Auf einem Sparbuch, auf dem kein Geld drauf ist, von dem kann man auch nichts abheben. Landrat Helmut Petz (FW) beschrieb während der Kreistagssitzung zum Haushalt des Landkreises Freising dessen Notlage mit einer Metapher. Es wäre im Prinzip einfach gewesen, die finanzielle Schräglage wieder ins Lot zu rücken, ohne lang über einen drastischen Anstieg der Kreisumlage herumreden zu müssen. Ein einfacher Griff in die Rücklagen hätte genügt, wenn man denn wüsste, wie viel Geld überhaupt zur Verfügung steht.
Diese Lücke wiederum resultiert aus der Reihe der fehlenden Jahresabschlüsse seit dem Jahr 2010. Als die Wurzel des Übels sehen einige altgediente Kreisräte die Umstellung des Buchungssystems von der vertrauten Kameralistik auf die ungewohnte Doppik, der kaufmännischen Haushaltsführung.
Beide Vorgehensweisen haben ihre Vor- und Nachteile. „Kerngedanke der Doppik bei deren Einführung war, gerade im Bereich des Anlagevermögens den Ressourcenverbrauch sowie den Bestand der Anlagen besser darstellen zu können, was so in der Kameralistik nicht darstellbar ist“, begründet dies die Pressestelle des Landratsamts auf Nachfrage. Propagiert wurde die Doppik zu Beginn der 2000er-Jahre. Vorreiter in der Einführung war in einem bayerischen Pilotprojekt die Gemeinde Hallbergmoos unter Bürgermeister Klaus Stallmeister.
Kreisrat Johann Stegmair (CSU) war seinerzeit auch Bürgermeister von Hohenkammer. Als solcher hatte er Vorträge zur Doppik im Gemeindetag gehört. „Ich habe das damals schon kritisch gesehen“, sagte er während eines CSU-Pressegesprächs im Vorfeld der Haushaltsberatungen. Trotz gewisser Vorbehalte stimmte der Kreisausschuss unter Landrat Manfred Pointner (FW) im Jahr 2005 für die Einführung der Doppik.
Die Umstellung auf das neue Buchungssystem folgte fünf Jahre später. Der damalige Kämmerer Gerhard Six musste die für Mitte Februar 2010 angesetzte Haushaltsbesprechung ergebnislos abbrechen. Die Kreisräte und Kreisrätinnen fühlten sich nicht in der Lage, das von ihm vorgelegte Zahlenwerk zu interpretieren. Michael Schwaiger (FW), damals Landrat, brach die Haushaltsbesprechung ergebnislos ab und vertagte sie um drei Wochen. In der Zwischenzeit erhielten Kreisrätinnen und Kreisräte einen Crashkurs in Sachen Doppik. Der Haushalt 2010 war verabschiedet.
Tobias Eschenbacher legt den Finger in die Wunde
Komuno, eine digitale Plattform für Kommunalfinanzierung, sieht in der Doppik, der doppelten Haushaltsführung, zahlreiche Vorteile für die Kommune. Abschreibungen und Rückstellungen würden festgehalten, was eine genauere Einschätzung der Vermögensentwicklung zulasse. Entwicklungen im Haushalt würden erkenntlich gemacht, so dass frühzeitig Defizite und problematische Entwicklungen im Haushalt offenbar würden. Die digitale Plattform kommt zu dem Schluss: „Durch die Doppik kann die finanzielle und wirtschaftliche Situation einer Kommune deutlich besser dargestellt werden als in der Kameralistik.“
Die Plattform warnt aber auch vor Nachteilen der Doppik. Um die Abbildung eines Ressourcenverbrauchs tatsächlich zu realisieren, sei ein hoher bürokratischer und verwaltungstechnischer Aufwand notwendig. „Wenn also die Ressourcen zur optimierten Nutzung der Doppik fehlen, können die Vorteile der Doppik nicht in vollem Umfang ausgenutzt werden.“ Das scheint im Landratsamt der Fall gewesen zu sein. Stegmair sagt, es hätte mindestens fünf Steuerfachleute bedurft, um die Arbeit zu leisten. Die waren offenbar nicht da. Six legte 2013 erstmals eine Eröffnungsbilanz vor, die fehlerhaft und deshalb untauglich war.
