Roman Seehon ist sich sicher:Die Sprache der Trommeln versteht jeder

Lesezeit: 4 min

Vor 30 Jahren war die Safado Street Groove Band eine der ersten Sambagruppen in Deutschland. Es gibt sie immer noch - und ihr Leiter entdeckt sogar im Quietschen einer Kühlschranktür einen Rhythmus.

Von Katharina Aurich, Freising

Die Trommelszene in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Immer mehr Gruppen formierten sich, die sich vom traditionellen Samba gelöst und für neue Strömungen aus der ganzen Welt geöffnet haben. Auch die Anzahl professioneller Musiker wächst. Sie alle suchen nach Auftrittsmöglichkeiten. Gleichzeitig werden die finanziellen Mitteln vieler Veranstalter geringer.

Roman Seehon, der in mehreren Formationen als Drummer und Percussionist auftritt, im Dreiklang Musikverein Schlagzeug und an der Freisinger Montessorischule Musik unterrichtet, der die Sambagruppe "Safado" leitet und selbst Stücke komponiert, ist sich immer selbst treu geblieben.

Beispielsweise auf einem Kreuzfahrtschiff aufzutreten, nur um Geld zu verdienen, das kam für ihn nie in Frage. Statt dessen gibt es immer wieder neue Musik von Seehon zu hören, so wie sein kürzlich veröffentlichtes Album "Handmade", das fast ausschließlich aus Eigenkompositionen besteht, die er als Teil eines Jazzquintetts eingespielt hat.

SZ: Herr Seehon, wie lebt es sich als Weltmusiker in Freising?

Roman Seehon: Freising ist toll, eine Musikstadt. Wir haben drei Gymnasien, zwei Musikschulen und viele Kapazitäten, aber leider zu wenig Übungsräume. Immer wieder fragen mich junge Musiker, wo sie üben könnten. Das Schöne an Freising ist auch, dass sich die Menschen kennen. Zum Beispiel am Samstag auf dem Markt trifft man viele Bekannte.

Was bedeutet Ihnen das Unterrichten?

Es ist schön, etwas zur Erziehung junger Menschen beitragen zu können. Die Rolle des Musiklehrers liegt ja irgendwo zwischen der eines Elternteils und eines Schullehrers. Oft höre ich nur zu, was mir meine Schüler erzählen, bin fast wie ein Psychologe. Das empfinde ich als wichtige Aufgabe. Außerdem möchte ich meinen Schülern vermitteln, genau und konzentriert zuzuhören, diese Fähigkeit geht leider oft verloren. Was bedeutet Musik für Sie ?

Musik ist Kommunikation. Mir ist es immer schwergefallen, viel zu reden oder in der Schule Gedichte auswendig zu lernen. Ich bin kein Mensch der Worte. Mit Musik und Rhythmus kann ich mich viel besser ausdrücken und kommunizieren. Musik ist generationen- und kulturübergreifend. Ich kann in Usbekistan trommeln - und es versteht mich dort jeder. Diese Sprache ist universell.

Woher nehmen Sie ihre Inspiration?

Ich bin immer auf der Suche nach Geräuschen. Wenn zum Beispiel die Kühlschranktür quietscht, dann höre ich genau hin, experimentiere mit diesem Geräusch und dann fällt mir dazu ein Rhythmus ein. Ich erinnere mich auch an einen Rhythmus, den ich 1981 in Kuba mit kubanischen Musikern spielte, an die Zigeuner, mir denen ich damals Musik machte. Sie haben ein phänomenales Gedächtnis und spielen vollkommen ohne Noten. Die Musik wird von Generation zu Generation weiter vermittelt. Aus dieser Fülle an Begegnungen schöpfe ich, wenn ich komponiere.

Warum sind inzwischen so viele Bands bereit, für wenig bis kein Geld aufzutreten?

Als Musiklehrer zieht man sich ja den Nachwuchs heran. Es gibt inzwischen viele Nachwuchsmusiker, die ein super Niveau haben. Und in Zeiten von Facebook und Youtube gibt es ganz andere Verbreitungsmöglichkeiten als noch vor 20 Jahren. Die Konkurrenz ist viel größer geworden. Dadurch sind auch die gut bezahlten Engagements deutlich weniger geworden.

Welche Konsequenzen hat das für Berufsmusiker?

Als ich begann, Musik zu machen, kam man noch wesentlich einfacher an Engagements. Die Veranstalter, zum Beispiel Kommunen oder Clubs, kamen auf uns zu. Man kannte sich und wurde immer wieder gebucht. Wir mussten uns kaum darum kümmern, selbst Konzerte zu organisieren. Heute muss man sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen, um im Gespräch zu bleiben. Musiker müssen heutzutage viel mehr Eigeninitiative zeigen, um gebucht zu werden. Man darf sich dabei auch nicht scheuen, auf der Straße für Hutgeld zu spielen.

Die Safado Street Groove Band gibt es mittlerweile seit 30 Jahren. Wie funktioniert eine Band über einen so langen Zeitraum?

Wir haben die Safados in Freising als eine der ersten Sambagruppen in Deutschland gegründet. Damals war das etwas ganz Neues. Seitdem hat sich eine Menge verändert. Bis heute gleich geblieben sind jedoch der Spaß und die Leidenschaft am Trommeln, jeder kann bei uns mitmachen. Wie proben einmal in der Woche und unsere Highlights sind unsere Auftritte wie Mitte Juli beim Sambafestival in Coburg. Als nächstes fahren wir zum Afrikafest nach Emmendingen im Schwarzwald.

Wie organisieren Sie eine 30-köpfige Gruppe?

Von unseren Mitgliedern sind fünf von Anfang an dabei. Es gibt immer wieder Wechsel. Da die Gruppe wie eine Big Band aufgebaut ist, also jedes Mitglied ein bestimmtes Rhythmusinstrument beherrscht, ist es manchmal schwierig dieses Instrumente wieder zu besetzen, wenn einer von uns aufhört. In Deutschland gibt es mittlerweile eine große Trommelszene, davon wollen wir uns aber ein wenig abheben. Wir spielen zwar immer noch auf Sambainstrumenten, probieren uns aber auch an Weltmusik und orientalischen Rhythmen oder integrieren den Zwiefachen in unseren Sound. Manchmal erfinden wir auch etwas Neues.

Warum trommeln Erwachsene?

Musik bereichert den Alltag der Menschen. Selbst zu spielen macht selbstbewusst und aktiviert das Gehirn. Musizieren ist kreativ und baut Stress ab, die Synapsen im Gehirn finden neue Wege. Es gibt keine guten oder schlechten Trommler, alle werden in der Gruppe mitgetragen, die Erfahrenen ziehen die Neuen mit. Die Gruppe ist natürlich auch ein soziales Netz aus ganz verschiedenen Berufsgruppen.

Was planen Sie als Nächstes?

Ich möchte im kommenden Sommer auf einem Festival im Pamirgebirge in Tadschikistan mit einheimischen Musikern spielen. Ich war dort schon einmal, es war ein faszinierendes Erlebnis und ein einzigartiges Festival. In 2000 Metern Höhe treffen die vielfältigen Kulturen dieser Region aufeinander, auch persische und europäische Einflüsse haben ihre Spuren hinterlassen. Das ist ein unglaublich schönes Abenteuer auf dem Dach der Welt, bei dem ich Menschen und Kulturen kennenlerne. Und natürlich mit ihnen gemeinsam musiziere.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: