Der Wahlabend:Deprimierte CSU, jubelnder Jungspund

Während die Freisinger Mitte ihren Wahlerfolg feiert, sorgt sich der Grünen-Kandidat schon wieder um die Startbahn. Bei CSU und SPD sitzt der Schock tief.

Birgit Goormann-Prugger

Bei Elisabeth Schweller sind dann doch ein paar Tränchen geflossen, als klar war, dass es nichts werden würde mit dem Wahlsieg für ihren Lebensgefährten Rudi Schwaiger. Dem OB-Kandidaten der Freisinger CSU haben die 15,4 Prozent nicht gereicht, um in die Stichwahl zu kommen. Ihm blieb am Ende dieses denkwürdigen Abends nichts anderes übrig, als seinem früheren Konkurrenten um die Position des CSU-OB-Kandidaten, Tobias Eschenbacher, die Hand zu schütteln.

Schwaiger, Freisings amtierender Zweiter Bürgermeister, war ziemlich spät im völlig überfüllten, stickigen Rathaussaal erschienen, zusammen mit dem CSU-Ortsvorsitzenden Erich Irlstorfer und seinem Bruder, dem Freisinger Landrat Michael Schwaiger. Das Gebäude hatte er indes bereits um kurz vor 18 Uhr betreten - und es wurde kolportiert, dass er den Wahlausgang in seinem Bürgermeisterbüro abwarten würde. Facebook sei Dank war er ja schließlich immer auf dem Laufenden.

Als er gegen 19 Uhr dann endlich kam, drängten sich die Massen der Neugierigen schon bis vor die Tür. Gemessen am Interesse im Saal, überrascht die niedrige Wahlbeteiligung von nur 55,2 Prozent um so mehr. Bald kam niemand mehr hinein und schnell wurden erste Befürchtungen geäußert, der Boden in dem altehrwürdigen Rathaussaal würde die Last der Menschen gar nicht mehr tragen können. Die Temperaturen in dem Raum stiegen innerhalb weniger Minuten, und das Raumklima nahm schnell saunaähnliche Zustände an.

Das trieb auch Tobias Eschenbacher den Schweiß auf die Stirn. Der hatte bekanntermaßen nach dem CSU-Nominierungs-Showdown in der Luitpoldhalle, bei dem er zur Überraschung vieler gegen Rudi Schwaiger unterlegen war, zusammen mit sieben weiteren enttäuschten Stadträten die CSU-Fraktion verlassen und die "Freisinger Mitte" gegründet. Und dieses Mal war er der strahlende Sieger. 33,7 Prozent. Klarer geht es bei sieben Kandidaten kaum - und Schwaiger musste die "Tobi! Tobi!"-Rufe ertragen. Später bei der Wahlparty der enttäuschten CSU-Mitglieder im "Klimperkasten" wurde Eschenbacher als "Abtrünniger" bezeichnet. Auch dort sollen Tränen geflossen sein. Eschenbacher selbst wollte das desaströse Abschneiden des CSU-Kandidaten Rudi Schwaiger nicht kommentieren.

Der Wahlkämpfer der "Freisinger Mitte" gehörte zu den ersten Kandidaten, die am Sonntag kurz nach 18 Uhr im großen Sitzungssaal erschienen waren. Staatstragend im schwarzen Anzug mit Krawatte - und "ziemlich nervös", wie er zugab. Im Arm seine Frau Nergiz, die er den ganzen Abend über nicht mehr loslassen sollte. Vor ihm war noch die SPD-Kandidatin Eva Bönig da. Um ihre Laune war es sichtbar nicht zum Besten bestellt, ganz im Gegensatz zu den vergangenen Wahlkampfwochen, in denen sie immer heiter und zuversichtlich wirkte und auch bei den Podiumsdiskussionen einen professionellen Eindruck hinterlassen hatte. "Ich bin heute in der Früh aufgewacht und habe mir gedacht, das wird nichts", sagte sie zu einem Zeitpunkt, als eigentlich noch gar nichts klar war. Und ihr Gefühl sollte sie nicht trügen. Nur 12,2 Prozent der Wahlberechtigten hatten sich für sie entschieden. Eine bittere Enttäuschung für Eva Bönig, und das war ihr auch anzusehen.

