Corona-Krise im Landkreis Freising:Dunkelrot

Corona-Krise im Landkreis Freising: In künftig nur noch vier Gemeinden im Landkreis Freising ist ab Sonntag, 15. November, ein Mund-Nasen-Schutz an zentralen Orten notwendig; zudem gilt ein Alkoholverbot zwischen 22 und 6 Uhr.

In künftig nur noch vier Gemeinden im Landkreis Freising ist ab Sonntag, 15. November, ein Mund-Nasen-Schutz an zentralen Orten notwendig; zudem gilt ein Alkoholverbot zwischen 22 und 6 Uhr.

(Foto: Marco Einfeldt)

Weil der Inzidenzwert jetzt bei 108,1 liegt, gelten zusätzliche Einschränkungen. Während Landrat Helmut Petz an die Verantwortung jedes Einzelnen appelliert, verhängt die Polizei die ersten Bußgelder.

Von Corinna Bail, Gudrun Regelein, Petra Schnirch, Nadja Tausche und Sara Livadas, Freising

Im Landkreis Freising liegt der Inzidenzwert bei 108,1, damit wechselt der Landkreis auf die dunkelrote Liste des Gesundheitsministeriums, was von Donnerstag an weitere Einschränkungen zur Folge hat wie eine Sperrstunde um 21 Uhr, die Maskenpflicht in Schulen und auf belebten Plätzen bleibt. Auch private Kontakte sind weiterhin beschränkt, treffen sollen sich maximal fünf Personen oder zwei Haushalte. 1701 Personen sind seit Ende Februar positiv auf das Coronavirus getestet worden, 17 mehr als noch am Montag. Die Freisinger SZ hat Stimmen gesammelt.

Der Landrat

Die aktuelle Entwicklung verfolgt Landrat Helmut Petz mit Sorge. "Die Zahlen sprechen für sich", sagt er, allein über das Wochenende habe es im Landkreis mehr als 100 Neuinfektionen gegeben. "Wir müssen es schaffen, dass die Steigung wieder abflacht." Andernfalls wäre es nicht mehr möglich, die Infektionsketten nachzuverfolgen. 100 neue Coronafälle - das bedeute, dass das Team im Gesundheitsamt mehr als 1000 Kontakten nachgehen müsse, bei 200 wären es schon 2000. Das werde dann nicht mehr funktionieren, befürchtet Petz. "Irgendwann ist einfach Schluss."

Die einzige Chance, drastische Einschränkungen zu verhindern, sieht er darin, dass die Menschen sich vernünftig verhalten, gerade auch im privaten Bereich. Denn im Landkreis gebe es keine Corona-Hotspots. Im Koordinationsteam gehe man davon aus, dass viele sich im privaten Umfeld angesteckt haben. Der Landkreis will deshalb eine Kampagne starten, wie Petz ankündigt, die an die Eigenverantwortung jedes einzelnen appelliere. Und die Kreisbehörde will selbst Vorbild sein: Derzeit finden keine Präsenzveranstaltungen mehr statt, der Schulausschuss ist abgesagt. An die Gemeinden appelliert Petz, auf alle Versammlungen, die nicht unbedingt notwendig sind, zu verzichten.

Trotz der steigenden Corona-Zahlen hält der Landkreis an einem Präsenzunterricht vorerst fest. In dieser Woche werde man nichts ändern, schildert Petz, das wäre ein zu großer Aufwand, in der kommenden Woche sind ohnehin Herbstferien. An einer Sache aber könne er nicht rütteln: an der Maskenpflicht auch für Grundschüler. Er habe Hunderte E-Mails von Eltern bekommen, aber diese Maßnahme sei von der Staatsregierung angeordnet worden.

Der Landkreis werde versuchen, nicht jeden Tag neue Regelungen zu erlassen, verspricht der Landrat. Außerdem bemühe man sich um verständliche und verhältnismäßige Regelungen. Das Team, das im Gesundheitsamt die Nachverfolgungen übernimmt, wird laut Petz weiter ausgebaut. 45 Helfer seien aber das Maximum. Dazu gehörten Bundeswehrsoldaten, weiteres Personal sei von der Regierung angefordert, auch die Kommunen habe er um Unterstützung gebeten. Er sehe, dass es eine "unglaubliche Pandemie-Müdigkeit" gebe, sagt Petz. Das sei verständlich. Er gibt aber zu bedenken: Mit einer Rückkehr zum "normalen Leben" riskiere man sehr viel drastischere Einschränkungen.

