Süddeutsche Zeitung

Die ganze Welt in Freising:Döner mit Anspruch

Jenny und Ozan Tasocak haben sich ihren Traum mit ihrem kleinen, aber feinen türkischen Restaurant erfüllt. Dass alles tagesfrisch zubereitet wird, gehört zum Konzept. Als Ausländer benachteiligt fühlen sie sich nicht, beide sind in Deutschland geboren und sprechen perfekt deutsch

Von Clara Wollmann, Freising

Ein Morgen am Wörth. Auf die kleine Gasse mit den Olivenbäumen dringt leise Musik, man hört Messer hacken. "Tasocak - seit 1986" steht über dem eisernen Eingangstor zu dem kleinen Laden, der sich um halb elf für seine Kundinnen und Kunden öffnet. Doch Jenny und Ozan Tasocak haben bereits allerhand zutun. "Wir machen alles, so gut es geht, selbst - für die Qualität und die Frische. Die Mama rollt die Weinblätter mit der Hand. Bei uns gibt es nichts vom Vortag, da sind wir rigoros", erzählt Jenny. Trotz des Trubels finden sie und Ozan ein wenig Zeit für einen Chai und ein Gespräch. Man setzt man sich an einen der Tische unter getrockneten Kräutern und Chili, ist gleich beim Du, währenddessen arbeitet Ozans Mutter weiter in der Küche nebenan.

Ursprünglich hat sie den Laden zusammen mit ihrem Mann geführt. "Vor 40, 45 Jahren sind meine Eltern als Gastarbeiter aus der Türkei hierhergekommen", erzählt ihr Sohn. Und er fügt hinzu: "Ich bin in diesem Laden aufgewachsen, meine Eltern wohnen in der Wohnung darüber, meine Kindheit habe ich in dieser Straße verbracht." Den Wunsch, das Familienunternehmen selbst weiterzuführen, sei aber für den 36-Jährigen erst mit der Zeit gekommen. "Ich war von meinen vier Geschwistern der einzige, der eher Interesse im Bereich Gastronomie hatte und den Betrieb eines Tages übernehmen hätte können", erzählt er. In diesem Sinn sei ihm Jenny, die selbst jahrelang in der Gastronomie tätig war, "sehr gelegen" gekommen, sagt Ozan und lacht. Seit sieben Jahren sind die beiden ein Paar, mittlerweile auch verheiratet, und führen gemeinsam ihr eigenes Unternehmen. Die Selbstständigkeit, "sein eigener Herr zu sein", war für beide schon länger ein Traum, und der Laden der Eltern ein "Joker", wie die 35-Jährige sagt. Aufgrund ihrer Arbeitserfahrungen wusste sie, wie viel Spaß ihr die Gastronomie macht, aber auch, dass "man immer mehr machen muss, als man zurückbekommt". So wollte sie das für sich machen, um nicht unter Null herauszukommen.

Und die Tasocaks wissen, was sie wollen, das merkt man ihnen an. "Ich bin mit Sicherheit penibler als mein Vater oder meine Mutter", sagt Ozan von sich selbst. Mit den Eltern habe es deshalb durchaus ab und an gekracht, "wenn der Sohnemann kommt und es einfach anders machen will."

Das Andersmachen spielt eine wichtige Rolle: "80 bis 90 Prozent der Dönerläden sind doch alle gleich. Wir wollen uns abheben, nicht so ein Klischee-Dönerladen sein", erzählt Ozan. Werbereklame im Fenster, alles "bissl zusammengewürfelt, so schmuddelig", beschreibt Jenny jenes Klischee. "Was ja auch total in Ordnung ist, aber wir haben uns dafür entschieden, es elegant zu machen, Döner und andere Speisen moderner, zeitloser, natürlicher anzubieten." Das zeigt sich nicht nur am geschmackvollen Ambiente, sondern auch an der Qualität und Frische ihrer geschmackvollen Produkte. "Ich finde, die Gastro muss ehrlicher werden", sagt Jenny. Mittlerweile würden so viele Produkte, von der geschnitten Zwiebel bis zu tiefgefrorenem Gemüse, in Eimern im Großhandel gekauft. Weder Kunde noch Verkäufer könnten oft sagen, was da drin sei. Sie aber kann auf Nachfragen antworten, weiß etwa Bescheid über Allergene, weil sie alles selbst herstellt, was sie verkauft.

Dass das ankomme, sehe man an dem breiten Kundenstamm, der sich über die Jahre aufgebaut hat. "Von alt bis jung, vegan, vegetarisch - da gibts keine Lücken", fasst Jenny zusammen. Auch Personen, die noch nie einen Döner gegessen haben, stünden manchmal im Laden.

