Süddeutsche Zeitung

Die Jugend übernimmt:Zufallstriple

In Eching haben drei Traditionsbetriebe fast gleichzeitig den Generationswechsel vollzogen und beleben weiter den Ortskern

Von Klaus Bachhuber, Eching

Es hätte sich durchaus so entwickeln können, dass die Gemeinde Eching in das Jahr 2019 ohne einen Bücherladen gestartet wäre, ohne einen Geschenkehandel. Und das traditionsreichste Wirtshaus, das ein Rathaus als Anbau hat, hätte auch dicht machen können. An den harten Standortfaktoren hätte das alles nichts geändert, die Gewerbesteuereingänge wären ohne sichtbare Delle geblieben. Und doch macht das vielleicht was mit einem Ort, wenn man im Schaufenster statt auf Bücher auch da noch auf Handy-Displays schaut, wenn man Besonderes nicht mehr spüren und tasten kann oder wenn im Ortskern keine Stube mehr für den 75. Geburtstag und kein Saal mehr für die Jahreshauptversammlung geöffnet ist.

Das Bemerkenswerte an all diesen Geschäftsübergaben der jüngeren Vergangenheit in Eching ist aber vor allem, dass alle drei Betriebe von durchaus jungen Menschen fortgeführt wurden, die sich allesamt branchenfremd auf das Wagnis einließen und in keinem Fall als Junioren der Gründergeneration das Geschäft in die Wiege gelegt bekommen haben. Das liegt nun nicht an besonderen Wasseradern unter Eching und ganz sicher nicht an einer herausragenden Mittelstandsförderung der Gemeinde, es ist ein reiner Zufall, dass sich binnen zwölf Monaten drei Generationswechsel in drei völlig unterschiedlichen, nicht verwandten oder verschwägerten Branchen nahezu identisch abgespielt haben.

Der verbindende Faktor liegt noch am ehesten in der abtretenden Generation; die nämlich hat jeweils ihre Läden nicht mit dem Ende der eigenen Ertragsmöglichkeiten abgesperrt und die Immobilie meistbietend verhökert.

Claudia Borst hatte 1983 den "Echinger Bücherladen" gegründet, damals selbst als branchenferne Quereinsteigerin. Ganze Generationen von Echinger Schulkindern haben mit dem Bücherladen im Ladenzentrum "Alter Wirt" das Lesen gelernt. Als sie sich 74-jährig zum Aufhören entschlossen hatte, galt ihre große Sorge dem Fortbestand des Angebots. "Für mich und für unsere Kunden ist es nur schwer vorstellbar, dass es in Eching keinen Buchladen mehr geben sollte", sagte sie.

Wie in einem Arthouse-Film wurde das Weiterleben des Bücherladens gerettet durch eine junge Frau, die schon mit der Grundschule den Laden besucht hatte und seither Stammkundin blieb. "Ich habe sie im Laden aufwachsen sehen", sagt Claudia Borst über Stephanie Grassl, die 32-jährig zusammen mit ihrem Schwager Dennis Kunda, 36, den Laden übernahm - als Quereinsteigerin, wie seinerzeit Borst.

Margit Nischwitz-Matschke hatte 1987 "Form + Spiel" in Eching eröffnet, als Lebenstraum, nachdem sie zuvor in völlig anderem Metier gearbeitet hatte. Mit 70 wollte sie nun den Laden für Edles und Originelles zum Wohnen, Schenken, Arbeiten und Spielen aufgeben. Hatte sie zunächst an einen Verkauf gedacht, so entwickelte sich eine ihr viel näherliegende Lösung, als ihre Nichten Amelie und Marie-Luise Burglechner Interesse signalisierten.

Auch hier sind die 27 und 23 Jahre jungen Schwestern Neueinsteiger. "Wir werden das Herz des Ladens bewahren", versprach Amelie Burglechner. Gerade ist "Form + Spiel" für eine Umbaupause geschlossen, im März will die nächste Generation eröffnen.

Der Huberwirt schließlich ist einer der Traditionsorte des bürgerlichen Eching. Seit dem Jahr 1873 soll hier Bier ausgeschenkt worden sein, je nach Definition ist die Wirtschaft mindestens seit 1890 im Besitz der Familie Graßl. Die markantesten Veränderungen nahm die Nachkriegsgeneration mit dem Umzug an die Echinger Hauptstraße 1955 und dem Anbau des Hotels 1972 vor.

Nachdem 2008 zunächst der Hotelbetrieb und zuletzt auch noch die Gaststätte verpachtet worden waren, hat jetzt mit den Schwestern Marlene Graßl und Anna Marienwald die Enkelgeneration den Betrieb wieder übernommen, beide sind in anderen Branchen ausgebildet worden. Die Übernahme des Familienbetriebs sei aber "mehr als nur ein Beruf", sagte Marlene Graßl zum Einstand.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2019
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