflegeversicherung, steuerlicher Quer-Finanzierung, betrieblicher Mitfinanzierung sowie eigenverantwortlicher Vorsorge für geboten. Stärker im Fokus stehen müsse zudem die Prävention, um eine Pflegebedürftigkeit möglichst zu vermeiden. "Die Leute wollen daheim alt werden, man darf die Bedürfnisse einer Gesellschaft nicht ignorieren", sagte Irlstorfer.

Ohne Akquirierung von ausländischen Arbeitskräften werde man nicht auskommen, auch darauf verwies er. Zudem müsse die Leiharbeit reformiert werden. Sie sei als Hilfsmodell gedacht, nicht als dauerhaftes Beschäftigungsmodell. Diese Fehlentwicklung müsse korrigiert werden. Auch die Einführung eines Gesellschaftsjahres befürwortet Irlstorfer - ob verpflichtend oder nicht, darüber müsse man noch mit der Jugend diskutieren.

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