Süddeutsche Zeitung

Radikale Korrektur:Eching verkauft keinen Gemeindegrund mehr

Gegen die Stimmen von CSU und FW korrigiert die Gemeinde ihre Bodenpolitik. Grundstücke in Wohnbaugebieten werden nur noch in Erbpacht vergeben und somit der Spekulation dauerhaft entzogen.

Von Klaus Bachhuber, Eching

Eine radikale Korrektur ihrer Bodenpolitik hat die Gemeinde Eching vorgenommen. Künftig soll kein Quadratmeter Gemeindegrund mehr für vergünstigte Wohnbaumodelle verkauft werden, sondern nur noch in Erbpacht vergeben. Nach mehreren Stunden intensiver Debatten in mittlerweile der dritten Sitzung haben SPD, Grüne, "Bürger für Eching" und "Echinger Mitte" diesen neuen Grundsatz gegen CSU, FW und FDP mit 14:11 Stimmen durchgesetzt.

Besonders umstritten war, dass diese Regel auch schon für das nächste anstehende Neubaugebiet Eching-West gelten soll. Dort hatte der Gemeinderat noch im Februar beschlossen, 14 der 28 Parzellen im Wohnbaumodell zu verkaufen und 14 auf Erbpacht zu vergeben. Bei der Abfassung des Wohnbaumodells 2018 war stets von einem teilweisen Verkauf ausgegangen worden. "Nachdem man jahrelang diese Praxis verfolgt hat, sollte man sie zumindest auslaufen lassen und nicht von heute auf morgen verwerfen", rügte deshalb Christoph Gürtner (FW).

Bürgermeister Sebastian Thaler und die Befürworter der Neuerung nannten für diese zwei zentrale Argumente: Die Grundstücke blieben im Eigentum der Gemeinde und seien so der Bodenspekulation dauerhaft entzogen und der Erlös an Erbpacht fließe jährlich als laufende Mittel ins Rathaus, während ein Verkaufserlös nur einmal verbraucht werden könne.

Ziel einer Baulandvergabe:langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen

Thaler erinnerte an die bis zum Sommer letzten vergünstigten Baulandvergaben in der Gemeinde 2008 und 2010 in Dietersheim Nord-West und an der Lustheimer Straße zu Quadratmeterpreisen von 310 bis 420 Euro. Dort sei die Bindungsfrist ausgelaufen, die von der Gemeinde mit Steuermitteln verbilligten Grundstücke könnten nun frei am Markt gehandelt werden. "Diese Wertzuwächse sind an der Allgemeinheit vorbeigegangen", sagte er. Ziel einer Baulandvergabe müsse aber sein, "langfristig bezahlbaren Wohnraum" zu schaffen und das sei "nur im Erbbaurecht rechtlich sicher möglich". Er sehe die Bodenpolitik einer Gemeinde als "Gegenpol" zum Marktgeschehen: "Würden das mehr Kommunen so machen, wären die Preise nicht so explodiert." Nachdem Eching diese Systematik in den 70er Jahren als ein Pionier begonnen hatte, sei auch hier "die Bodenpolitik in den letzten Jahren nicht sehr vorausschauend" gewesen, sagte er, "jetzt wollen wir mal damit anfangen."

CSU und FW verwahrten sich gegen die ausschließliche Festlegung auf Erbpacht. "Es kann nicht sein, dass wir uns total aus dem Verkauf verabschieden", monierte CSU-Sprecher Georg Bartl. Die Gemeinde brauche "dringend die Einnahmen, schon für die Infrastruktur der Neubaugebiete". Bis die Erbpacht einen möglichen Verkaufserlös erreiche, würden über 60 Jahre vergehen, rechnete er vor. Auch FW-Sprecher Gürtner nannte die Kalkulationen verfehlt. Ohne Verkaufserlöse müsse die Infrastruktur über Schulden finanziert werden, deren Tilgung die Pachterlöse locker auffresse. Thaler versicherte, die Baugebiete ohne Schulden hinzubekommen. Gürtner stellte auch den makroökonomischen Effekt in Frage. Wenn die Gemeinde ihre Grundstücke nicht auf den Markt werfe, entstehe noch größerer Mangel und folglich Preissteigerungen, so seine Sicht. Zudem erfordere die Pachtverwaltung langfristig bedeutenden Verwaltungsaufwand.

Man könne über die Relation zwischen Verkauf und Pacht jederzeit und für jedes Baugebiet neu verhandeln, so der Kompromissvorschlag der FW, nur eine komplett einseitige Festlegung sei unbefriedigend. "Eine Mischung wär doch toll", sagte Otmar Dallinger (FW), "dann kann der Bürger selbst entscheiden". CSU und FW beriefen sich in ihrer Argumentation immer wieder darauf, dass es vielfacher Wunsch in der Bevölkerung sei, über das Modell Wohneigentum zu erwerben.

Den Handlungsspielraum langfristig erhalten

"Die individuelle Ansicht ist hier anders als das Allgemeininteresse", sagte Lena Haußmann (Grüne). Dem sei der Gemeinderat aber verpflichtet. Siglinde Lebich (Grüne) fragte, "ob es auch der Bürgerwille der 14 980 weiteren Echinger ist, dass durch das Modell 20 begünstigt werden". Für das Wohnbaumodell könne man sich mit 120 000 Euro Familieneinkommen bewerben, erinnerte Leon Eckert (Grüne): "Damit verdient man nicht ganz schlecht und diesen Personenkreis fördern wir dann mit der größten Summe, die die Gemeinde überhaupt ausgibt."

Zudem seien "die Ressourcen endlich", mahnte er, "im Erbbaurecht können wir uns unseren Handlungsspielraum langfristig erhalten". Ein Erbe an kommende Generationen, "dass wir alles zubauen, ist genauso eine Belastung, die wir hinterlassen, wie Schulden", sagte Eckert. Der Gemeinderat sei "nicht hier, um private Kapitalanlagen zu fördern", betonte Bertram Böhm (Echinger Mitte). Es sei "keine dauerhafte gesellschaftliche Gestaltung, die Grundstücke nach ein paar Jahren auf den freien Mark zu geben".

SPD-Sprecher Carsten Seiffert bündelte das neue Modell als "beste Variante für unseren Haushalt, beste Lösung, um Grundstücksspekulation zu begegnen, und bestes Angebot für Bauwerber zur Finanzierung ihrer Grundstücke". Beim Verkauf der Parzellen im ersten Neubaugebiet heuer an der Böhmerwaldstraße habe man gesehen, wie schwierig die Finanzierung trotz der Vergünstigungen immer noch sei, erinnerte Stefanie Malenke (SPD). "Daraus haben wir gelernt", begründete sie die Abkehr vom Verkauf schon für Eching-West, "und in der Erbpacht haben wir eine wunderbare Möglichkeit gesehen".

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