Landkreis Freising:Neustart in der linken Ecke

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Nicolas Graßy möchte zusammen mit Gleichgesinnten ein neues kommunalpolitisches Projekt in Freising starten. Im Fokus stehen dabei vor allem soziale Fragen. (Foto: Marco Einfeldt)

Nach dem Parteiaustritt der Stadträte Hoyer und Graßy wirft nun auch der gesamte Kreisvorstand der Freisinger Linken hin. Zur Kommunalwahl 2026 soll ein neues, lokales Bündnis geschmiedet werden, das den Fokus auf soziale Fragen richtet.

Von Kerstin Vogel, Freising

Die Freisinger Linke ist knapp 20 Jahre nach ihrer Gründung seit Mittwoch quasi Geschichte: Nach dem Parteiaustritt der beiden Freisinger Stadträte und langjährigen Kreisvorsitzenden Nicolas Graßy und Guido Hoyer Mitte November ist nun der gesamte Vorstand der Freisinger Linken zurückgetreten.

Das geht aus einer Mitteilung hervor, deren insgesamt 20 Unterzeichner allesamt bislang der Partei nahestanden oder sich mit deren sozialen Zielen identifiziert haben, darunter neben vielen früheren Unterstützern und Aktiven der Linken beispielsweise auch Markus Grill, der Vorsitzende des Mietervereins, oder Dagmar Krahn, die stellvertretende Kreisvorsitzende des DGB Freising-Erding.

Sie alle kündigen zugleich einen „Neustart für ein soziales und lebenswertes Freising“ an und rufen damit zur Umsetzung eines neuen kommunalpolitischen Projekts auf. Die Herausforderungen, vor denen die Menschen im Landkreis Freising stünden, seien groß, heißt es in der Mitteilung weiter. Aufgezählt werden steigende Preise und Mieten sowie der Mangel an bezahlbaren Wohnungen und Kita-Plätzen.

Wirtshäuser müssten schließen, Kleingewerbe werde von Großkonzernen verdrängt, die dritte Startbahn am Münchner Flughafen sei immer noch nicht vom Tisch. Gute Arbeit mit Tarifbindung werde durch Billigjobs, Befristung und Leiharbeit ersetzt. Im ländlichen Raum sei Mobilität ohne eigenes Auto immer noch nur eingeschränkt möglich. Sparhaushalte bedrohten soziale Errungenschaften und kulturelle Angebote.

Viele Menschen würden gar nicht mehr zur Wahl gehen, weil sie den Eindruck hätten, dass sich für sie dadurch nichts ändere, Politikerverdrossenheit und Polarisierung nähmen zu und die Spaltung der Gesellschaft in „oben“ und „unten“ wachse weiter, so die Bestandsaufnahme. Man habe den Eindruck, „dass die im Bundestag vertretenen Parteien Politik für Besserverdienende machen und nicht (mehr) für Arbeiterinnen, Arbeiter, Angestellte unterer und mittlerer Lohngruppen, geschweige denn Rentnerinnen und Rentner“.

Freisinger Kommunalpolitik
:Hoyer und Graßy verlassen die Linken

Beide haben sich von den Zielen der Partei entfremdet und möchten deren Kurs nicht mehr mitgehen.

Als Bürger fühle er selber sich von der Sprache und der ganzen Ausrichtung her schon lange nicht mehr von den Politikern der Parteien repräsentiert, auch nicht von der Linken, erklärt Stadtrat Nicolas Graßy seine Beweggründe, sich nun für das neue Projekt starkzumachen. Gleichzeitig gebe es schon immer viele Menschen in Freising, die sich ohne Parteipolitik auf kommunaler Ebene gerne sozial und politisch engagieren würden. Zusammen mit ihnen wolle man jetzt „ein Zeichen setzen“ und die Partei klar hinter sich lassen. Das Ziel sei eigentlich die Kommunalwahl 2026, so Graßy. Angesichts des bevorstehenden Bundestagswahlkampfs habe man mit der Abkehr von der Bundespartei jetzt aber schnell reagieren müssen, „alles andere es wäre nicht ehrlich gewesen“.

Es gehe auch nicht darum, sich nun dem neuen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) anzuschließen, wie es andernorts nach Parteiaustritten bei der Linken geschehen sei, stellt der Freisinger Stadtrat klar. Und auch wenn es in Freising mit der Freisinger Mitte und den Freien Wählern ja bereits Wählervereinigungen jenseits der Parteien gebe, richte man sich mit dem neuen Projekt an eine andere Wählerschicht – und das Engagement „auf alles, was in sozialen Fragen bis in die Mitte der Gesellschaft hinein ansteht“. Die drängenden bundespolitischen Themen hätten schließlich auch immer eine kommunalpolitische Komponente, sei es bei den Kita-Gebühren, beim sozialen Wohnungsbau oder dem ÖPNV. Graßy: „Da gibt es genug Hebel in unserem Einflussbereich.“

Die Freisinger Linke war immer unabhängig

Die 2005 ins Leben gerufene Freisinger Linke sei auch immer unabhängig gewesen, heißt es in der Mitteilung zu dem neuen Projekt, „denn die Partei Die Linke wurde erst zwei Jahre später (2007) gegründet“. Auch danach seien die Listen der Linken in Freising immer offen für alle Unterstützer der kommunalpolitischen Inhalte gewesen: „Wir haben immer Wert auf unsere Eigenständigkeit gelegt.“

Was man 2005 angefangen habe, wolle man nun komplett unabhängig von einer Partei auf kommunalpolitischer Ebene fortsetzen und ausbauen, laut Graßy zunächst auf Kreisebene, in den Städten Freising und Moosburg und vielleicht einigen anderen Gemeinden wie etwa in Neufahrn. Die entsprechenden Strukturen werde man jetzt vorbereiten und das weitere Vorgehen nach der Bundestagswahl bekannt machen.

Mit Blick auf ganz Bayern beschreitet man in Freising damit im Übrigen einen Sonderweg: Der bayerische Landesverband der Linken verzeichnet seit dem Bruch der Ampelkoalition umgekehrt einen bemerkenswerten Mitgliederzuwachs und wirbt auf seiner Homepage aktuell mit dem Slogan: „Gerade jetzt: Mitglied werden.“

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