Die Polizei

Im Großen und Ganzen halten sich die Freisinger an die coronabedingten Auflagen, wie der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Freising, Michael Ertl, berichtet. Ausnahmen gebe es aber durchaus, vor allem bei der Maskenpflicht: "Im Stadtbereich haben es die Leute noch nicht ganz verinnerlicht", so Ertl. Auffällig sei das vor allem in der Innenstadt und im Steinpark.

In der vergangenen Woche kam es bei rund 650 Kontrollen auf öffentlichen Plätzen zu über 240 Verstößen gegen die Maskenpflicht, wie Zahlen der Freisinger Polizei zeigen. Wer gar keine Maske trägt, muss dabei mit einem Bußgeld von 250 Euro rechnen - das war aber nur 19 Mal der Fall. Die 55 Euro teure Verwarnung, wenn man etwa die Maske nicht über Mund und Nase trägt, gab es für 16 Passanten. Dass bisher nur so wenige Menschen zahlen mussten, liegt Ertl zufolge daran, dass die Polizei zu Beginn noch keine Strafen verhängt hat: Viele Passanten hätten einfach noch nichts von der neu eingeführten Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen gewusst. Im öffentlichen Nahverkehr kam es derweil zu deutlich weniger Verstößen.

Die Sperrstunde kontrolliert die Polizei bei ihren Streifen. "Die meisten halten sich daran", berichtet Ertl. Es gebe aber auch einzelne Gastronomen, bei denen man mit mehr Nachdruck auf die Regelung hinweisen müsse. Ähnlich ist es beim Alkoholverbot: Derzeit darf ab 21 Uhr auch an Tankstellen kein Alkohol mehr verkauft werden, danach darf er auf öffentlichen Plätzen auch nicht konsumiert werden. Vereinzelt gebe es Verstöße, so Ertl, "aber das ist in der Regel nicht das große Problem".

Die Kultur

Ein zweiter Lockdown könnte der Todesstoß für viele Kulturschaffende sein, befürchtet Freisings Kulturreferentin Susanne Günther. "Wir würden dann natürlich noch alles, was möglich ist, über die Bühne bringen und mehr streamen", sagt sie. Aber auch das würde für alle Veranstalter ein Riesen-Desaster bedeuten - vor allem natürlich für diejenigen, die nicht subventioniert werden. Für diese könne man nur hoffen, dass noch Hilfen kommen, sagt Günther. An diesem Dienstag wurde im Landtag über eine Art bedingungsloses Grundeinkommen für freischaffende Künstler beraten, diese finanzielle Hilfe hält die Kulturreferentin für unabdingbar.

Sie kenne immer mehr Kulturschaffende, die inzwischen Hartz IV beantragen müssten, berichtet sie. In zwei Anträgen hat die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat bereits gefordert, den Kulturschaffenden, die sich wegen der Corona-Pandemie in existenziellen Krisen befinden, mehr Gehör zu verschaffen. Man müsse ihnen ein Forum geben, in dem sie ihre Sorgen und Nöte darstellen und gemeinsam mit der Stadt kreative Ideen entwickeln können, um das kulturelle Leben aufrecht zu erhalten. Für die ehrenamtlichen Musiker müssten Proberäume zur Verfügung gestellt werden, um die vorgeschriebenen Abstände wahren zu können. Sonst gebe es während des Winters für Chöre, Orchester und Bands keine Möglichkeit, gemeinsam zu musizieren. "Kultur ist aber gesellschaftsrelevant", sagt Günther. "Wir brauchen auch etwas für die Seele."

Die Schulen

Schulen würden bei einem zweiten Lockdown als letztes zugesperrt und als erstes wieder aufgemacht werden, sagt Andrea Bliese, Leiterin des Freisinger Camerloher-Gymnasiums. "Zumindest hat das gerade der bayerische Ministerpräsident so gesagt." Jeder Landkreis könne aber eigenständig bestimmen, ob und ab wann die Teilungsregelung angewendet wird. In der vergangenen Woche, als die Infektionszahlen im Landkreis hochschnellten, entschied sich das Freisinger Landratsamt für Präsenzunterricht und gegen eine Teilung.

