Der Flughafen spaltet die CSU:Ein hoher Preis

Lange hat die CSU die Anti-Startbahn-Proteste ignoriert, was sich bei den Wahlen bitter gerächt hat. Nun haben acht Freisinger CSU-Stadträte ihre Fraktion verlassen. Und doch hat Parteichef Seehofer Gründe, an der Erweiterung des Airports festzuhalten.

Mike Szymanski

CSU-Chef Horst Seehofer ahnte schon, was auf seine Partei zukommen würde, wenn erst mal der Planfeststellungsbeschluss für den Bau der dritten Startbahn vorliegt. Also bekniete er beim Bezirksparteitag der Oberbayern Ende Juli seine Parteifreunde: "Ich bitte Euch, im Umgang mit der Bevölkerung von dem Grundsatz auszugehen, wir üben keine Herrschaft aus, sondern wir sind Dienstleister für die Bürger." Dienstleister für den Bürger - das hörte sich sehr schön an, versöhnlich in der Art. Man redet, und dann wird alles gut, wie Seehofer so gerne sagt.

Aber seither ist nichts wirklich gut geworden - in Freising und Erding rebelliert nicht nur die Bevölkerung gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, sondern auch die eigene Partei. Im Streit darüber ist die Freisinger CSU-Stadtratsfraktion auseinandergebrochen.

Fraktionschef Tobias Eschenbacher teilte mit, dass er zusammen mit sieben weiteren Stadträten die Fraktion verlasse: "Nach gründlicher Überlegung kamen wir zu dem Entschluss, dass wir nur frei von den Verwicklungen mit der Partei auf Bundes- und Landesebene, insbesondere im Zusammenhang mit den einschneidenden Entscheidungen der Staatsregierung zur Flughafenerweiterung, erfolgreiche und nachhaltige Politik für Freising machen können." Die Fraktion in der konservativen Bischofsstadt schrumpft damit auf nur noch drei Stadträte zusammen.

Und das ist nicht die erste Ohrfeige für die Partei. Der CSU-Ortsverband Berglern im Nachbarkreis ist samt Bürgermeister und Vorstand aus der Partei ausgetreten. "Ich habe die Hoffnung aufgegeben, innerhalb der Partei etwas bewegen zu können", sagte der Ex-CSUler, Bürgermeister Herbert Knur.

Ausgerechnet im Erdinger Moos, wo die CSU 1992 mit der Inbetriebnahme des Flughafens "Franz Josef Strauß" einen Grundstein für ihre Vorstellung vom modernen, wirtschaftsstarken und weltoffenen Bayern gelegt hat, dort zeigt die Partei nun Auflösungserscheinungen. Als "Airfolgsregion" werben die Flughafenlandkreise für sich, der Airport bringt Vollbeschäftigung und Wohlstand mit sich. Und die CSU? Einfach abgewirtschaftet.

Bislang hat die Parteispitze versucht, den Protest als lokalen Brandherd abzutun. Und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt ertrug es, als ihm Ende Juli ein Flughafengegner bei einer Kundgebung vor der Parteizentrale eine Tomate an den Kopf drückte. Wirklich weh tut ihm, wie die Startbahn die Partei spaltet.

Freising - ein Krisengebiet für die CSU

Vor allem Freising ist für sie seit Jahren schon ein Krisengebiet. Als Ministerpräsident hatte sich Günther Beckstein dort im Landtagswahlkampf 2008 geschlagene zwei Stunden lang auspfeifen lassen müssen. Der frühere Finanzminister Kurt Faltlhauser ist auch nicht mehr gern gesehen, nachdem er die Startbahngegner als "Krakeeler" beschimpft hatte. Als die CSU noch allein in Bayern herrschte, ließ sie die Freisinger oft spüren, dass sie überhaupt nicht dran denkt, auf sie Rücksicht zu nehmen.

Das rächte sich. Ob bei der Kommunalwahl oder der Landtagswahl 2008 - beide Male wurde die Partei im Flughafen-Umland bitter abgestraft.

Der frühere Wirtschaftsminister und Parteichef Erwin Huber, heute im Landtag immer noch ein entschlossener Kämpfer für die Startbahn, sagt: "Wir bezahlen einen hohen politischen Preis dafür, dass wir im Interesse des gesamten Landes einer Region solche Belastungen zumuten müssen."

Auch Horst Seehofer hat nach seinem Amtsantritt als Ministerpräsident und CSU-Chef für sich eine Kosten-Nutzen-Analyse der dritten Startbahn erstellt. Anders als seine Vorgänger ist er kein glühender Verfechter der Erweiterung. In seiner Anfangszeit ließ er oft Zweifel erkennen, ob es die dritte Startbahn wirklich brauche. Im September 2009 sagte er bei einem Besuch in Freising, man müsse das Ganze "neu bewerten" - er hatte noch deutlich vor Augen, wie heftig seine CSU den Protest bis dahin zu spüren bekommen hatte.

Heute lässt er keinen Zweifel mehr daran aufkommen, dass die Startbahn kommt. Das hat aber weniger damit zu tun, dass ihm die Flughafen-Manager so sehr von der Notwendigkeit eines zusätzlichen Rollfeldes überzeugt hätten. Seehofer hat erkannt, dass er seiner Partei in der jetzigen Verfassung nicht abermals einen Kurswechsel zumuten kann. Atomausstieg und Wehrpflicht-Abschaffung haben die Basis schon genug irritiert; eine Abkehr der Flughafenpartei vom Franz-Josef-Strauß-Airport würde nur weiteren Schaden anrichten.

Zudem würde ein Abrücken von der Startbahn als Zeichen der Schwäche gewertet: Die CSU traut sich keine umstrittenen Großprojekte mehr zu. Als sein Vorgänger Beckstein das Lieblingsprojekt von Edmund Stoiber, den Transrapid, beerdigt hatte, musste sich die CSU vorwerfen lassen, sie habe keinen Mumm mehr. Der Mut ist der CSU tatsächlich abhanden gekommen. Am Mittwoch erschien ein Umfrage, wonach die CSU nur noch auf 41 Prozent käme, würde am Sonntag gewählt. Sie muss damit erstmals wirklich fürchten, in Bayern aus der Regierung zu fliegen. Im Bund ist die Gefahr noch deutlich realer. Sie kann sich keine weiteren Fehler erlauben. Das macht auch die Lage in Freising so schwierig.

Seehofer hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, wieder mit den Startbahngegnern ins Gespräch zu kommen. Er will Schmerzen lindern, die Straßen in der Region sollen ausgebaut werden, damit es nicht zum Verkehrsinfarkt kommt. Für den neuen Runway soll allein der Flughafen aufkommen. "Es wird kein einziger Steuergroschen fließen", verspricht Seehofer. Weiter will er den Gegner nicht entgegenkommen.

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