Dritte Startbahn:Interesse an Bürgerentscheid steigt

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66 000 Münchner haben Briefwahlunterlagen beantragt - Ausbaugegner wollen Berglern lahmlegen

Marco Völklein

Seit Wochen treibt Befürworter wie Gegner des Flughafenausbaus eine Sorge um: Dass beim Bürgerentscheid am 17. Juni nicht genügend Münchner zur Abstimmung gehen. Doch diese Sorge dürfte kleiner werden: Denn gemessen am Interesse an den Briefwahlunterlagen bewegt die Münchner das Thema offenbar doch. Laut Kreisverwaltungsreferat (KVR) haben bereits über 66 000 Bürger Briefwahlunterlagen beantragt. Beim (später abgeblasenen) Transrapid-Entscheid 2008 hatten zu einem ähnlichen Zeitpunkt nur 37 000 Wähler die Unterlagen angefordert; beim Nichtrauchervolksentscheid 2010 waren es 74 000. Das KVR rechnet nach eigenen Angaben mit etwa 100 000 Briefwählern.

Eine hohe Wahlbeteiligung ist wichtig, weil das sogenannte Quorum eine entscheidende Hürde bildet. Demnach ist die Entscheidung nur gültig, wenn zehn Prozent der Stimmberechtigten (das entspricht in etwa 104 000 Münchnern) für das jeweilige Begehren stimmen. Daher fahren beide Seiten nun im Schlussspurt ihre Wahlkampfaktivitäten hoch: So warb am Donnerstag das Befürworter-Bündnis aus SPD, CSU und FDP mit dem Argument, der Bau der dritten Startbahn werde München als Tourismus- und Messestandort stärken. "Eine moderne Infrastruktur ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die positive Entwicklung der Region", erklärte Messe-Chef Klaus Dittrich. Auch die Münchner IG Metall wirbt für das Projekt: Mit dem Ausbau würden sich "mehr und neue Unternehmen hier ansiedeln und die Nachfrage in der Region steigen, was sich auch positiv auf bisher hier angesiedelte Betriebe auswirken wird", sagte Münchens Bezirkschef Horst Lischka.

Die Startbahngegner entgegneten am Freitag, dass es wegen des steigenden Ölpreises "in absehbarer Zeit sowieso keine Billigflüge für 19,90 Euro mehr geben wird", so Christian Hierneis vom Bund Naturschutz. Die Preissteigerungsspirale sei nicht mehr zu stoppen, ergänzte der Ölterminhändler und Buchautor Otto Wiesmann. Die Nachfrage nach Flügen werde daher sinken, was die dritte Startbahn schlicht "überflüssig" mache, sagte Hierneis: "In 30 Jahren wird man zurückschauen und fragen: Warum habt ihr das gemacht?" Der Flughafen entgegnete, man habe in den Bedarfsprognosen einen Anstieg des Ölpreises bis 2025 auf einen Jahresmittelwert von 241 Dollar je Fass berücksichtigt. Derzeit kostet das Fass Nordsee-Öl etwa 100 Dollar.

Das Aktionsbündnis "Aufgemuckt" plant zudem ein Protestcamp im Münchner Hofgarten in den Tagen vor der Abstimmung. Vom 14. bis 16. Juni wollen die Ausbaugegner mit Blick auf die Staatskanzlei im Freien übernachten (siehe Kasten). Geplant ist außerdem, am 11. und 12. Juni, Berufspendler an zahlreichen S-Bahn-Stationen im Münchner Umland anzusprechen und diese zu bitten, sich bei Verwandten, Bekannten und Kollegen, die in München abstimmungsberechtigt sind, für ein Nein zu den Ausbauplänen stark zu machen. Mit Plakaten und Infoflyern wollen die Aufgemuckt-Leute sie auf die Aktion "Meine Münchner Stimme" aufmerksam machen, bei der sich Betroffene aus der Airport-Region via Internet quasi einen "Paten" in der Landeshauptstadt für die Abstimmung am 17. Juni suchen können, der in ihrem Sinne votiert.

Die Bürgerinitiative in Berglern nördlich von Erding plant außerdem am Samstag, 9. Juni, eine weitere Protestaktion. Etwa zwei Stunden lang soll die zentrale Durchgangsstraße, die auch ein wichtiger Zubringer zum Flughafen ist, blockiert werden. Dazu sollen Feuerwehrfahrzeuge die Straßen versperren. Die Aktion sei angemeldet und mit der Polizei abgesprochen und soll zeigen, "wie ernst es uns ist, unsere Heimat zu bewahren", heißt es. Die Bürgerinitiative in Fahrenzhausen hat unterdessen einen neuen Infoflyer erarbeitet, der vor allem "kirchlich orientierte Leute ansprechen soll", sagte Initiator Heinrich Stadlbauer. Zusammen mit Begleitschreiben des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) beziehungsweise des evangelischen Dekans Jochen Hauer aus Freising seien insgesamt 18 000 Flyer an 158 Münchner Pfarreien verschickt worden, so Stadlbauer. (München)

© SZ vom 02.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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