Demonstration:Die menschliche Dummheit übersehen

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Atomkraftgegner erinnern mit Mahnwachen an die Katastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren

Tobias Schulzeund Monika Mayer

Die Szenerie vor der Mariensäule wirkt mittlerweile fast vertraut: Zwei Dutzend gelber Schilder für ein Freising ohne Atomstrom, drei Fahnen mit der roten Anti-Atom-Sonne, dazwischen ein paar Plakate christlicher AKW-Gegner, die sich um die Schöpfung sorgen.

Von den Kundgebungen der Vorwochen hat sich die jüngste Mahnwache des Bündnisses für den Atomausstieg aber doch unterschieden - wenn auch nur in Nuancen: Zum einen ging es erstmals nicht um das Atomunglück in Fukushima, sondern um das in Tschernobyl, welches sich dieser Tage zum 25. Mal jährt. Zum anderen fand die Mahnwache diese Woche erst am Dienstag statt. Am angestammten Montagstermin waren die Aktivisten nämlich verhindert: Kundgebung in Niederaichbach, Atomkraftwerk umzingeln.

Vielleicht lag es am ungewohnten Termin, vielleicht an den grauen Wolken, dass Mitorganisator und Redner Josef Beck mit der Teilnehmerzahl nicht ganz zufrieden war. Ein paar mehr als hundert Demonstranten hat er gezählt, in der Vorwoche seien es noch 130 gewesen. Ob es das Bündnis schafft, wie angekündigt bis zum Ende des Atommoratoriums im Juni an den wöchentlichen Mahnwachen festzuhalten?

"Es ist zach", sagt Beck. "Seit Wochen immer nur die selben Leute", raunte zuvor auch eine Teilnehmerin der Mahnwache. Und mit Blick auf die Unterschriftenlisten, die an der Mariensäule ausliegen, fügte sie hinzu: "Das haben wir alles schon lange unterschrieben."

In der Sache sind sich die Demonstranten aber immer noch sicher: Die Atomkraft müsse weg, so schnell wie möglich. "Wir sind nicht gewillt, zur Tagesordnung zurückzukehren und zu sagen: Wir haben hier in Deutschland die sichersten Atomkraftwerke der Welt", so Beck in seiner Rede vor den Atomkraftgegnern.

Schon als 14-Jähriger habe er vor Jahrzehnten gegen den Bau der Reaktoren in Ohu demonstriert. Die Proteste hätte Ministerpräsident Franz Josef Strauß damals als Querulantentum abgetan. Nach der Katastrophe in Tschernobyl habe man die Bevölkerung dann mit halben Wahrheiten abspeisen wollen. Und daran, so Becks Kritik, habe sich bis heute nichts geändert.

Kommunalpolitiker haben in Hallbergmoos der atomaren Katastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren gedacht. Etwa ein Dutzend Personen, überwiegend Mandatsträger von Bündnisgrünen, Freien Wählern und SPD versammelten sich am Dienstagabend vor dem Rathaus zur Mahnwache. Öffentliche Aktionen wie diese sind in der Geschichte der Moosgemeinde bisher eher die Ausnahme, was Initiator Robert Wäger (Grüne) zum Versprechen ermutigte, man werde dieses "Angebot an Bürgerinnen und Bürger, die nicht in die Städte fahren können" ausbauen.

Mangelhafte Ausbildung und schlechte Zusammenarbeit hätten zum Unglück von Tschernobyl geführt erinnerte Wäger. Die Konstrukteure hätten schlicht die "menschliche Dummheit" übersehen. Deshalb sei Atomenergie auch nicht beherrschbar. Man vermute heute, dass bis zu 100000 Menschen an den Folgen von Tschernobyl gestorben seien. Wäger forderte: "Aussteigen, zeigen dass es selbst in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland auch ohne Kernkraft geht und beweisen, dass die Technik rückbaubar ist." Es sollte möglich sein, dass Deutschland seinen Lebensstandard trotzdem halte.

Karl-Heinz Zenker (FW) sagte, ohne Einschränkung des Energieverbrauchs sei der Atomausstieg nicht vorstellbar. Ein Vorschlag dazu sei ein Tempolimit auf Autobahnen. An eine andere Reaktorkatastrophe, die 32 Jahre zurückliegt, erinnerte SPD-Fraktionssprecher Konrad Friedrich. In seiner Rückblende auf Harrisburg 1979 zeigte er die Abläufe in dem damals fabrikneuen Meiler "Three Mile Island" auf. Ventile waren bei Wartungsarbeiten geöffnet worden und man hatte vergessen sie wieder zu schließen. "Alle AKW stilllegen und entsorgen", forderte deshalb der SPD Politiker.

© SZ vom 28.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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