Die Jahre zogen ins Land. Weder Schwaiger noch sein Nachfolger Josef Hauner (CSU) noch die Kreisräte und Kreisrätinnen forderten Jahresabschlüsse ein. Erst der Freisinger Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher (FSM) hatte den Finger in die Wunde gelegt und die Jahresabschlüsse eingefordert. Grund war der Vorwurf, der Landkreis entschulde sich auf Kosten der Gemeinden. Er fordere aber im Gegenzug die Kommunen auf, Grundstücke zu verkaufen oder freiwillige Leistungen zu streichen, um ihre Schulden zu zahlen.
Der Kommunale Prüfungsverband hatte kein Problem mit dem Schlendrian
Immerhin liegt eine Eröffnungsbilanz vor, auf der sich aufbauen lässt. Personal, das die Jahresabschlüsse erstellen könnte, hat der Landkreis aber immer noch keine. Noch im alten Jahr wurde beschlossen, sie auf Anraten der Regierung von Oberbayern für einen Millionenbetrag extern zu vergeben. Bis 2035 könnte es dauern, bis alle Abrechnungen vorliegen. Fassungslosigkeit löste es allerdings bei Eschenbacher aus, als er in der Kreistagssitzung erfuhr, dass sich die Ausschreibung verzögert habe und immer noch kein Büro beauftragt worden sei. „Wir stehen im Blindflug da, weil wir nicht wissen, was los ist“, sagte er konsterniert.
Petz beruhigte, die Regierung von Oberbayern habe als Aufsichtsbehörde mitgeteilt, dass sie sich für 2025 mit drei Jahresabschlüssen als Ausgangsbasis genügen würde. Der Kommunale Prüfungsverband hatte offenbar all die Jahre keine Probleme mit dem offenbaren Schlendrian. „Das liegt am klugen Kurs aus der Vergangenheit“, begründete dies Petz während der Haushaltssitzung des Kreisausschusses. Unter seinem Vorgänger Hauner hatte sich der Landkreis weitgehend entschuldet und in Jahren des finanziellen Überflusses seine Investitionen praktisch aus der Portokasse bezahlt. Franz Heilmeier (Grüne) hätte gerne eine schriftliche Bestätigung dazu, dass der Regierung drei Jahresabschlüsse reichen.
Eine Rückkehr zur Kameralistik wird es nicht geben
Petz stellt in Aussicht, dass möglicherweise schon im Jahr 2026 Defizite des Landkreises aus den Rückstellungen ausgeglichen werden könnten. „Wir können uns freischwimmen“, verlieh er seinem Optimismus Ausdruck. Eines Kunstgriffes, das Defizit des Klinikums in eine Investition umzudeklarieren, um die Kreisumlage stabil zu halten, bedürfe es dann nicht mehr.
Der Doppik wurde vorhergesagt, dass sie sich in der kommunalen Haushaltsführung durchsetzen werde. Eine Maßgabe des Gemeinde- und Städtetages oder der Europäischen Union sei dem Landratsamt aber nicht bekannt, heißt es auf Nachfrage aus der Pressestelle. Der Freistaat lässt seinen Kommunen freie Hand, ob sie auf die Doppik umsteigen möchten oder nicht. Es gebe keine Pflicht zur Umstellung. Und eines ist auch klar: Eine Rückkehr zur Kameralistik wird es im Landkreis nicht geben.
Komuno, eine digitale Plattform für Kommunalfinanzierung , nennt als Ziel der Doppik, nicht nur einen Überblick über den Cashflow, sondern auch über die Verwendung der Ressourcen und die Entwicklung des Vermögens zu gewinnen. Es könne festgestellt werden, ob sich das Vermögen der Kommune vergrößert oder verringert habe. Ebenso sei ein Überblick über eine etwaige Verschuldung möglich. Im Gegensatz zur Kameralistik würden in der Doppik neben Einnahmen und Ausgaben alle weiteren Vermögenswerte und Schulden aufgeführt. Hierdurch bekäme laut der digitalen Plattform für Kommunalfinanzierung die Kommune einen deutlich besseren Überblick über die finanzielle Situation sowie bessere Planungsmöglichkeiten. Es würden alle Vermögenswerte und Schulden dokumentiert. Alles in allem liefert die Doppik mehr Informationen über den Haushalt einer Kommune und macht diesen transparenter.