Uralter Familienbetrieb:Vom Revolver zur Porzellantasse

Firma Grimm um 1910

"Messerschmied- und Geschmeidewaren" bot Xavier Grimm um 1910 an, vier Jahre zuvor bezog er den Laden an der Oberen Hauptstraße 17.

(Foto: Stadtarchiv/Fotosammlung)

Seit 170 Jahren gibt es den Laden der Familie Grimm in der Freisinger Altstadt. Das Sortiment war aus heutiger Sicht einst kurios, nach dem Krieg aber vor allem praktisch. Wie alles begann.

Von Eva Zimmerhof, Freising

Revolver nebst Munition, Aderlassschnapper und Schöpflöffel, Stemm- und Stecheisen, Düngergabeln, Kaffeemühlen und Stahlbügeleisen - das alles gehörte einst zum Sortiment von Franz Xaver Grimm. Er ließ es, womöglich mit einigem Stolz, 1881 in einer Anzeige veröffentlichen. Die Zeit, als alles begann, war aber die Mitte des 19. Jahrhunderts: Hier liegt der Anfang eines Familienbetriebs, der sich in Freising über 170 Jahre halten sollte und heuer das entsprechende Jubiläum feiert.

Richard Grimm (63), kann sich nicht so recht entsinnen, wievielmal "Ur" er zu dem Wort Urgroßvater hinzufügen müsste, um bei jenem Vorfahren und Firmengründer Grimm anzukommen. Der heutige Inhaber erinnert sich hingegen gut daran, wie es war, in einem Familienbetrieb aufzuwachsen: "Für mich als Bub war es toll, in der Werkstatt ein bisschen mit zu schaffen, dort ein bisschen zu basteln. Oder mit dem Monteur irgendwohin zu fahren." Die Werkstatt war lange Zeit ein wichtiger Bestandteil des Grimmschen Geschäfts. "Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in der angeschlossenen Werkstatt vier bis fünf Leute beschäftigt. Wenn ein Topf kaputt war, hat man ihn hergebracht - genauso wie landwirtschaftliche Maschinen." Beim damaligen im Vergleich zu heute minimalen Verkehrsaufkommen, war es kein Problem, seine Maschine zum Laden in die Innenstadt zu bringen, der sich laut der Häuserkartei des Stadtarchivs zunächst an der Oberen Hauptstraße 8 befand. Als der Firmengründer 1906 das Haus an der Oberen Hauptstraße 17 kaufte, zog das Geschäft um.

Obwohl es noch immer die Werkstatt bei Grimm gibt, lassen heute nicht mehr so viele Kunden etwas reparieren

"Heute wird viel weggeschmissen und einfach neu gekauft", sagt Richard Grimm, der in dieser Hinsicht etwas den vergangenen Zeiten nachtrauert. Dabei gehört auch heute noch eine Werkstätte dazu, die sich gegenüber dem Hinterausgang an der Oberen Domberggasse befindet. Häufig gehe es um Grillgeräte. Die Kunden nutzten das Angebot, dass die Firma Reinigungen anbietet, sagt Grimm. Abholung inklusive. So leicht sei ein solches Gerät schließlich nicht mehr in die Innenstadt zu transportieren. "Zugleich befindet sich bei mir eine Reparaturwerkstätte in welcher billigst und prompt (. . .) Reparaturen gefertigt werden", bewarb schon der Firmengründer vor eineinhalb Jahrhunderten sein Serviceangebot. Grimm weiß noch gut, wie sein Vater das Geschäft führte, "der es 1952 wiederum von seinem Vater übernommen hatte". Das Warenangebot wandelte sich vom Revolver zur feinen Porzellantasse. "Nach dem Zweiten Weltkrieg haben wir viele Ölöfen und -herde verkauft", erinnert er sich. "Und Nähmaschinen, die waren damals der Renner. Der Warenverkauf ist mehr geworden, die Werkstattarbeit weniger. Weniger Eisenwaren wurden verkauft, dafür mehr Haushaltswaren."

Haushaltswaren Grimm

Aus der Altstadt nicht wegzudenken: Seit 170 Jahren führt die Firma Grimm - hier der heutige Inhaber Richard Grimm am Hintereingang an der Oberen Domberggasse - Haushaltswaren, früher gehörten auch Revolver und landwirtschaftliche Geräte zum Sortiment.

(Foto: Stephan Goerlich)

Im kleinen versteckten Ladenbüro ist es gemütlich, an der Wand hängen Gemälde. Doch, natürlich sei das Geschäft sein zweites Zuhause, sagt Grimm. "Ich bin ja dabei, seit ich auf der Welt bin." Früher als Bub sei er bloß die Treppe runter gelaufen ins Geschäft. Oben im ersten Stock wohnte die Familie. 1974 ließ die Firma das Geschäft, das inzwischen in ein rückwärtiges Gebäude an der Oberen Domberggasse übergeht, umbauen. Wer durch den Laden wandert, wechselt dabei unbemerkt in das andere Haus hinüber. Denkmalgeschützt ist das Gebäude nicht. Schon 1929 ließ sein damaliger Besitzer das Gewölbe komplett entfernen. Darüber, dass der erste Firmeninhaber auf seinem Grundstück die Moosach überdachen wollte, gibt ein Baugesuch von 1908 Auskunft. Gegen die jährliche Zahlung von einer Mark erhielt er dazu die "gemeindebehördliche" und auch die "hauptpolizeiliche Erlaubnis".

Schon kurz nach der Jahrtausendwende kam der Onlineshop dazu. Längere Öffnungszeiten will Grimm aber nicht einführen

Sein Vater übergab Richard Grimm das Geschäft Anfang der 80er, und er entwickelte es weiter. Bereits vor dem Jahrtausendwechsel begann die Firma, Bestellblätter anzubieten - daraus entwickelte sich alsbald der Onlineshop, der mittlerweile so gut läuft, dass er "richtig betreut werden muss", wie Grimm sagt. Doch kümmere sich darum vor allem sein Bruder, der vor 15 Jahren eine weitere Grimm-Filiale in der Landshuter Altstadt eröffnete. "185 Jahre Grimm" steht deshalb in den Schaufenstern. Die Brüder haben ihre Jubiläen einfach zusammengelegt. Mit im Geschäft sind zudem die Ehefrauen, man ist noch ein echter Familienbetrieb.

Zu der Diskussion um eine Verlängerung von Ladenöffnungszeiten sagt Grimm: "Jeder muss heute alles immer sofort haben. Das geht zu Lasten der Qualität im Verkauf." Er legt Wert auf das Produktwissen seiner Mitarbeiter: "Stellen Sie sich vor, sie kommen mit einem zehn Jahre alten defekten Schnellkochtopf zu uns und es ist nur jemand da, der sich nicht auskennt." Samstagmittag ist Schluss - außer an den sogenannten langen Samstagen und denen vor Weihnachten. "Längere Öffnungszeiten sind für den Kunden wunderbar", sagt Grimm, "aber für unsere Mitarbeiter eine Katastrophe. Die haben auch Familie. Da bin ich altmodisch."

Quelle: Die Häuserkartei des Stadtarchivs geht auf die Häuserforschung des Freisinger Heimatforschers Franz Bichler zurück.

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