"Spaziergänger" in Moosburg:"Dicht gedrängt, nahezu ohne Masken"

Lesezeit: 3 Min.

Gegendemonstranten kritisieren, dass bei "Spaziergängen" gegen die Corona-Regeln die geltenden Auflagen missachtet werden, rechte Parteien unterstützen die Aufrufe zu den nicht angemeldeten Protestzügen. Die Polizei sieht bisher dennoch keinen Grund, diese zu unterbinden.

Von Thilo Schröder, Moosburg

Den seit einiger Zeit stattfindenden "Spaziergängen" von Gegnerinnen und Gegnern der Corona-Maßnahmen wird nachgesagt, mindestens durchsetzt zu sein von Rechtsextremen sowie Anhängerinnen und Anhängern von Verschwörungstheorien und ähnlichen Milieus. Auch in Moosburg und Freising haben sich am Montag vergangener sowie dieser Woche Menschen zu "Corona-Spaziergängen" eingefunden. Offiziell angemeldet waren die Aktionen nicht. Zeitgleich formierten sich angemeldete Gegendemonstrationen, die sich gegen wahrgenommene rechtsgerichtete Aufmärsche und für das Impfen aussprachen.

In den sozialen Medien kocht wiederholt ein Streit darüber hoch, wer hier von wem vermeintlich oder tatsächlich gesteuert wird, ab wann man mit Rechten mitläuft und wo berechtigter Protest endet. Waren unter den "Spaziergängern" mutmaßlich Rechte und Hetzer? Was weiß die Polizei über die Szene? Sind die Beamten vorbereitet auch auf größere Demos, bei denen Regeln zum Infektionsschutz mutmaßlich missachtet werden? Und kann man von teilnehmenden Bürgern erwarten, dass sie wissen, dass unter anderem rechte Organisationen zu den "Spaziergängen" aufrufen?

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"Die Nicht-Anzeige einer Versammlung stellt vor diesem Hintergrund grundsätzlich eine versammlungsrechtliche Ordnungswidrigkeit für Veranstalter oder Leiter einer Versammlung dar", erklärt ein Moosburger Polizeisprecher auf Nachfrage den Umgang mit den "Spaziergängen". Man habe bei der Versammlung am 3. Januar darum bei zwei der rund 130 Teilnehmenden die "Personalien festgestellt und deren mögliche Eigenschaft als Versammlungsleiter geprüft". Das Ergebnis dazu stehe noch aus. Anderweitige Verstöße seien "nicht festgestellt" worden.

Den Moosburger "Spaziergang" an diesem Montag hingegen beschreibt Gegendemo-Teilnehmer Reinhard Kastorff in einer E-Mail als "dicht gedrängt (Abstand 50 cm, nahezu ausschließlich ohne Masken)". Den Zug schätzt er auf "500 und mehr Personen". Kastorff hat den Eindruck, dass die Polizei unzureichend vorbereitet war: "Es war jedenfalls furchterregend und beängstigend, dass die Polizei diesen Zug gewähren lassen musste, nicht in der Lage war, die uns auferlegten Demonstrationsregeln auch dort durchzusetzen."

Ein Bürger fordert von Moosburgs Bürgermeister ein Verbot der Spaziergänge

Beobachter Jürgen Zwerger will "nur 9 Polizeibeamte vor Ort" gezählt haben. In einer E-Mail an Bürgermeister Josef Dollinger (FW) und Dritten Bürgermeister Michael Stanglmaier (Grüne) spricht er von "großem Entsetzen". Die Polizei "schreitet hier nicht ein, ist mit sehr wenigen Kräften vor Ort und scheint dieser Anzahl an 'Spaziergängern' nicht gewachsen zu sein". Der Mann fordert von den Kommunalpolitikern: "Schützen Sie die Mitbürger der Stadt Moosburg, erlassen Sie ein Verbot für diese Spaziergänge."