Sie haben es gehofft, aber nicht damit gerechnet, dass ihr Konzept so gut ankommt. Nach einem Umbau und kleinen Veränderungen ging Ozan davon aus, den Laden weiter "so locker" mit seiner Mutter zu führen. Doch nach einem Umbau und kleinen Veränderungen des Angebots kam plötzlich eine "neue Dynamik, die durch die Decke ging".

Schnell wurde klar, dass Jenny, die damals noch nebenher in einer Chocolaterie arbeitete, zwecks Sicherheit und Verkaufserfahrung, nun in Vollzeit einsteigen musste. Seitdem sind sie zu dritt, Mitarbeiter möchten sie keine beschäftigen. Es sei schwierig, weil man oft nicht kommunizieren könne, wie man sich etwas vorstelle, erklärt Jenny. "Denn dieses Gefühl dafür fehlt, bei uns passiert eben vieles aus diesem Gefühl, der Leidenschaft und dem Ehrgeiz für das eigene Ding." Das bedeutet aber auch, dass die Familie sechs Tage die Woche von morgens bis abends im Laden steht. Für Ozan ist das seine Motivation: "Ich spüre diese Energie nur, wenn ich in meinen Laden gehe." Freising sei zwar schön, doch für immer wollen die beiden hier nicht bleiben. Sie haben diesen Traum "irgendwo ein Haus am Meer" zu besitzen, der sie anspornt. Für das Lebensgefühl, und weil Ozan es nicht so wie seine Eltern machen möchte, die noch mit sechzig im Laden stehen.

Mittlerweile kennt sie hier jeder, viel läuft über "Mund-Propaganda", wie Jenny erklärt. Insofern bringt ihr Name einen Vorteil mit sich, dessen Bekanntheit über die Jahre hätte sie ihren Schwiegereltern zu verdanken. Aber ihr ist bewusst, dass das nicht immer der Fall ist. Die Selbstständigkeit berge so manche Hürden, gerade was Formelles angehe. Wenn man die Sprache nicht so gut beherrsche, dann sei das umso schwerer, "egal ob du eine Wohnung mietest oder einen Laden führst", fügt Ozan hinzu. Oft werden so falsche Assoziationen hervorgerufen, "das kann man nicht wegargumentieren", sagt Jenny. Einen gewissen Nachteil werde man dadurch immer haben, auch wenn sie sich selbst nicht als persönlich betroffen ansehen. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass sie sich selbst nicht als Menschen mit Migrationsgeschichte sehen, eher Ozans Eltern. "Vielleicht aber", sagt Jenny zu Ozan, "sind wir beide auch einfach ein gutes Beispiel dafür, was man alles machen und schaffen kann."

Wer anders ist, muss sich beweisen

Im Juli diesen Jahres hat die Süddeutsche Zeitung in ihrem "Buch Zwei" ein großes "Tischgespräch" geführt, bei dem sieben Menschen mit Migrationshintergrund miteinander über Rassismus in Deutschland geredet haben. Dabei war auch die erfolgreiche Berliner Unternehmerin Aynur Boldaz-Özdemir, die von einer Veranstaltung erzählte, bei der ein Banker neben ihr saß, der nicht wusste, was sie macht. Als sie ihm gesagt habe, dass sie eine Firma habe, habe er nur gefragt: Kosmetik? Über den Umstand, dass sie 150 Mitarbeiter in ihrem Betrieb habe, sei er richtig geschockt gewesen, so Boldaz-Özdemir weiter: "Ich glaube, es müssten viel öfter positive Beispiele gezeigt werden, damit sich etwas verändert." Samuel Fosso, der Migrationsreferent der Stadt Freising, empfindet es so, dass Menschen mit Migrationshintergrund in allem doppelte Leistung bringen müssen: "Menschen, die sichtbar anders sind, müssen sich ständig beweisen", sagt er. Die Freisinger SZ besucht in ihrer Serie "Die ganze Welt in Freising" erfolgreiche Unternehmer mit Migrationshintergrund und spricht mit ihnen darüber, ob sie es tatsächlich schwerer haben und hatten. Heute: Jenny und Ozan Tasocak mit ihrem gleichnamigen Restaurant; sz

Ein paar Stunden später, es ist Mittag und die Schule aus, staut es sich vor dem kleinen Laden. "Wir geben unser Bestes, aber wir wollen die Leute auch nicht abfertigen", sagt Jenny. "In unserer heutigen Zeit ist alles so schnelllebig, so anonym geworden." Der freundschaftliche Kontakt, mal ein kurzes "wie gehts?" oder "heute schon Feierabend?" seien da umso wichtiger. So versteht sie auch die Arbeit im Service. Und viele Kunden freuen sich über die kleine Aufmerksamkeit. So könne man ihren Tag ein Stück aufwerten, sagt Jenny. Den Leuten ein schönes Gefühl geben, sogar gratis, und dazu einen guten Döner.

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Quelle:
SZ vom 13.10.2020
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