Corona im Kreis Freising:Gesundheitsamt an der Grenze

Corona im Kreis Freising: Die Ankömmlinge im Corona-Testzentrum werden im hinteren Zelt registriert, im vorderen getestet.

Die Ankömmlinge im Corona-Testzentrum werden im hinteren Zelt registriert, im vorderen getestet.

(Foto: Marco Einfeldt)

Nicht nur Rückkehrer aus Risikogebieten müssen bis zum negativen Test in Quarantäne. Doch der Austausch mit der Gesundheitsbehörde ist schwierig.

Von Gudrun Regelein und Nadja Tausche

Mit dem Coronavirus ist er nicht infiziert, auch in Kontakt zu Erkrankten stand der Freisinger Unternehmer nach allem, was man weiß, nicht. Trotzdem hat er gerade eine zehntägige Quarantäne hinter sich - wegen misslungener Kommunikation mit dem Freisinger Gesundheitsamt. Mit seiner Frau und den neun Monate alten Zwillingen hatte der Freisinger, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, Urlaub in Frankreich gemacht, auf dem Land südlich von Paris. Zum Pech der Vier wurde die gesamte Region zum Risikogebiet erklärt, als sie vor Ort waren. Zurück in Freising, hieß es deshalb: Quarantäne, bis ein negatives Testergebnis vorliegt. Das Haus verließ die Familie also nicht mal zum Einkaufen, die Nachbarn versorgten sie, den Rest bestellte man online, so erzählt es der Unternehmer.

Auch nach Tagen reagiert das Gesundheitsamt nicht

Für die Corona-Tests wandte die Familie sich derweil ans Gesundheitsamt - an einem Mittwoch. Am Freitag hakte sie nach, drei Tage später kam eine Antwort - in der aber nur stand, man solle die angegebenen Daten überprüfen. Schließlich organisierte die Familie selbst Tests beim Hausarzt. "Wir waren sehr enttäuscht, dass wir nicht früher etwas vom Landratsamt gehört haben", sagt der Freisinger.

Wer aus einem erklärten Risikogebiet zurückkommt, ist dazu verpflichtet, sich beim zuständigen Gesundheitsamt zu melden, einen Corona-Test zu machen und sich solange in häusliche Isolation zu begeben, bis ein negatives Ergebnis vorliegt. So ist es in der sogenannten Einreise-Quarantäneverordnung des Freistaats Bayerns geregelt.

Verstöße kosten bis zu 25 000 Euro

Verstöße können bis zu 25 000 Euro kosten, die konkrete Höhe wird im Einzelfall entschieden. Nur: Betroffene, die sich ans Freisinger Gesundheitsamt wenden, bekommen ihre Antworten oft spät, müssen mit standardisierten Mails ohne konkrete Handlungsanweisung rechnen. Zwar sollen sich Rückkehrer aus Risikogebieten "möglichst selbst um einen Test kümmern", wie es vom Landratsamt auf Anfrage heißt. Das allerdings steht nicht auf der Webseite des Amtes, wo auch die Aufforderung zu finden ist, sich beim Gesundheitsamt zu melden. Vielen Betroffenen dürfte es also nicht bewusst sein - sie warten erst einmal vergebens auf Antwort vom Amt.

Dass das Gesundheitsamt überfordert ist, gesteht die Behörde mehr oder weniger selbst ein. "Im Gesundheitsamt Freising bestehen seit Beginn der Corona-Pandemie dauerhaft personelle Engpässe", so Landratsamtssprecher Robert Stangl. Viele der eigentlichen Aufgaben könnten die Mitarbeiter schon seit längerer Zeit nicht mehr "in wünschenswertem Maße" wahrnehmen. Auf die Frage, ob sich das Gesundheitsamt Unterstützung beim Erfüllen der Aufgaben im Zusammenhang mit Corona wünsche, heißt es: "Zusätzliche Unterstützung von Seiten des Freistaates oder anderer Stellen wäre mehr als wünschenswert."

Es fehlt schlicht das Personal

Dass so viel Arbeit auf die Gesundheitsämter abgeladen wird, führt auch dazu, dass manches davon schlicht nicht umgesetzt werden kann. Die Quarantäneverpflichtung von Rückkehrern aus Risikogebieten überwacht laut Bundesgesundheitsministerium die zuständige Gesundheitsbehörde. Von der heißt es in Freising auf Anfrage aber: "Die Quarantänepflicht der Reiserückkehrer kann aufgrund mangelnder personeller Kapazitäten nicht aktiv überprüft werden."

