Süddeutsche Zeitung

Chaos bei der Bahn:Prüfung gelaufen, Meeting geplatzt

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Bauarbeiten und eine Oberleitungsstörung lassen den Zugverkehr nach München zusammenbrechen. Tausende Pendler kommen zu spät ans Ziel.

Von Verena Bracher und Peter Buchholtz, Langenbach/Freising

Zum dritten Mal kündigt am Mittwochmorgen aus dem Lautsprecher am Bahnhof in Langenbach eine Ansage den außerplanmäßigen Halt eines Regionalzugs um 10.04 Uhr an. Er soll die wartenden Reisenden nach München bringen. Eigentlich ist es schon 10.20 Uhr - und der Zug ist immer noch nicht da. Zwei junge Männer packen ihre Notizen weg. "Die Prüfung ist gelaufen", sagt der eine. Sie werden es nicht mehr rechtzeitig zum Prüfungsbeginn nach München schaffen. Ein Herr in Anzug sagt am Telefon ein Meeting ab, eine junge Frau wirkt ganz verzweifelt, als sie erklärt, dass sie um zehn von ihrer Chefin im Büro erwartet wurde.

Schließlich kommt der Zug, er ist proppevoll. Kurz vor Freising dann wieder eine Durchsage: Der Zug endet hier, eine Weiterfahrt zum Hauptbahnhof nach München ist nicht möglich.

Die Ursache für das Chaos: Seit Freitag werden zwischen Moosach und Feldmoching Schienen, Schotter und Schwellen auf einer sechs Kilometer langen Gleisstrecke ausgewechselt. Für die S-Bahn wurde daher ein Schienenersatzverkehr zwischen den beiden Haltestellen eingerichtet, die Regionalzüge nutzen ein zusätzliches Gleis, das eigentlich für den Güterverkehr vorgesehen ist. Am Mittwochmorgen bleibt jedoch ausgerechnet auf dieser Umleitungsstrecke bei Feldmoching ein Alex-Zug liegen, der eine Oberleitungsstörung verursacht und somit das übrig gebliebene Gleis blockiert.

Wer an diesem Vormittag nach Freising, zum Flughafen oder mit dem Regionalzug weiter Richtung Landshut will, hat deshalb einen langen Weg vor sich. "Wir können keine genaue Prognose geben", ist die Antwort eines Sprechers der Bahn auf die Frage, wie lange eine solche Oberleitungsstörung denn dauere. Beim Ticketkauf werden die Störungen zwar gemeldet, wie viel Zeit ein Umweg den Reisenden aber tatsächlich kostet, ist nicht ersichtlich.

Der Lokführer des Regionalzugs aus Langenbach erklärt den Fahrgästen die weiteren Anschlussmöglichkeiten. Seiner Stimme ist anzuhören, dass er weiß, wie unbefriedigend die Ausweichmöglichkeiten klingen. Mit dem Bus- oder Schienenersatzverkehr kann man zum Flughafen fahren, um von dort mit der S-Bahn-Linie 8 über den Ostbahnhof zum Hauptbahnhof zu gelangen. Erwartete Ankunftszeit am Hauptbahnhof München ist 12.25 Uhr, also ganze zwei Stunden später als die ursprüngliche Verbindung vorsah.

Bei einer Verspätung von mehr als 60 Minuten haben Reisende der Deutschen Bahn einen Recht auf Entschädigung. 25 Prozent des Fahrpreises werden dann zurückerstattet, bei über 120 Minuten sogar 50 Prozent. Dazu müssen sie ein Fahrgastrechte-Formular ausfüllen, von einem Bahnangestellten die Verspätung bestätigen lassen und zusammen mit dem Ticket an das Servicecenter der Deutschen Bahn schicken. Außerdem seien die gekauften Tickets natürlich auch im Schienenersatzverkehr und auf den Ausweichstrecken gültig, heißt es seitens der Deutschen Bahn.

Im Bahnhof von Freising drücken sich die Menschen dicht an dicht auf der Suche nach Verkehrsmitteln, die sie nach München bringen sollen. Ab Freising fahren auch die Regionalzüge in Richtung Landshut, Hof oder Regensburg wieder, wenn auch mit einigen Minuten Verspätung. "Wir haben zusätzliche Busse und Taxen im Einsatz", sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn. Diese verkehren von Freising aus zum Münchner Flughafen oder überbrücken die Strecke zwischen Moosach und Oberschleißheim sowie Feldmoching und Oberschleißheim.

Die Transportmöglichkeiten sind jedoch überfüllt. Ihrem Unmut machen am Vormittag einige Fahrgäste auf Twitter Luft. "Es ist doch echt der blanke Wahnsinn", sagt Userin Carola Bothe, "Preise werden ständig erhöht, für was und für wen überhaupt?". Auch Michael Schwarz scheint verärgert über die Notlösung: "Ein Bus für 500 Wartende. Personal weiß von nichts", schreibt er auf Twitter.

In den vergangenen Tagen hatten Reisende von München kommend bereits öfter mit Verspätungen zu kämpfen. "Es war eine schlechte Woche", so ein Sprecher der Deutschen Bahn. Unwetterschäden, Personenunfälle und eine Stellwerkstörung auf der Strecke zum Flughafen hatten den regulären Bahnverkehr behindert. Für die Reisenden bleibt zu hoffen, dass Prüfungen wiederholt und Termine verschoben werden können.

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Quelle:
SZ vom 10.08.2017
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