Dabei hatte sie alles so gut vorbereitet. Am Vorabend des Wahltags hatte es für Ehemann Walter Bönig noch feinstes Wildgulasch gegeben, bereits fertig zubereitet vom örtlichen Metzger. Das hat er sich dann nur noch aufwärmen müssen. Seine Frau hatte es für ihn schon am Freitag besorgt. Sie selbst hatte einen Termin - natürlich. Das Starkbierfest der Freisinger Feuerwehr stand auf dem Programm, da muss man sich blicken lassen als Wahlkämpfer. Einsame Abende wie diesen wird es für Walter Bönig seit gestern nun nicht mehr geben. Seine Frau wird jetzt wieder öfter zu Hause sein - ebenso wie Benno Zierer (Freie Wähler), Helmut Priller (ÖDP), Rudi Schwaiger und Daniel Wilke (Linke).

Zierer und Priller hat es da auch nichts genützt, dass sie sich noch drei Stunden vor Schließung der Wahllokale auf dem Marienplatz bei der Mahnwache für die Opfer von Fukushima hatten blicken lassen. Noch einmal ein Anlass für Eva Bönig, sich fast schwarz zu ärgern über diese Kandidaten, "die ich die ganzen Jahre über nie bei den Anti-Atomkraft-Demos und den Lichterzeichenmärschen gesehen habe und die jetzt bei so was auftauchen". "Die Impertinenz kennt keine Grenzen", kommentierte das ihre Wahlkampfmanagerin Jutta Radojkovic.

Auch der zweite Sieger dieses Abends, der Grünen-Kandidat Sebastian Habermeyer, war bei der Fukushima-Wache zugegen. Er allerdings war im Gegensatz zu manch anderem Kandidaten bei den regelmäßigen Mahnwachen des Bündnisses für den Atomausstieg immer wieder erschienen, war dort auch als Redner aufgetreten und hatte bei einer dieser Veranstaltungen auch so ganz nebenbei mitgeteilt, dass er sich um das Amt des grünen OB-Kandidaten bewerben wolle.

Angespannt war auch er, natürlich. Die Wünsche von Fotografen, doch mal schnell seine Lebensgefährtin in den Arm zu nehmen, erfüllte er nur widerwillig. Doch das sollte sich schnell geben - und als ihm der Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl schweißgebadet, aber freudestrahlend kräftig auf die Schulter klopfte, um ihm zu gratulieren, da hatte Habermeyer seine gewohnte, souveräne Lockerheit schon wiedergefunden und gab routiniert Interviews. Natürlich sei er der Kandidat, der sich am effizientesten und mit voller Überzeugung gegen den Bau der dritten Startbahn einsetzen könne, sagte er. Aber das sei nicht das einzige Thema, mit dem er punkten könne, versicherte er. In den nächsten zwei Wochen gebe es jetzt noch viel zu tun. Er müsse um jede Stimme kämpfen. "Es wird schwer", sagte Sebastian Habermeyer, "aber es ist sicher nicht hoffnungslos".

Freisings amtierender Oberbürgermeister Dieter Thalhammer (SPD) schien am Ende irgendwie erleichtert, diese Prozedur überstanden zu haben. Es war schließlich die erste Wahl seit Jahren, bei der er nicht als Kandidat auftrat, sondern nur zuschauen durfte. Einen starken Nachfolger wünsche er sich, hatte er mal zu Beginn dieses Freisinger OB-Wahlkampfes gesagt. Habermeyer oder Eschenbacher: Der gesettelte "Lindgrüne", wie er sich selbst nennt, gegen den Jungspund mit Kontakten zur Freisinger Partygemeinde: Haben diese beiden nun das Potential dafür? "Ich hoffe natürlich, dass sich einer der beiden zu einem starken Nachfolger entwickelt", antwortete Thalhammer darauf. Es sei schließlich noch nie ein Meister vom Himmel gefallen.

Die Wahlkampftrauerfeier seiner eigenen Kandidatin Eva Bönig ersparte sich Thalhammer an diesem Abend. Er zog eine private Einladung vor.

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