Eching:Gemeinderat geht juristisch gegen Bürgermeister Thaler vor

Eching: Der Echinger Bürgermeister Sebastian Thaler in seinem Büro.

Der Echinger Bürgermeister Sebastian Thaler in seinem Büro.

(Foto: Marco Einfeldt)

Eine Anwaltskanzlei soll damit beauftragt werden, die vermuteten Rechtsansprüche durchzusetzen. Auch die ehemaligen Gemeinde-Anwälte sollen wegen möglicher Falschberatung verklagt werden. "Es ist die Pflicht des Gemeinderates, zu reagieren", sagt Chefermittler Leon Eckert.

Von Klaus Bachhuber, Eching

Der Gemeinderat Eching geht nun juristisch gegen den eigenen Bürgermeister vor. Einmütig quer durch alle Fraktionen hat der Gemeinderat am Montag in einer Sondersitzung beschlossen, eine Anwaltskanzlei zu beauftragen, um die vermuteten Rechtsansprüche durchzusetzen. Auch die ehemaligen Gemeinde-Anwälte sollen wegen möglicher Falschberatung verklagt werden.

Dritter Bürgermeister Leon Eckert (Grüne), der im Auftrag des Gremiums die Untersuchungen in dem Vorgang führt, empfahl die Einleitung der Verfahren, weil es "wichtig ist, dass die Verantwortung für Fehler geklärt wird". Zudem sehe er die Chance, "ausgegebenes Geld für die Gemeinde zurückzuholen", daher sei es "die Pflicht des Gemeinderates, zu reagieren".

Nicht dementierte Informationen

Die Gemeinde hatte in einem Rechtsstreit von Bürgermeister Sebastian Thaler um eine Auseinandersetzung am Echinger See 2018 nach nicht dementierten Informationen der SZ in Summe über 72 000 Euro für Anwälte, Verfahrenskosten und Schadenersatz ausgegeben. Zunächst hatte Thaler die Ausgaben in eigener Verantwortung gezeichnet, nach Irritationen im Gemeinderat dann mit einem Beschluss die Zahlungen genehmigen lassen.

Nachdem die Staatsanwaltschaft in dem Kontext Ermittlungen gegen Thaler wegen Untreue eingeleitet hatte, hob der Gemeinderat die damaligen Beschlüsse auf. Nun sollen Anwälte die Ausgaben einerseits von Thaler zurückfordern, weil der nach Einschätzung Eckerts den obligaten Eigenanteil bei derartigen Verfahren ignoriert habe.

Strafanzeige gegen Anwaltskanzlei wegen Parteienverrat

Parallel soll aber auch gegen die damaligen Anwälte vorgegangen werden, weil die in der Materie die Gemeinde fehlerhaft beraten hätten. Es läuft bereits eine Strafanzeige gegen die Anwaltskanzlei wegen Parteienverrats, zu der die Staatsanwaltschaft auch die Ermittlungen aufgenommen hat.

Als Reaktion darauf hat aktuell ein ehemaliger Sozius der Kanzlei die Gemeinde wiederum mit einer sogenannten negativen Feststellungsklage belegt, mit der er erreichen will, dass er für etwaige Ansprüche der Gemeinde nicht haftbar sei. Auch gegen diese Klage will sich die Gemeinde verteidigen.

"Das Verhalten von Bürgermeister und Anwälten ist nicht ordentlich."

Die neuerliche Sondersitzung war notwendig geworden, weil der Gemeinderat bislang nur die Einschaltung eines Anwalts zu den Honorarsätzen gemäß formaler Vergütungstabelle beauftragt hatte, für die auch der Rechtsschutz der Gemeinde greift. Eckert teilte jedoch mit, dass sich in dem speziellen Verfahren auf dieser Basis niemand bereit erklärt habe. Für erhöhte Zahlungen springt die Rechtsschutzversicherung nicht ein. Eckert betonte, er "vermute einen Anspruch gegenüber dem Bürgermeister und den Anwälten". Allerdings gebe es "noch viele Variablen, die wir nicht kennen". Weder Thaler noch die Kanzlei hätten sich an der Aufklärung des Vorgangs beteiligt, bedauerte er: "Das Verhalten von Bürgermeister und Anwälten ist nicht ordentlich."

Ungeachtet des Prozess- und Kostenrisikos beschloss der Gemeinderat mit 15:1 Stimmen von CSU, SPD, Grünen, FW, Bürger für Eching und FDP, die Verfahren zu starten. Dagegen votierte Axel Reiß (Grüne). Er argumentierte, dass der Gemeinderat beim Versuch, die damaligen Fehler zu ahnden, nun wieder die gleichen mache. Man werfe Thaler vor, den Rechtsstreit nach den ersten Signalen auf Aussichtslosigkeit nicht beendet zu haben. Der Gemeinderat begebe sich nun auf den gleichen Weg, indem er weiter den Einsatz erhöhe, bei ungewissem Ausgang. "Die damalige Riesensumme ist auch nur stückerlweise entstanden", sagte er, "und so machen wir es jetzt wieder."

Nachträgliche Rüge von Georg Bartl

CSU-Sprecher Georg Bartl nutzte den Beschluss für eine nachträgliche Rüge. Die Ausgaben "hätten schon im April 2020 gestoppt werden können", kritisierte er die Kollegen, als die von Thaler angeordneten Auszahlungen aufgefallen waren. Damals seien die Ausgaben "noch im Rahmen" gewesen. Die Staatsanwaltschaft habe damals bereits Anklagen von Thaler abgewiesen, wonach er das Opfer der Auseinandersetzung gewesen sei. Und die Behörde habe auch ihre Einschätzung vermittelt, dass Thaler bei dem Streit nicht im Amt als Bürgermeister gehandelt habe.

Dass der Gemeinderat dann auch nach der klaren Niederlage Thalers vor dem Landgericht die Kosten einer - später wegen attestierter Aussichtslosigkeit zurückgezogenen - Revision gebilligt habe, sei "unverzeihlich".

Fürsorgepflicht für einen Angestellten

SPD-Sprecher Herbert Hahner hielt dagegen, dass der Beschluss, mit dem Bürgermeister einen Angestellten der Gemeinde zu schützen, "zunächst vernünftig" gewesen sei. Die Situation sei "damals nicht so klar gewesen, dass man das stoppen hätte müssen". Er halte die Fürsorgepflicht für einen Angestellten unvermindert für ein sehr hohes Gut. Und diese Auffassung habe das damalige Rechtsgutachten als Beschlussgrundlage "auch bestätigt".

Zur SZ-Startseite

Kommentar
:Mehr Zerrüttung geht nicht

Wenn der Gemeinderat (nahezu) geschlossen mit anwaltschaftlichem Beistand gegen den eigenen Bürgermeister vorgeht, dann ist der Gemeinsinn, der zu den Wurzeln des Verständnisses einer Gemeinde gehört, restlos dahin.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: