Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:"Wir brauchen mehr Solarenergie"

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Überall im Landkreis entstehen neue Photovoltaikanlagen auf Dächern und Feldern, in den beiden vergangenen Jahren hat sich dieser Trend weiter beschleunigt. Doch das reicht noch nicht, sagt Energiebeauftragter Moritz Strey, um bis 2035 die Energiewende zu schaffen.

Von Gudrun Regelein, Freising

In der jüngsten Gemeinderatssitzung in Rudelzhausen ist es wieder einmal um die im Gemeindegebiet geplanten Solarparks gegangen. Etwa zwölf Hektar werden diese umfassen, auf 38 Hektar sind bereits Photovoltaik-Freiflächenanlagen installiert und in Betrieb, berichtet Bürgermeister Michael Krumbucher. In der heutigen Zeit sei das eine alternative Möglichkeit, Strom zu erzeugen, sagt er auf die Frage, wie er zu den Solarparks stehe. "Und von irgendwoher muss der Strom ja kommen." Rudelzhausen ist nicht die einzige Gemeinde, die sich mit diesem Thema beschäftigt, in Langenbach beispielsweise wurde in der Ratssitzung an diesem Dienstag über die Richtlinien für die Zulassung von PV-Freiflächenanlagen entschieden.

Der Ausbau der PV-Anlagen wird sich in den kommenden Jahren in Bayern fortsetzen. Geht es nach dem Aktionsprogramm "Energie" der Staatsregierung von 2019 sollen bis Ende 2022 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 3200 Megawatt errichtet werden. "Die Solarenergie wird der größte Treiber in der Energiewende sein", sagt Moritz Strey, Energiebeauftragter im Landratsamt. Die Wasserkraft sei ausgereizt, die Windkraft politisch nicht gewollt.

Bereits jetzt seien im Landkreis Tausende PV-Anlagen installiert. "Man findet sie in jeder Gemeinde, sie sind landkreisweit verteilt - als Freiflächen- und als Dachanlagen", berichtet Strey. Dennoch werde man das im Energiewendebeschluss gesteckte Ziel, bis 2035 unabhängig von fossilen Energieträgern zu sein, bei den aktuellen Rahmenbedingungen eher nicht schaffen.

In den vergangenen zwei Jahren habe sich der Trend hin zur Solarenergie wieder beschleunigt. Inzwischen seien auch die Module deutlich leistungsfähiger geworden, berichtet Strey. Dadurch habe sich die für die Anlagen benötigte Fläche stark verringert: Waren bei den Dach-PV-Anlagen im Jahr 2010 noch 7,5 Quadratmeter für ein Kilowatt-Peak notwendig, so seien es inzwischen nur noch 4,5 Quadratmeter. Pro Kilowatt-Peak können jährlich etwa 1000 Kilowatt-Stunden erzeugt werden.

Landkreisweit 100 Hektar

Bei den Freiflächen sei das komplizierter zu bestimmen, sagt Strey. Bei diesen könne die Aufstellung der Module und deren Abstand stark variieren. "Aber man kann sagen, dass pro Hektar Freifläche etwa eine Million Kilowatt-Stunden erzeugt werden. 330 Durchschnittshaushalte - mit 2,6 Personen - können damit für ein Jahr versorgt werden", sagt der Energieberater. Bislang werden landkreisweit insgesamt etwa 100 Hektar, davon viel auf Dachflächen, für die Gewinnung von Solarenergie genutzt - zu zwei Dritteln geschehe dies im Sommerhalbjahr.

Die Stromerzeugung durch Photovoltaik-Anlagen dürfte derzeit bei etwa 20 Prozent liegen, sagt Strey. Das sei nicht genug: "Wir haben zu wenig Solarenergie, wir brauchen mehr." Nicht nur wegen der Energiewende, betont er. Solarenergie sei noch aus ganz anderen Gründen wichtig - wegen der Natur beispielsweise, der lokalen Wirtschaft und um unabhängig von Energie exportierenden Ländern zu sein.

65 neue Solaranlagen

Die Freisinger Stadtwerke haben in diesem Jahr bislang 65 neue Solaranlagen an ihr Stromnetz angeschlossen. Insgesamt gehe der Trend hin zu etwas größeren Anlagen und zum eigenen Speicher, berichtet Pressesprecherin Nina Reitz. "Kurz gesagt: Immer mehr Anlagenbesitzer verwenden den selbst erzeugten Strom selbst." Im seit 2021 gültigen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werden nun auch Hausbesitzer mit größeren Solaranlagen für den Eigenverbrauch von der EEG-Umlage befreit. Die anteilige EEG-Umlage auf den selbst verbrauchten PV-Strom muss erst ab 30 Kilowatt Anlagenleistung gezahlt werden. Das könnte den Trend erklären, sagt Reitz.

Die Freisinger Stadtwerke selbst haben in diesem Jahr bislang zwei neue PV-Anlagen fertiggestellt, weitere sollen folgen. "Insgesamt verfügen wir jetzt über zwölf Anlagen mit einer Spitzenleistung von zusammen 1,1 Megawatt", berichtet Reitz. Damit könnten rechnerisch 550 Zwei-Personen-Haushalte ein Jahr lang versorgt werden.

Solarmodule als Lärmschutz

Die erste PV-Anlage im Landkreis wurde bereits 2002 in Betrieb genommen, damals als Bürgerbeteiligungsmodell. An dem 870 000 Euro teuren Projekt beteiligen sich 43 Gesellschafter, alles Privatpersonen aus Freising und der Region. Entlang der A 92 wurden auf einem schrägen Betonsockel, der als Lärmschutz diente, Module montiert. 2003 wurde dann ein technisches Pilotprojekt realisiert: Erstmals dienten die Module selbst als Lärmschutz für die Autobahn. In den folgenden Jahren wurden nach und nach die anderen Anlagen installiert, alle befinden sich im Stadtgebiet und wurden auf Dächern errichtet, berichtet Reitz

Solarflächenfreianlage Pulling

Aber auch auf der Freifläche könnte eine Anlage entstehen: Die "Solarfreiflächenanlage Pulling" mit einer Fläche von etwa 80 000 Quadratmeter und einer Jahresleistung von 4000 Megawatt-Stunden erhielt zumindest vom Planungsausschuss der Stadt bereits grünes Licht. "Das ist aber noch lange nicht spruchreif", sagt Reitz. Die Fläche befinde sich in einem Landschaftsschutzgebiet, noch sei unklar, ob das Projekt überhaupt genehmigungsfähig sei. Solange sich keine geeigneten Freiflächen finden, wollen die Freisinger Stadtwerke auf Dach-PV-Anlagen, die ja auf bereits versiegelten Flächen installiert werden, setzen, berichtet Reitz.

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SZ vom 28.10.2021
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