Forschung in Weihenstephan:Baustoffe aus Hopfen, Milchersatz aus Biertreber

Lesezeit: 3 Min.

Zehn Start-ups des FEMIB-Förderprogrammes des EIT Food stellten sich vor. (Foto: Frank Horlbeck/EIT Food)

Das Netzwerk EIT Food und die TUM stellen am Campus zehn Start-ups vor, die das Potenzial haben, den Lebensmittelbereich mit ihren innovativen Produkten nachhaltig zu verändern. Unterstützt werden sie durch EU-Förderprogramme.

Von Norick Huß, Freising

Ein „Check24 für Proteine“, Milchersatz aus Biertreber oder Sonnenblumenöl aus altem Brot – all das ist möglich. Start-ups arbeiten derzeit an diesen und anderen Innovationen, um das Lebensmittelsystem nachhaltiger zu gestalten. Gefördert werden sie dabei durch die Wissens- und Innovationsgemeinschaft „EIT Food“ mit Sitz in Freising (EIT steht für: Europäisches Institut für Innovation und Technologie). Es versteht sich als „Motor, den sich die EU gegeben hat, um Innovationsrückstände aufzuholen“, wie Geschäftsführer Jérôme Hamacher erklärt. Das Netzwerk arbeitet eng mit der TU München (TUM) zusammen.

„Entrepeneurship Made in Bavaria“, kurz Femib, ist eines der Programme, durch das EIT Food West gemeinsam mit der TUM sowie dem bayerischen Wirtschaftsministerium Innovationen im Bereich Ernährung stärken will. Zehn vielversprechende Start-ups stellten ihre Ideen am Mittwoch in den Räumen des Instituts in Weihenstephan vor. Mit dabei waren Tobias Gotthardt, Staatssekretär im bayerischen Wirtschaftsministerium, und TUM-Präsident Thomas Hofmann, der das Netzwerk EIT Food seit dessen Gründung 2014 begleitet.

Begeistert vom Innovationsgeist der Start-ups: (von links) Christian Körner, Leiter TUM Entrepreneurship, Jérôme Hamacher, Geschäftsführer EIT Food in Freising, Friederike Wagner (Femib-Projektleiterin), Staatssekretär Tobias Gotthardt, TUM-Präsident Thomas Hofmann, Rita Laukemper, TUM-Projektmanagerin, sowie Nicolas Perrin und Nicole Parisis von der Geschäftsleitung des EIT-Food-Hauptsitzes in Brüssel. (Foto: Frank Horlbeck/EIT Food)

In Freising habe sich ein bundesweites, einzigartiges, institutsübergreifendes Team gebildet, das „wirklich alles für die Unterstützung bayerischer Agrifood-Start-ups gibt“, sagt Femib-Projektleiterin Friederike Wagner. Durch das Förderprogramm, das seit 2018 läuft, wurden bereits 25 Teams unterstützt. Der Fokus liegt auf der Förderung von TUM-Start-ups, nicht umsonst befindet sich der Sitz von EIT Food West am Campus in einem Gebäude der TU München. Gegliedert wird die Förderung dieser Start-ups in zwei „Grants“: Der „Bridge-to-Innovation Grant“ richtet sich primär an TUM-Forscherinnen und -forscher, der „Booster Grant“ soll bereits bestehende Teams stärken. Ausgewählte Projekte beziehungsweise Projektideen werden mit 50 000 Euro dotiert.

Die Ideen sind ebenso ungewöhnlich wie vielfältig. Am Mittwoch stellten sich vier Start-ups vor, die vom „Bridge-to-Innovation-Grants“ profitieren. Die „Global Sustainable Transformation“, kurz GST, hat ein Verfahren entwickelt, mit dem aus altem Brot Kakaobutter, Sonnenblumen- oder Palmöl hergestellt werden kann. Der Prozess, bei dem Hefe den Zucker aus dem Brot „frisst“, ist zirkular und produziert somit keine Abfallstoffe.

„Yield Xperts“ hat eine satellitengestützte Ertragsmodellierung entworfen, mit der landwirtschaftliche Erträge präzise bestimmt sowie Nitratrisikoflächen erkannt werden können. Durch spezielles Licht hat es „Sisiron“ geschafft, Safran-Krokusse mit einem besonders hohen Volumen an qualitativ hochwertigem Safran zu züchten. Dieser wiederum wird, neben seiner bekannten Nutzung als Gewürz, auch für Kosmetikprodukte sowie in der Präventivmedizin verwendet.

„Fluvion“ arbeitet an der Herstellung synthetischer Getränke. Durch einen Bioreaktor kann so aus den Zellen weniger Milliliter Kuhmilch eine vielfache Menge künstlicher Kuhmilch produziert werden. Vor knapp acht Monaten hätten sie einmalig direkt von der Kuh ein wenig Milch genommen, erklärt Fabian Buslaps, der das Start-up repräsentiert. Was das Netzwerk EIT Food jungen Forschenden ermögliche, sei „einzigartig“, findet er.