Der Einsatzleiter der Polizei widerspricht: Man sei auf die Versammlungslagen "vorbereitet und mit einer auf Grundlage der polizeilichen Erkenntnisse ausreichend starken Anzahl an Einsatzkräften an den verschiedenen Versammlungsörtlichkeiten" gewesen. Er beziffert den "Spaziergang" auf zirka 200 Menschen. Eine Auflösung durch die Polizei sei überdies "versammlungsrechtlich an hohe Hürden geknüpft", ausgerichtet am "Verhalten der Versammlungsteilnehmenden". Es habe "zu keinem Zeitpunkt Anlass dazu gegeben, eine vorzeitige Beendigung oder polizeiliche Auflösung in Erwägung zu ziehen". Man habe zudem am Montagabend insgesamt fünf Versammlungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie betreut: die beiden erwähnten in Moosburg sowie in Au, Nandlstadt und Rudelzhausen.

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Obgleich solche "Spaziergänge" üblicherweise nicht offiziell angemeldet werden, wird in Moosburg wie auch in diversen anderen Orten im Landkreis zur Teilnahme ermuntert. Das belegen vielfach verbreitete Aufrufe in den sozialen Medien. Wer sie zurückverfolgt, landet dabei etwa auf der Homepage der laut Bayerischem Verfassungsschutz rechtsextremistischen deutschen Kleinpartei "Der III. Weg", im Veranstaltungskalender des Kreisverbands Freising-Pfaffenhofen der coronakritischen Kleinstpartei "Die Basis" oder in einschlägigen regionalen Telegram-Kanälen wie "Querdenken 8161 - Freising" oder "Corona Rebellen Freising".

In Letzterem werden auch Verschwörungstheorien sowie weitere fragwürdige Beiträge geteilt. Unter anderem Mitglied sind oder waren mehrere örtliche AfD-Politiker mit wichtigen politischen Ämtern, wie Recherchen der Freisinger SZ Ende 2020 gezeigt haben. Inhaber des "Rebellen"-Kanals ist Clemens Koppe, AfD-Kreistagskandidat 2020; er schreibt dort dieser Tage auch über die "Spaziergänge". Im Veranstaltungskalender der Kreis-AfD tauchen diese allerdings nicht auf.

Polizei ordnet die Teilnehmenden in Moosburg dem "bürgerlichen Spektrum" zu

Können oder müssen von alldem jene Menschen wissen, die dieser Tage "spazieren" gehen, um ihr Protestrecht wahrzunehmen? "Nur weil man ein Demonstrant gegen die Corona-Maßnahmen ist, ist man nicht gleich ein Rechter", empört sich auf Facebook etwa Michael Rott. "Es gibt klar auch viele Aufmärsche, die die rechte Szene für Krawalle nutzt. Aber die meisten friedlichen sind nicht rechtsgesteuert!" Josef Schmid antwortet ihm: "Nur weil man gegen Coronamaßnahmen ist, muss man nicht mit Rechten marschieren." Diskutiert wird indes auch über sich im Kreis drehende Coronamaßnahmen und ein schon vor der Pandemie heruntergewirtschaftetes Gesundheitssystem. Über Protestbeweggründe, die auch Gegner der "Spaziergänge" zum Teil nachvollziehen können.

Aber waren oder sind bei den "Spaziergängen" denn tatsächlich Rechte erkennbar unterwegs? Die Moosburger Polizei teilt dazu auf Nachfrage mit: "Beobachtungen, dass bei sogenannten Corona-Spaziergängen in Moosburg Personen aus dem rechtsextremen Spektrum mitwirken könnten, wurden seitens der Polizeiinspektion Moosburg bislang nicht gemacht. Auch liegen beim übergeordneten Polizeipräsidium Oberbayern Nord solche Erkenntnisse für Moosburg nicht vor." Man ordne die Teilnehmenden in der Isarstadt dem "bürgerlichen Spektrum" zu.

Letztlich klären lässt sich der Vorwurf nicht. Auf den Einwurf eines "Spaziergängers", keine Nazis gesehen zu haben, antwortet ein User auf Facebook: "Was erwartest du dir, Glatzen und Springerstiefel? Die gibt es vereinzelt auch, aber auch Neonazis haben gelernt, sich zu tarnen."

© SZ vom 12.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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