"Wohl ist mir dabei nicht wirklich", sagt Bliese. Denn jeden Tag würden sich in der Schule 1000 Menschen auf engstem Raum treffen. Der notwendige Sicherheitsabstand von 1,5 Metern sei so nicht möglich, das würde nur bei einer Teilung der Klassen gehen. "Wir lavieren uns momentan irgendwie durch", meint die Schulleiterin. Der Wunsch aller sei zwar, normal Schule zu machen. Mit Blick auf die Infektionszahlen aber finde sie das beunruhigend. Ein Wechselunterricht dagegen bedeute gerade für die Lehrer eine hohe Belastung. Was sich Andrea Bliese in dieser Situation wünscht, sind klare Regeln von der Staatsregierung. "Das würde uns zumindest eine Planungssicherheit geben."

Die Bürgerinnen und Bürger

Eine Passantin sagt bei einer kurzen Umfrage in der Freisinger Innenstadt, sie mache sich nicht um sich Sorgen, da sie die Wahrscheinlichkeit, als junger Mensch einen schweren Verlauf der Viruskrankheit zu erleben, als gering einschätze. Dennoch seien die Maßnahmen wichtig und richtig, um Risikogruppen in der Gesellschaft zu schützen. Sie habe Angst, dass sich ihre zweijährige Tochter in der Kindertagesstätte infiziert, "wenn die da mit den anderen Kindern rumwuselt. Wir müssen uns jetzt alle an die Regeln halten, damit wir nach dem Endspurt im langen Winter eine echte Perspektive gegen Corona haben."

Eine Oberstufenschülerin äußert Unverständnis über die verschiedenen Regelungen. Ihr sei nicht begreiflich, warum in der Fußgängerzone die Maskenpflicht gelte, in den Schulklassen jedoch nicht. Dies sei auch ein Grund, weshalb sie und ihr Schulkamerad noch nicht realisieren könnten, wie ernst die Lage wirklich ist. "Im Frühjahr fand ich die Lage schlimmer", sagt der Schüler. Manche mögen das Reduzieren der sozialen Kontakte gar nicht mal negativ bewerten: Eine Frau sagt, dass sie die Abschottung ins Private sogar als positiv erachte. "Ich finde es gut, wenn man jetzt Zeit hat, über das Leben nachzudenken und sich auf das Wesentliche beschränkt." Ein Passant, der seine Mittagspause vom Home-Office in der Altstadt verbringt, empfindet die Maßnahmen als sinnvoll, wünscht sich aber strengere Kontrollen. "Im Winter geht man zwar weniger raus. Wenn die Maskenpflicht aber nicht konsequent überwacht wird, lässt die Motivation bei den Leuten nach."

Eine junge Zahnarzthelferin in der Innenstadt, erachtet die Maßnahmen für sinnvoll, aber für sie selbst stellen die Masken nicht nur im Alltag, sondern auch während der Arbeit ab und zu einen Störfaktor dar, gerade wenn Stress so zu Atemproblemen führt, wie sie sagt. "Sie hätten die Maskenpflicht einfach von Anfang an so machen müssen und es bis zum Ende durchziehen sollen, sodass gar keine zweite Welle gekommen wäre", denkt die junge Frau.

Ein weiterer Freisinger äußert sich besorgt, dass die Fallzahlen bereits Anfang des Herbstes so angestiegen sind und fragt sich, was für eine Aussicht das wohl für den Rest des Winters bedeutet. Dankbar ist er, falls es zu einem zweiten Lockdown kommen sollte, vor allem über die digitalen Möglichkeiten, trotzdem Kontakt zu halten.

Eine Mutter von zwei Kindern berichtet, dass sie mittlerweile nicht mehr so beunruhigt sei, wie im März, als Covid-19 zum ersten Mal aufgetaucht sei. "Ich habe keine direkte Angst vor Corona, wir werden damit leben müssen. Und es trifft einen nicht mehr so überraschend, wie damals im März", sagt sie. Als bedenklich empfindet sie nur die Möglichkeit einer erneuten Schulschließung. "Wir Eltern sind einfach keine Lehrer", kommentiert sie und hofft im Notfall auf einen "Lockdown light".

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