Debatte:Wider den Einheitsbrei

In Freising wird diskutiert, wie sich die Stadt in der Metropol-Region neben dem Moloch München behaupten kann

Petra Schnirch

Der Moloch Großstadt streckt seine Fänge aus, doch bisher ist es Freising gelungen, sein Gesicht zu bewahren: Dieses Fazit zogen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion "Freising morgen - Teil von Greater Munich?" am Dienstag im Sitzungssaal des Rathauses. "Wir wollen nicht zur Schlafstadt verkommen", betonte der städtische Planungsreferent Gerald Baumann. Um sich auf Dauer zu behaupten, müssten die Kommunen im Umland gemeinsam handeln, empfahl Fritz Auweck, Professor an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Eine gemeinsame Regionalplanung aber sei, gerade wenn es wirtschaftlich gut läuft, eine große Herausforderung.

Selbst in kleineren Gemeinden wie Langenbach entstehen "völlig losgelöste Gewerbegebiete", kritisierte Auweck. München geht angesichts des massiven Zuzugs allmählich der Platz aus. In Mintraching soll ein riesiger Freizeitpark mit entsprechenden Auswirkungen auf den Verkehr entstehen. Der Flughafen verwandelt sich mehr und mehr in eine große Shopping-Mall - gerade die Attraktivität der Region bedeutet für die Kommunen enormen Druck. Wolfgang Haber - er hatte bis zu seiner Emeritierung den Lehrstuhl für Landschaftsökologie an der TU in Weihenstephan inne - prägte das Wort des Abends: Jede Großstadt sei ein Parasit, denn für ihre Versorgung sei sie auf das Umland angewiesen. Und jeder Parasit versuche, den Wirt unter Kontrolle zu halten.

Freising könne sich dennoch relativ gut behaupten, attestierte Moderatorin Sonja Rube. Sie stellte gar die provokative Frage, ob die Stadt nicht selbst Parasit sei. Denn Regionalexperte Alain Thierstein, Leiter des TU-Lehrstuhls für Raumentwicklung, hatte in einem Impulsreferat aufgezeigt, dass Freising einer der "Topgewinner" in der Metropolregion München ist. Nach Analyse der Pendlerströme, der internationalen Verflechtung der Unternehmen und der Arbeitslosenzahlen folgerte er: Anders als beispielsweise Moosburg habe Freising ganz besonders gewonnen. Es sei ein starkes Zentrum entstanden. Andererseits seien Kommunen heutzutage stark gefordert: Zwar reichten die sozialen Netze der Menschen quer durch Europa, gleichzeitig sei für sie die "Rückbesinnung auf den kleinen Maßstab", auf die Qualität im Quartier, von großer Bedeutung. Auweck warnte in diesem Sinne vor zu viel Gleichmacherei: Jede Kommune oder Regionen wie das Ampertal oder die Hallertau müssten Zielvorstellungen entwickeln, um Einheitsbrei zu verhindern.

Freising verfügt hier durch seine lange Geschichte und gewachsene Strukturen über ein Alleinstellungsmerkmal und damit über viel Selbstbewusstsein, daran ließ OB Dieter Thalhammer keinen Zweifel. Auch die Hochschulen sind laut Siegfried Scherer, dem Prodekan des Wissenschaftszentrums Weihenstephan der TU, von erheblichem Gewicht. Doch Begehrlichkeiten an anderer Stelle könnten auch für Freising zum Problem werden. "Wir müssen höllisch aufpassen, dass am Flughafen keine zweite Stadt entsteht", warnte Baumann. Dies sei nicht akzeptabel, gerade weil man in Freising akribisch darauf achte, dass die Innenstadt nicht durch Geschäfte auf der grünen Wiese kaputt gemacht werde.

Auch mit anderen Schwierigkeiten einer Boom-Region hat die Domstadt zu kämpfen: Für Studierende seien die Zimmer kaum zu bezahlen, sagte HSWT-Präsident Hermann Heiler. Auch Professoren klagten in Berufungsverfahren regelmäßig über hohe Grundstückspreise. Dennoch: Baumann sieht die Position in der Metropolregion eher positiv. Ziel sei es, langsam und durch ressourcenschonende Wohngebiete zu wachsen. Mit den Plänen für die Stein-Kaserne sei man auf dem richtigen Weg. (Kommentar)

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