Der Burschenverein Pastetten hat zur Feier seines 111-jährigen Bestehens am östlichen Ortsrand ein riesiges Zelt aufgebaut. In der Jubiläumsfestwoche wird hier viel gefeiert, aber nicht nur. Nach Schlager- , Disco- und Mopedrennen-Afterparty steht am Mittwochabend eine ernstere Angelegenheit auf dem Programm: Der Erdinger Kreisbauerntag, bei dem der bayerische Wirtschaftsminister und FW-Spitzenkandidat Hubert Aiwanger als Hauptredner sprechen wird. Es wird ein Erlebnis der besonderen Art.
Das Festzelt, in das 2400 Menschen passen, ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Am Tag zuvor, als "Kesselfleisch & Giggerlessen" auf dem Programm stand, war Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gekommen, um hier Wahlkampf zu machen. Das Zelt sei am Dienstag bei Weitem nicht so gut gefüllt gewesen, sagt Andreas Wagner, der Vorsitzende der Pastettener Burschenschaft. Ob ihn das freut, verdrießt oder ob es ihm ganz egal ist, lässt er sich nicht anmerken.
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Kurz nach 20 Uhr kommt Hubert Aiwanger ins Zelt. Die Musik spielt und die Leute klatschen. Er geht eine große Runde durchs Zelt, winkt und lächelt in die Menge, nimmt ganz vorne in der Mitte den für ihn reservierten Platz ein und bekommt mehr oder weniger sofort einen Teller mit Schweinwürstel und Kraut vorgesetzt. Er hat Hunger und er muss sich stärken für seinen Auftritt.
Zunächst aber sind andere dran. Jakob Maier, der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV), begrüßt jede Menge Leute und "ganz besonders unseren Ehrengast". Bürgermeister Peter Deischel (FW) freut sich, dass seine Gemeinde dieser Tage "Hauptstadt der bayerischen Politik" sei. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) nutzt die Gelegenheit und spricht zwei Landwirtschaftsthemen an. In Teilen des Landkreises darf wegen hoher Nitratbelastung nur noch reduziert gedüngt werden. Bayerstorfer sagt, dass das Nitrat an den falschen Stellen gemessen werde. Außerdem sagt er, dass man die Anbindehaltung von Milchkühen nicht "unter Generalverdacht" stellen dürfe. Der oberbayerische BBV-Chef Ralf Huber poltert lautstark, aber kurz, dass den Bauern "die Scheiße bis zum Hals steht". Dann kommt noch mal Kreisobmann Jakob Maier und kündigt ein Volksbegehren zur Begrenzung des Flächenverbrauchs an: "Es ist nicht mehr zielführend, dass wir immer mehr Infrastrukturprojekte in die Landschaft setzen."
Die größte Zustimmung erhält Aiwanger für den Satz, "so blöd können nur die Grünen sein"
Hubert Aiwanger steht da schon auf der Bühne und macht sich bereit. Er zieht seine Jacke aus und krempelt die Hemdsärmel hoch. Er geht ganz nah an die zwei kleinen Mikrofone am Rednerpult - legt los und gibt Vollgas. Von jetzt an wird er eine Stunde lang seine Sicht der Dinge herausschreien, sehr intensiv und ohne nennenswerte Modulation, auf einem durchgehend angespannten Stimmniveau. Das Publikum im Zelt staunt, klatscht und bejubelt ihn stellenweise. Die größte Zustimmung erhält Aiwanger für den Satz, "so blöd können nur die Grünen sein". Er sagt das irgendwann mittendrin, aber es ist das Grundmotiv aller seiner Ausführungen.
Aiwanger sagt, "wir brauchen die Väter und Mütter, die Handwerker und Häuslebauer - und nicht die Narrischen." Die Regierung in Berlin wolle die Tierhaltung in Deutschland massiv reduzieren, was dazu führen werde, dass "nur noch Schweinefleisch aus chinesischen Schweinefabriken kommt, damit es Schweinswürstel gibt". Er kritisiert die Düngeverordnung und er würde da gerne etwas ändern, "ich bin aber nicht der Jesus Christus, der das auf Knopfdruck umsetzen kann." So geht es, ohne Luftholen, weiter.
Der Flächenverbrauch sei geringer als früher, sagt Aiwanger, aber Bayern wachse eben "bei der Bevölkerung und in der Wirtschaft". Womöglich sollte man deshalb "eine Zuwanderungsbegrenzung machen, vielleicht wäre das die beste Lösung". Er wolle jedenfalls, "dass nur noch Leute kommen, die sich ordentlich benehmen und die arbeiten". Womit er zu seiner Sozialpolitik überleitet. Bürgergeld dürfe es "nur für wirklich Bedürftige geben", Mindestlohn müsse steuerfrei sein und die Erbschaftssteuer gehöre "dringend abgeschafft".
Aiwanger sagt man sollte auf Leute hören, die schon mal "einen Baum gepflanzt, eine Kuh gemolken und eine Sau gefüttert" haben. Er schimpft gegen die Idee, Insekten könnten Nahrungsmittel sein. Er behauptet, es sei "wider die Natur" vegan zu leben, denn "der Mensch ist von Gott zu einem Allesesser geschaffen" worden. Er redet über Silvesterkrawalle in Berlin, oberbayerische Schützenvereine und das Waffenrecht, und sagt, "wir dürfen uns unser Leben nicht kaputt machen lassen." Man solle sich nichts einreden lassen, allerdings sei "über gewisse linke Medien ja in den vergangenen Jahren so eine Meinungsdiktatur aufgebaut worden". Und noch mal: Migration müsse begrenzt und "Masseneinbürgerung" verhindert werden, "dann ist auch der innere Friede wieder hergestellt".
Als Aiwanger nach all dem - und noch weitaus mehr Ausführungen - endlich doch fertig ist, sind alle erschöpft und er strahlt zufrieden.