Erfolgsmodell:Mobil auch ohne eigenen Wagen

Der Carsharing-Verein "Stadtteilauto" feiert 25-jähriges Bestehen. Für die Zukunft werden E-Autos heiß diskutiert

Von Clara Lipkowsk i, Freising

Hat man hinter dem Lenkrad des silbernen Kleinwagens Platz genommen und ist aus Freising auf die B 11 Richtung Moosburg abgebogen, freut man sich als normalerweise mit der Bahn pendelnder Mensch, dass man nicht darum bangen muss, den Zug zu erwischen. Zumal der - so kommt es einem jedenfalls vor - viel zu selten in Moosburg hält. Auch muss man vom Bahnhof nicht noch dreißig Minuten zu seinem Ziel laufen, wohin kein Bus fährt und eine U-Bahn schon gar nicht. Hinzu kommt: Der Wagen fährt sich, für einen Kleinwagen, ziemlich gut.

Mit dem Auto zu einem Termin zu kommen, ist nur ein Grund, ein "Stadtteilauto" zu mieten. Fragt man den Vorsitzenden des gleichnamigen Vereins, Joachim Joekel, nutzen die 260 Mitglieder die 19 Autos für Möbeltransporte, zum Einkaufen, für den Familienausflug und teils sogar für den zweiwöchigen Urlaub in Frankreich.

Angefangen hatten 1992 neun Gründungsmitglieder mit einem Auto. Nun feiert der Verein am Samstag sein 25-jähriges Bestehen. Auf dem Gelände des TSV Jahn werden der Landrat und mehrere Bürgermeister erwartet, Carsharing ist als Thema in der Politik angekommen. Joekel kam 2003 zum Verein. "Ein Auto steht die meiste Zeit rum. Autos sind also keine Fahrzeuge, sondern Stehzeuge." Ihn fasziniert, sie intelligenter zu nutzen, nicht zu besitzen.

Wurde in Freising schon 1992 das erste Auto geteilt, mussten noch fast 20 Jahre vergehen, bis kommerzielle, moderne Carsharing-Anbieter den deutschen Markt eroberten. Anders als in Ballungsräumen ist das Stadtteilauto kein "Free-Floating"-Angebot. Demnach muss man das Auto wieder an der Station parken, wo man es abgeholt hat, statt es irgendwo abzustellen. Das sei anders nicht machbar, sagt Joekel, man könne nicht jedes Auto irgendwo aus der Peripherie wieder in die großen Orte fahren, damit es mehr Menschen zur Verfügung steht. Ausleihstationen gibt es in Freising, Eching, Marzling, Moosburg und Neufahrn, erkennbar an grün-orangenen Tafeln an den Parkplätzen, die dem Verein nach Absprache mit den Gemeinden, etwa an Bahnhöfen, vorbehalten sind. Gemietet wird ein Wagen nach einen Aufnahmegespräch - man muss Mitglied werden, um ein Auto ausleihen zu dürfen. Geöffnet wird der Wagen per App oder Mitgliedskarte, die man an einen Mini-Computer an der Windschutzscheibe hält oder mit der man einen Tresor entriegelt, in dem der Schlüssel hängt.

Die Autos sind nicht neu, aber gut in Schuss. Aufgemotzt sollen sie auch gar nicht sein. "Unser Standpunkt ist: Die Autos sind Gebrauchsgegenstände", sagt Joekel. Er nutzt, wenn er potenziellen Mitgliedern einen Kleinwagen vorführen will, zwei verschiedene Modelle. Soll es etwas "repräsentativer" sein, steigt er in ein anderes Fahrzeug, "das schaut schnittiger aus". Für größere Transporte gibt es einen Van.

Die Autos kauft und verkauft der Verein alle sechs Jahre. Bei den Modellen entscheide man sich bewusst gegen exklusive Sonderfunktionen, sagt der 81-Jährige. Ein Gelegenheitsfahrer habe oft gar nicht die Zeit, sich mit dem neuesten Spur- oder Berganfahr-Assistenten auseinanderzusetzen, die Wagen sollten robust und leicht zu lenken sein.

E-Autos hat der Verein noch nicht. Zwar werde das Thema intern heiß diskutiert, sagt Joekel, aber noch fehlten Ladestationen. Der Verein bräuchte jeweils einen eigenen Lade-Parkplatz pro Auto und das wäre teuer. "Eine Schnellladesäule würde Tausende Euro kosten". Angedacht ist eine Zusammenarbeit mit den Stadtwerken, die eine Säule stellen könnten. Konkretisiert habe sich dies aber noch nicht, sagt der pensionierte IT-Berater. Ein Hybridauto mit Automatik allerdings testet der Verein, es werde gut angenommen.

Unfälle mit Personenschäden habe es in den 25 Jahren glücklicherweise nicht gegeben, sagt Joekel, aber zwei Totalschäden. Ein Fahrer hatte auf glatter Straße einen Unfall, ein anderer das Auto auf abschüssiger Straße geparkt und wohl vergessen, die Handbremse fest zu ziehen. Der Wagen rollte eine Böschung herunter und kam völlig zerknautscht im Dickicht zum Stehen. Beide Fahrer mussten sich mit 300 Euro an den Kosten beteiligen. Ansonsten gibt es im Alltag für Fahrer nicht viel zu beachten. Wenn nötig tankt man, eine Tankkarte liegt bereit. Eines aber, sagt Joekel, gehe gar nicht: ein weißhaariger Hund auf schwarzem Polster.

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