Ermittlungen gegen den Echinger Bürgermeister:Gemeinderat nimmt das Heft in die Hand

In einer Sondersitzung wird unter anderem Kritik an Sebastian Thalers Schweigen laut. Nun soll umfassend aufgeklärt werden, auch mögliche Regressansprüche werden geprüft.

Von Klaus Bachhuber, Eching

In den Anschuldigungen und Spekulationen um die Amtsführung des Echinger Bürgermeisters Sebastian Thaler will nun der Gemeinderat das Heft in die Hand nehmen. Bei einer von der "Bunten Koalition" - den bisherigen Unterstützergruppen Thalers - angesetzten Sondersitzung wurde am Mittwoch einstimmig die Einleitung umfassender Aufklärungsarbeit sowie die Prüfung möglicher Regressansprüche beschlossen. Der Gemeinderat müsse "wieder hörbar reden und sichtbar handeln", sagte Zweite Bürgermeisterin Stefanie Malenke (SPD) und warnte: "Der Sog der Ereignisse und unser Umgang damit verschlingen den ganzen Ort."

Gegen Thaler ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue in Zusammenhang mit der Prozesskostenerstattung nach einer Auseinandersetzung am Echinger See sowie wegen des Verdachts von Wucher bei einem privaten Wohnungskauf. Daneben haben CSU, FW und FDP jetzt Aufklärung zu mehreren Auftragsvergaben der Gemeinde an Thalers Schwager gefordert. Seit vier Monaten köcheln alle diese Vorwürfe im öffentlichen Raum, ohne dass sich Staatsanwaltschaft, Bürgermeister oder Gemeinderat je dazu geäußert hätten.

Recht auf Information

"Sie, die Bürger Echings, sind dieser Situation ohnmächtig ausgesetzt", sagte jetzt Malenke, "denn alles scheint wie eingefroren, nichts bewegt sich, es herrscht Stillstand". Sie selbst als ehrenamtliche Vertretung des Bürgermeisters sei durch die Kommunale Rechtsaufsicht zur Zurückhaltung verpflichtet worden, sagte sie. Eching habe aber "ein Recht darauf, informiert zu werden". Daher habe sie die Sondersitzung initiiert.

Nicht hinnehmbar sei die Auskunftsverweigerung von Thaler. "Das Schweigen des Bürgermeisters kostet in hohem Maße Vertrauen und Glaubwürdigkeit", rügte sie. Dennoch warb sie auch um menschliches Verständnis. Thaler sei, ungeachtet seines Anteils an den Vorgängen, derzeit "unerträglichen Belastungen ausgesetzt". Er sei aber "nicht unverwundbar", mahnte sie: "Irgendwann ist ein Mensch kaputt und das dürfen wir nicht zulassen, denn das stünde tatsächlich in keinem Verhältnis zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen".

"Das tut man nicht"

Zur Auftragsvergabe an Thalers Schwager wurde eine Sammlung und Offenlegung aller Aufträge und Zahlungen beschlossen. Mögliche Rechtsverstöße durch diese private Verbindung sollen überprüft werden. "Das fällt für mich in den Bereich 'das tut man nicht'", kritisierte auch SPD-Sprecher Carsten Seiffert das Gebaren des Bürgermeisters.

Zu den Prozesskosten des Gerichtsverfahrens um Thalers Auseinandersetzung 2018 am Echinger See legte Dritter Bürgermeister Leon Eckert (Grüne) eine detaillierte Darstellung vor, die er sich über Wochen erarbeitet habe. Demnach sei der Gemeinderat beim Beschluss, die Verfahrenskosten des Bürgermeisters zu tragen, schlecht oder falsch beraten worden. Er habe bereits Strafanzeige gegen den bisherigen Rechtsbeistand der Gemeinde gestellt. Neben der möglicherweise fehlerhaften Beratung könnte die Kanzlei Parteiverrat begangen haben, indem sie in der Sache sowohl Thaler als auch die Gemeinde beraten und vertreten habe, die teils widerstrebende Interessen verfolgt haben müssten.

Die FW hatte bereits beantragt, sich von der Kanzlei zu trennen, auch Eckert empfahl, die Zusammenarbeit ruhen zu lassen. Malenke appellierte, dass vor derartigen Schritten die Kanzlei wenigstens gehört werden müsse, so dass die Entscheidung verschoben wurde. Eckert bilanzierte, dass in der Zahlung der Verfahrenskosten "der Sachverhalt nicht so trivial ist, dass es nur einen Schuldigen gäbe".

Die Stoffsammlung, durch die er sich als ehrenamtlicher Gemeinderat habe kämpfen müssen, sei "durch die Zurückhaltung des Bürgermeisters erschwert worden". Die Grünen hatten im Vorfeld der Sitzung bereits "das Fundament für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister in Rathaus und Gemeinderat" in Frage gestellt und ihm "mangelnde Bereitschaft zu Transparenz und Aufklärung" vorgeworfen.

Viele interessierte Zuhörer

Vor großer Kulisse von rund 40 Besuchern im Bürgerhaus gab es vor den einstimmigen Beschlüssen zähe Schaukämpfe. Der CSU, die in vier Monaten keinen Beitrag zu den Vorgängen geliefert hatte, gingen nun die Vorschläge der "Bunten" nicht weit genug oder wahlweise zu weit. Den Antrag der Grünen vor Wochen auf Akteneinsicht zu der Prozesskostenabwicklung hatte sie abgelehnt, nun forderte sie vehement, die daraufhin zusammengestellten Akten öffentlich vorzustellen.

Malenke betonte, die Kommunalaufsicht habe das ausdrücklich verboten, bei einer öffentlichen Behandlung würde sie sich strafbar machen. CSU-Sprecher Georg Bartl sagte, in dieser Angelegenheit sei "die rote Linie längst überschritten", die Bevölkerung habe ein Recht auf die Zahlen. Seiffert mahnte, bei der Aufklärung möglicher Rechtsbrüche selbst keine Rechtsbrüche zu begehen. Nach fast einstündiger Diskussion verständigten sich SPD, Grüne, FW, Bürger für Eching und ÖDP gegen CSU und FDP darauf, die Vorlage um eine Woche zu verschieben, um zu klären, welche Details öffentlich werden dürften.

"Der volle Maßnahmenkatalog"

Ein von den "Bunten" vorgeschlagenes Gremium aus allen Fraktionen zur Begleitung der weiteren Verfahrensschritte, um alle Richtungen einzubinden, wurde von der CSU ebenfalls abgelehnt. Ein derartiger "Untersuchungsausschuss" habe keine Kompetenzen und keine Legitimation, rügte Bartl, "damit wird es nur in die Länge gezogen". Hier sollte wieder stattdessen die Rechtsaufsicht eingeschaltet werden. Malenke wurde einstimmig beauftragt, Ansprüche der Gemeinde gegen Bürgermeister, Anwälte oder Versicherungen zu prüfen und zu verfolgen. Mit diesen Beschlüssen der Sondersitzung habe man "den vollen Maßnahmenkatalog eingesetzt, den ein Gemeinderat hat", bilanzierte Eckert.

Thaler war wegen einer Covid-19-Infektion bei der Sitzung nicht anwesend, er befindet sich seit dem Wochenende in Krankenstand und Quarantäne.

Zur SZ-Startseite

Echinger Bürgermeister
:Verdacht auf Vetternwirtschaft

Unterlagen der Echinger Finanzverwaltung legen die Vermutung nahe, dass die Gemeinde Aufträge an einen möglichen Verwandten von Sebastian Thaler vergeben hat. Der Gemeinderat wusste offenbar nichts davon.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: