Rosmarie Reiche hat in ihrem Job viel erlebt – und viele Leute getroffen, darunter auch einige Prominente. Sogar der oberste Chef, Ikea-Gründer Ingvar Kamprad, stand schon bei ihr an der Kasse. Auch wenn ihr das damals gar nicht bewusst war. Zum 50-jährigen Bestehen von Ikea in Eching blickt Rosmarie Reiche für die SZ auf ihre Karriere in dem schwedischen Möbelhaus zurück.
Sie fing 1986 an, dort an der Kasse zu arbeiten. Für die heute 76-Jährige waren die Arbeitszeiten optimal: „Eine Woche Arbeit, eine Woche zu Hause“, erzählt sie, das habe sich gut vereinbaren lassen mit ihren zwei Kindern. Ganze 25 Jahre lang war sie Kassiererin des ersten Ikea in Deutschland. Dafür wurde sie ausgezeichnet, für ihre Treue und Ausdauer im Betrieb. Sie erlebte den ständigen Kundenstrom, „viele haben den Stress nicht ausgehalten“, weiß Reiche. Sie habe immer ein minimales Manko gehabt, blickt sie stolz zurück.
Ihre Erinnerungen spiegeln nicht nur die Entwicklung des Hauses wider, sondern auch die Atmosphäre und den Geist der frühen Jahre. Ein besonderes Erlebnis prägte ihren Start bei Ikea. „Als ich angefangen habe, war unheimlich viel los“, erinnert sie sich. Eines Abends, kurz vor Feierabend, saß sie noch an der Kasse, als ein älterer Herr ohne Ware auf sie zukam. „Er wollte einfach nur mit mir reden, aber ich dachte mir die ganze Zeit: ‚Wo ist seine Ware?‘“, erzählt Rosmarie Reiche lachend. Erst ein wenig später erfuhr sie, dass es sich um Ikea-Gründer Ingvar Kamprad gehandelt habe. „Er sagte, ich hätte den Test bestanden, weil ich trotz der späten Stunde freundlich geblieben bin“, erzählt sie.
Kamprad erinnerte sich auch Jahre später immer an ihren Namen und begrüßte sie bei jedem Besuch mit einem „Grüß dich, Rosmarie!“ Neben Kamprad begegnete Reiche auch anderen prominenten Kunden, darunter der Schauspielerin Senta Berger. Auch die Kessler-Zwillinge und Brigitte Bardot gingen bei Ikea in Eching ein und aus. Für Rosmarie Reiche waren solche Begegnungen etwas Besonderes.

„Früher war es ein Highlight, zu Ikea zu gehen. Die Leute haben es mehr wertgeschätzt“, erzählt sie über die frühen Tage des Einrichtungshauses in den 1980er- und 1990er-Jahren. Damals war ein Besuch bei Ikea nicht nur ein Einkauf, sondern ein Erlebnis, „es war einfach was Neues, was die Leute noch nicht kannten, es war in“, weiß die 76-Jährige. Heute hat sich die Wahrnehmung gewandelt. Der Druck und die Hektik des Alltags lassen kaum Raum für das entspannte Stöbern, das früher so geschätzt wurde. Viele Kundinnen und Kunden kommen nur noch schnell vorbei, wodurch die Begeisterung für das Einkaufserlebnis verloren gegangen ist.
Außerdem gibt es heute viel mehr Konkurrenz. Die vielen Angebote in anderen Möbelhäusern machen den damaligen Charme von Ikea weniger besonders. Der Besuch, der früher ein aufregendes Erlebnis war, ist für viele heute nur noch ein weiterer Punkt auf der Einkaufsliste.
„Die Teamarbeit war einfach fantastisch“, sagt Rosmarie Reiche
Reiche ging vor 18 Jahren in den Ruhestand, aber die Erinnerungen an ihre Zeit bei dem Einrichtungskonzern sind noch lebendig. „Ich habe viele Menschen kennengelernt, und es war immer locker – egal ob mit Lagerarbeitern oder mit anderen Abteilungen“, blickt sie zurück. „Die Teamarbeit war einfach fantastisch“, sagt sie, „es hat alles wunderbar funktioniert, Einer hat dem anderen geholfen.“ Damals feierten die Mitarbeiter noch Geburtstage zusammen, man traf sich privat und bis heute hält Reiche Kontakt zu ehemaligen Kolleginnen und Kollegen.
Es gibt sogar eine Rentnergruppe ehemaliger Ikea-Mitarbeiter, die sich dank eines von Kamprad gegründeten Rentnerfonds’ regelmäßig zu Ausflügen trifft. Reiche schätzt besonders die positiven Erfahrungen und die bleibenden Freundschaften, die sie bei Ikea gemacht hat. „Kleine Begegnungen vergisst man nicht“, sagt sie mit einem Lächeln.