Stark verzögerte Reaktionen der Behörde bei einer Quarantänepflicht, die gar nicht kontrolliert wird: Das könnte Folgen haben, glaubt ein Reiserückkehrer aus Marzling. Nämlich, dass sich viele gar nicht erst beim Gesundheitsamt melden: "Durch die miese Kommunikation wird die Bereitschaft sinken, sich der Behörde auszuliefern." Auch der Jurist hat seine Erfahrungen gemacht. Nach der Rückkehr von der französischen Mittelmeerküste - ebenfalls zum Risikogebiet erklärt, als er schon dort war, betont er - bekam auch er erst einmal zwei standardisierte Mails vom Gesundheitsamt. Und auch die erst nach zwei Tagen. Allerdings hatte er sich direkt selbst um einen Corona-Test gekümmert - zum Glück, wie er sagt: "Sonst wäre ich eine Woche sinnfrei in Quarantäne gewesen." Das negative Testergebnis hat der Marzlinger dann dem Gesundheitsamt vorgelegt, das hat die Quarantäne aufgehoben. Vom Landratsamt heißt es dazu: Dass einzelne Personen oder Familien keine Antwort erhalten, solle eine Ausnahme darstellen. Allerdings könnten gerade Einzelanfragen teilweise nicht zeitnah bearbeitet werden - denn bei größeren Ausbrüchen oder bei Corona-Fällen in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Schulen und Kindergärten habe "die rasche Unterbrechung von Infektionsketten Priorität".

Auch im Kontakt mit Schulen hapert es

Allerdings funktioniert der Ablauf auch dort nicht einwandfrei. Nach nicht einmal einer Woche Unterricht im neuen Schuljahr gab es bereits an vier Schulen Coronafälle - einer davon am Camerloher-Gymnasium. Ein Schüler war positiv auf das Coronavirus getestet worden, daraufhin wurde die ganze Klasse vorsichtshalber für zwei Wochen in Quarantäne geschickt. Sie habe deshalb mit dem Gesundheitsamt Kontakt gehabt, erzählt Schulleiterin Andrea Bliese. Am Sonntagabend habe sie von dem positiven Test erfahren, am Montag dann liefen Gespräche mit dem Amt. "Das ging in diesem Fall sehr schnell", sagt Bliese.

Corona im Kreis Freising: Andrea Bliese, Rektorin im Camerloher-Gymnasium.

Andrea Bliese, Rektorin im Camerloher-Gymnasium.

(Foto: Marco Einfeldt)

In den Wochen zuvor, als das neue Schuljahr unter Coronabedingungen vorbereitet wurde und Hygienevorgaben umgesetzt werden mussten, sei es dagegen schwierig gewesen, Kontakt zum Gesundheitsamt und die notwendigen Infos zu bekommen. Aber auch im Falle des infizierten Schülers war es nicht das Amt, das die Eltern der betroffenen Klasse informierte. "Am Montag wurde ich vom Gesundheitsamt gebeten, die Eltern der betroffenen Klasse anzurufen und ihnen zu sagen, was zu tun ist", erzählt Bliese. Die Schule übernahm dann diese Aufgabe. Eigentlich wurde Bliese zwar gesagt, dass sich auch das Gesundheitsamt noch bei allen Eltern melden wolle, aber bei einigen sei das bis zu diesem Mittwochmittag noch nicht geschehen.

Viele Eltern warten vergebens auf einen Anruf

Auch in der städtischen Kindertagesstätte "Traumallee" an der Landshuter Straße in Freising ist ein Coronafall aufgetreten, eine Erzieherin wurde positiv auf das Virus getestet. Zunächst wurden erst einmal alle Kinder nach Hause geschickt. Den Eltern wurde ein zeitnaher Anruf des Gesundheitsamts angekündigt - den allerdings viele nie bekamen, wie eine Mutter, die anonym bleiben will, erzählt. Ihr Kind besucht eine Gruppe, die nicht von der infizierten Erzieherin betreut wird. Von der Krippe erfuhr sie erst, dass nur die Gruppe, bei der diese Mitarbeiterin Leiterin ist, in Quarantäne bleiben muss - und alle anderen Kinder wieder kommen dürfen. Auch, wenn laut Rupert Widmann, Hauptamtsleiter der Stadt, alle Eltern der betroffenen Gruppe vom Gesundheitsamt oder vom zuständigen Fachamt der Stadt kontaktiert wurden: Andere Eltern berichteten auf Facebook ebenfalls von keinen oder nur sehr verspäteten Anrufen und Informationen aus dem Gesundheitsamt.

Testen gilt als so wichtig, da damit Ansteckungsketten nachvollziehbar und unterbrochen werden können - und dadurch steigende Infektionszahlen verhindert werden. So soll die Corona-Pandemie in den Griff bekommen werden. Dass dabei die Mitarbeiter des Gesundheitsamts an den Rand der Belastungsgrenze kommen, ist nicht verwunderlich, wenn man sich die Zahl der Beschäftigten anschaut. Sieben Vollzeitkräfte sind in Freising aktuell tätig, dazu rund zwölf Mitarbeiter, die größtenteils in Teilzeit arbeiten. Mit eingeschlossen: Das "Contact Tracing Team", das jegliche Kontaktpersonen von Infizierten abtelefonieren muss - bei rund 180 000 Landkreisbewohnern. Zwar haben Bund und Länder beschlossen, im öffentlichen Gesundheitsdienst zusätzliche Stellen zu schaffen, haben Stangl zufolge also "die Situation erkannt". Allerdings soll das bis Ende 2022 geschehen. Fraglich, ob Corona da überhaupt noch ein Thema ist.

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