Diskussion zu Grundeinkommen:"Nur etwa 20 bis 30 Prozent der Menschen machen eine Arbeit, die sie erfüllt"

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Das bedingungslose Grundeinkommen schafft Freiheit, auch mal einen Job abzulehnen, meint Christian Zellmer vom Bündnis Grundeinkommen.

(Foto: imago/Westend61)

Mit der Digitalisierung werden viele Jobs wegfallen, nicht nur die schlecht bezahlten, sagen Experten. Bei einer Podiumsdiskussion im Caritas-Projekt Rentabel wird diskutiert, ob das Grundeinkommen eine Lösung sein kann.

Von Laura Dahmer, Freising

Kaum einer war ins Caritas-Projekt Rentabel gekommen, um sich die Podiumsdiskussion anzuhören. Dabei war das Thema, da waren sich die Anwesenden einig, ein wichtiges. "Ohne Moos nichts los?!" nannten sich die Thementage des Caritas-Zentrums und der Stiftung Bildungszentrum Freising. Diskutiert wurde über das bedingungslose Grundeinkommen. Und das, wenn auch in kleiner Runde, leidenschaftlich.

Mit der Digitalisierung, so SZ-Wirtschaftsreporter Thomas Fromm, werden in Zukunft jede Menge Jobs wegfallen. "Und wir reden hier nicht vom klassischen Arbeiter, der ersetzt wird", stellt er fest. Vielmehr seien es Chirurgen, Anwälte, vielleicht sogar Professoren. Das werfe die Frage auf: "Wie können wir das kompensieren?" Konrad Riedel und Christian Zellmer vom Bündnis Grundeinkommen (BGE) sind der Meinung, dass ihr Modell ein Lösungsansatz sein kann. Mehr als das: Es solle den Menschen Freiheit und Selbstbestimmung geben. Auch Unternehmensberater Andreas Materne sieht das so. Mit dem Grundeinkommen soll jeder Mensch in Deutschland monatlich eine bestimmte Summe Geld überwiesen bekommen. Ohne Bedingungen, ohne Verpflichtungen. Diskutiert wird häufig über 1000 Euro pro Monat.

Das Grundeinkommen für die Freiheit, einen Job ablehnen zu können

"Es soll eine Art Vertrauensvorschuss der Gesellschaft sein", erklärt Zellmer. "Die 1000 Euro geben mir außerdem die Freiheit, den Preis für meine Arbeit zu setzen. Und die Freiheit, zu sagen: Nein." Unternehmensberater Materne bestätigt: "Nur etwa 20 bis 30 Prozent der Menschen machen eine Arbeit, die sie erfüllt. Der Rest macht Dienst nach Vorschrift." Das würde auch aus ökonomischer Sicht keinen Sinn machen, weil es die Leistung um etwa die Hälfte schmälert. Denn der Mensch, glauben die Befürworter, arbeite gerne. Bei vielen sei das eben nicht unbedingt das, was sie gerade tun. Eine Zuhörerin merkt an: "Ein junger Mensch kann von 1000 Euro leben und sein Leben anders planen." Generell können sich das kleine Publikum mit dem Grundeinkommen anfreunden.

Wirtschaftsreporter Fromm und Simone Burger, Regionsgeschäftsführerin des Deutschen Gewerkschaftsbunds, sehen das anders. Sie fürchten um den Sozialstaat. "Wir reden hier über 1000 Euro. In unserer Region übersteigen die Lebenskosten einen solchen Betrag", stellt Burger fest. Allein ein Hartz IV-Empfänger in München bekäme mit etwa 1120 Euro, die sich aus Regelsatz und Zuschüssen zusammensetzen, schon heute mehr. Jedem deutschen Bürger 1000 Euro zu zahlen, das werde die Staatskasse leeren und Kürzungen an anderer Stelle bedeuten, sagt sie. Was macht dann jemand, der seine Arbeit verliert, mit 1000 Euro?" Das "Gießkannenprinzip", wie Fromm es nennt, gefällt Burger und ihm nicht, sie finden es ungerecht. "Wir sollten das Geld, dass in diesem Modell die Reichen bekommen, in unseren Sozialstaat investieren", sagt Burger.

Auch Reiche bekämen die 1000 Euro Grundsicherung

Konrad Riedel vom BGE beschwichtigt, man wolle den Sozialstaat gar nicht abschaffen. "Das Grundeinkommen soll komplementär sein und behandelt werden wie ein normales Einkommen", stellt er klar. Wer also heute 1120 Euro Zuschüsse und Arbeitslosengeld erhält, bekäme dann nur noch 120 Euro zusätzlich. Von den Reicheren, die das Grundeinkommen ebenso erhalten, solle dann über eine Steuererhöhung mehr Geld eingetrieben werden.

Carolin Dümer, Caritas-Kreisgeschäftsführerin warf ein: "Wenn es zukünftig aber doch tatsächlich weniger Arbeitsplätze gibt, wird auch weniger erwirtschaftet. Wo soll das Geld herkommen?" Am Ende bleiben einige Fragen offen, über zwei Stunden aber wurde durchaus konstruktiv diskutiert. Das BGE wird im Mai zum ersten Mal bei der Europawahl antreten und das Thema bedingungsloses Grundeinkommen damit vielleicht bald auf die europäische Ebene bringen.

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