Sonnenblumenöl, Kakaobutter und Palmöl des Start-ups „Global Sustainable Transformation“ werden allesamt aus Brotresten gewonnen. (Foto: Norick Huß/OH)

Auch aus dem „Booster Grants“-Programm präsentierten sich einige Start-ups. So etwa „Hopfon“, das aus Hopfenresten Bau- und Akustikstoffe herstellt. Vom Hopfen würden nur etwa 20 Prozent zur Bierherstellung verwendet, erklärt Leiter Thomas Rajos. Die übrig gebliebenen Abfallstoffe bekämen sie quasi umsonst, verrät er. In einem chemisch-mechanischen Verfahren werden diese dann zu Platten gepresst, die sogar kohlenstoffnegativ seien, also mehr CO₂ binden, als bei ihrer Produktion verbraucht werde.

Die Bauplatten, die das Start-up „Hopfon“ aus Hopfenresten herstellt, sind nach Angaben des Start-ups kohlenstoffnegativ. (Foto: Norick Huß/OH)

„Better Food“ erzeugt durch die Fermentierung von Zucker eine Biomasse, aus der Nährstoffe wie Vitamine oder Proteine gewonnen werden können. Mit Proteinen setzt sich auch „Protein Match“ auseinander. Das Start-up hat eine Datenbank für vegane Eiweißalternativen erstellt, eine Art „Check24 für Proteine“, wie ihre Gründer sie auch nennen. Davon gibt es nämlich mehrere 100, weshalb Unternehmen, die an veganen Ersatzprodukten arbeiten, oft unzählige Tests vornehmen müssen, bis sie ein geeignetes Protein finden. Durch „Protein Match“ erhalten sie eine bereits gefilterte Auswahl.

Das Problem, mit dem sich das Start-up „Ion-Select“ beschäftigt, ist der schwankende Nährstoffgehalt in Gülle, der häufig einen Ertragsverlust oder eine Nitratbelastung des Bodens mit sich bringt. Mit Sensoren misst „Ion-Select“ den Nährstoffgehalt der Gülle. Durch Satellitendaten ist bekannt, welcher Abschnitt wie viele Nährstoffe benötigt. So lässt sich die Gülle optimal auf dem Feld verteilen.

„Tremi“-Milchersatz wird aus Rückständen der Bierproduktion gewonnen

Das Start-up „Mimbiosis“ produziert mithilfe von Mycelien aus Textilabfällen Baustoffe. Diese können sowohl für den Schutz von Verpackungen als auch zur Gestaltung von Innenräumen verwendet werden. Der Vorteil: Der fertige Baustoff filtert Feinstaub aus Innenräumen und ist zudem innerhalb weniger Wochen biologisch abbaubar.

Aufgrund der geringen Klimafreundlichkeit von Kuhmilch hat „Tremi“ einen Milchersatz erfunden, der aus Biertreber hergestellt wird. Neben dem Tierschutz hat dies einen weiteren Vorteil: Im Gegensatz zu anderen pflanzlichen Milchalternativen gibt es keine langen Transportwege, da das Produkt aus regionalen Rückständen der Bierproduktion gewonnen wird. Außerdem enthält die „Tremi“-Milch mehr Proteine und weniger Zucker als etwa Hafermilch.

Das Start-up „Tremi“ produziert einen Milchersatz, der aus Biertreber hergestellt wird. (Foto: Norick Huß/OH)

Staatssekretär Tobias Gotthardt zeigte sich „absolut begeistert von der Vielfalt“ der Start-ups, die „unglaubliches Potenzial“ hätten, wie er sagte. Der wachsenden „German Angst“ setze man so einen „Bavarian Mut“ entgegen. Acht der 25 Start-ups gelten mittlerweile als „Spin-Offs“, sind also eigene kleine Unternehmen. Ende dieses Jahres läuft die sechsjährige Förderperiode aus. Schluss ist dann aber nicht: Ein Förderprogramm Femib 2.0 soll 2025 starten. Das Projekt solle mit „gleichem Schwung weitergehen“, kündigte Friederike Wagner an.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

„Dies Academicus“ an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
:„Da kann ich mich nicht rausmogeln“

Thomas Baier unterrichtet das Nebenfach Marketing für den Geschäftsbereich Life Science und hat dafür den Preis für nachhaltige Lehre erhalten. Was er den Studenten vermittelt, kommt aus seiner eigenen Motivation, wie er sagt. Trotzdem hält er sich selber nicht für frei von Schuld.

Von Norick Huß

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: