Das sitzt!:Vierbein, Dreibein, kein Bein

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Die Mitglieder des Kunstvereins "Freisinger Mohr" beschäftigen sich mit Variationen zum Thema "Stuhl" und präsentieren ihre Sichtweisen jetzt in den Ausstellungsräumen im Freisinger Gefängnis.

Von Birgit Goormann-Prugger

Leere Stühle haben irgendwie etwas Melancholisches, wenn sie nebeneinander oder gestapelt auf Benutzer warten. Als ob die Zeit stehen geblieben sei, als ob das Leben erst dann wieder beginnen würde, wenn Menschen durch ihre Anwesenheit die Stühleszenerie beleben würden, als ob sie dadurch erst ihren Sinn erhalten würden. Nicht nur Bilder wie diese sind in der aktuellen Frühjahrsausstellung des Kunstvereins "Freisinger Mohr" zu sehen, die am Freitagabend im Gefängnis eröffnet wurde. "Das sitzt - Vierbein, Dreibein, kein Bein, Variationen zum Thema Stuhl" ist das Motto der Ausstellung, die bis zum 21. April dauert. 28 verschiedene Künstlerinnen und Künstler haben sich an dem Sitzmöbel mit einer erstaunlichen Vielfalt schöpferisch beschäftigt. Sie haben gemalt, aquarelliert, gezeichnet, fotografiert, geformt, gebrannt, geschnitten, gegossen, geschmiedet, genäht, drapiert und verfremdet, um die ganze Vielfalt des Stuhls und den Begriff des Sitzens zu offenbaren.

Käuflich zu erwerben sind die Exponate natürlich auch alle, ausgenommen der original Waschstuhl der Großeltern von Barbara Birke, komplett ausgestattet mit Schüssel und Waschlappen. "Unverkäuflich" ist dort vermerkt. Ein wenig ungemütlich zumute wird einem bei dem silber glänzenden Exponat von Ingrid Künne. "Der Schnitter" nennt sie ihren Stuhl, dessen Sitzfläche mit messerscharfen Metallplatten versehen ist. Ihren "Anti-Sitz-Stuhl" empfiehlt sie für missliebige Gäste. Ingrid Künne, die Pressesprecherin des Kunstvereins "Freisinger Mohr", hat sich auch in ihrer Einführungsrede mit dem Stuhl an sich beschäftigt. Das Sitzen auf einem Stuhl sei für die Menschheit eigentlich eine vergleichsweise junge Betätigung, erläuterte sie. Stühle nämlich gebe es erst seit 5000 Jahren, das ist nicht viel angesichts der menschlichen Entwicklungsgeschichte von fünf Millionen Jahren. Stühle seien überdies zu Anfang nur Göttern und irdischen Herrschern vorbehalten gewesen. Der Stuhl als Alleinstellungsmerkmal sozusagen, das gemeine Volk saß derweilen zusammengedrängt auf unbequemen Bänken. Mitunter musste es auch vor den Oberen knien und im günstigsten Fall durfte es stehen, das aber nur mit ausdrücklicher Erlaubnis.

In der Kunst sei der Stuhl lange nur als Requisit zur Repräsentation des Menschen vorhanden gewesen. Erst im 20. Jahrhundert werde der Stuhl auch als solcher präsent, bei van Gogh trage er eine Pfeife, bei Beuys werde er mit Fett beladen oft werde er auch leer gezeigt, um auf die Abwesenheit des Menschen hinzuweisen. Das Modell von Irene Reupert dient zudem als "Beziehungsbarometer". So lautet zumindest der Titel ihrer Sitzinstallation, bestehend aus einem Holzblock und zwei Fahrradsätteln auf Metallstäben, die man zueinander hin oder eben voneinander weg drehen kann. Ein wenig wackelig auf den Beinen erscheint einem das genähte Stuhlmodell von Petra Zunterer, während die handgeschmiedeten Stühle von Leander Wennige für die Ewigkeit gemacht zu sein scheinen.

Johanna Schwemmer wiederum hat sich mit dem beschäftigt, was der Stuhl im wörtlichen Sinne alles ertragen muss. "Sitzfleischbilder" nennt sie ihre Exponate. Und wer beim Besucher der Ausstellung 50 Cent investiert, der erkauft sich dafür "fünf Minten Muße" in einem bequemen Schaukelstuhl mit Kuscheldecke.

Die Ausstellung "Das sitzt" des Kunstvereins Freisinger Mohr ist bis zum 21. April in den Ausstellungsräumen im Gefängnis zu sehen. Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag, 17 bis 20 Uhr, Samstag und Sonntag, 11 bis 18 Uhr.

© SZ vom 16.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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